Oerlinghausen

Darsteller machen im Oerlinghauser Freilichtmuseum Wikingergeschichte lebendig

Besucher bestaunen Schmiedekunst oder helfen beim Früchtetrocknen

Historie wird lebendig: Gerlind Schulze-Beek (v. l.), Klaus Scheffer, Sophia, Ann-Christin und Andre Peter, Katja und Holger Augenehmt sowie Jessica, Dennis und Nathan Tebernum stellen im Freilichtmuseum Wikingerleben originalgetreu dar. | © Demokrat Ramadani

10.10.2016 | 10.10.2016, 11:54

Oerlinghausen. Wikinger waren seefahrende Räuber und trugen Helme mit Hörnern. "Das ist das Bild, das die meisten von ihnen haben, und das ist nicht zuletzt den Wagneropern oder bekannten Serien wie 'Vicky und die starken Männer' für Kinder oder 'Vikings' für Erwachsene zu verdanken". Mit solchen und anderen Stereotypen will die "Living History"-Gruppe rund um Jessica Tebernum und Andre Peter aufräumen. Wie das geht, das zeigten sie nun im Archäologischen Freilichtmuseum Oerlinghausen.

Zehn Personen in originalgetreuer Wikingerkleidung haben das Langhaus und die Schmiedestätte auf der ersten Ebene am Barkhauser Berg eingenommen. "Es ist nicht unser Beruf, sondern unser Hobby", sagt Jessica Tebernum. Mit ihrer Familie ist sie vor wenigen Jahren auf einem Mittelaltermarkt gewesen. Gemeinsam haben sie das Interesse für die Mittelalterdarstellung entdeckt. "Zwei Jahre haben wir dann recherchiert, um zu entscheiden, welche Epoche für uns in Frage kommt." Die Wahl fällt letztlich auf die Wikingerzeit im Frühmittelalter (800-1060 n. Chr.), nicht zuletzt, weil sie erfahren haben, dass die skandinavischen Seefahrer sogar bis nach Duisburg, ihre Heimatstadt, gekommen waren.

Andre Peter hat Familie Tebernum 2012 kennengelernt, als er mit seiner Gruppe "Via Vendetta" auf einem Mittelaltermarkt war. Gemeinsam mit den Tebernums, die den Gruppennamen "Corvus Monedula" tragen, veranstalten sie seitdem "Living History"-Aktionen. "Es handelt sich um fundierte Belebung von Geschichte", sagt Andre Peter.

Am Wochenende im Freilichtmuseum in Oerlinghausen zeigten er und die neun anderen Teilnehmer den Besuchern, wie Wikinger gelebt haben und wie sie sich auf die in Skandinavien harte und lange Winterzeit vorbereiten mussten.

Zu den wichtigsten Aufgaben habe gehört, genug Getreide für sich, ihre Hühner und Rinder für den Winter zu lagern. "Die Wikinger waren nämlich entgegen eines verbreiteten Vorurteils nicht alle Seeräuber; die allermeisten sind Bauern, Fischer und Handwerker gewesen", erklärt Jessica Tebernum den Besuchern Dario und Natalia Cozzi, die mit ihrer kleinen Tochter Eleonora ins dunkle Langhaus getreten sind. Während sie gemeinsam mit Jessica Tebernum Äpfel schneiden, erfahren sie, dass die Hauptnahrungsmittel der Wikinger im Winter nicht - wie die meisten vermuten würden - etwa Fleisch gewesen war, sondern ein Brei, dem getrocknete Früchte oder Pilze beigemischt worden sind. "Hin und wieder mal gab es geräucherten Fisch", sagt Tebernum.

Zeitgleich bestaunen andere Besucher das handwerkliche Geschick nach Wikingerart. Während die einen die Schmiedekunst von Dennis Tebernum und seinem Sohn Nathan beobachten, stehen Ingo und Lena Ehmanns mit ihrer dreijährigen Tochter Johanna bei Ann-Christin Peter und schauen ihr bei der Kammwebetechnik zu. Sie sitzt in einer dunkelroten karolingischen Tracht auf einer kleinen Holzbank. Um ihren Bauch ist ein Gurt gespannt, von dem aus 37 rote, blaue und gelbe Fäden ausgehen und an einem Holzpfahl zusammenlaufen. "Ich webe gerade ein Band mit einem Originalmuster", sagt Peter. Familie Ehmanns kommt nach eigenen Angaben alle zwei Wochen ins Freilichtmuseum. "Es ist ein kinderfreundliches Arial, und es ergeben sich immer tolle Gespräche mit den verschiedenen History-Darstellern", sagt Ingo Ehmanns.

Ähnlich geht es auch Thomas Keiperth. Der studierte Historiker ist vor allem von der Fundiertheit der "Living History"-Gruppe beeindruckt. "Man merkt hier, dass sich die Darsteller mit der Geschichte der Wikinger intensiv beschäftigt haben und sich sehr gut auskennen", sagt er sichtlich zufrieden.

Information
  • „Living History" (engl. für „gelebte Geschichte") wird die Darstellung historischen Alltagslebens genannt, bei der Personen versuchen, bei Kleidung, Ausrüstung und Gebrauchsgegenständen möglichst realistisch und originalgetreu zu sein.
  • Mehr Informationen zu den beiden Gruppen aus der Wikingeraktion im Freilichtmuseum Oerlinghausen finden sich im Internet unter: 
www.corvus-monedula.de 
& www.via-vendetta.de