
Kirchlengern. Der Reihe nach treten die Schüler der Klasse 3a vor ihre Mitschüler, um sich mit einer kurzen Leseprobe für die bevorstehende Vorlesewoche zu qualifizieren. Nachdem Amalia Suess mit ihrer Passage aus dem Märchen "Drei kleine Igel" fertig ist, geht die Achtjährige freudestrahlend zurück auf ihren Platz. Sitznachbar Timo hat lobende Worte für das Mädchen mit Down-Syndrom: "Das war super". Als dieser Mitschüler kurz darauf an der Reihe ist, bekommt er das Lob prompt und mit einem charmanten Lächeln zurück: "Das war auch super, Timo!".
Amalia Suess ist das erste Kind mit Down-Syndrom, das an der Grundschule in Kirchlengern beschult wird. "Amalia wurde von ihren Mitschülern von Anfang an akzeptiert. Viele kannten sie schon aus dem Kindergarten", sagt ihre Lehrerin Esther Deppe. Amalia ist eines von drei Kindern mit besonderem Förderbedarf in der Klasse 3a. Insgesamt werden 24 Kinder im Rahmen des inklusiven Konzeptes "Gemeinsames Lernen" unterrichtet. Neben Deppe ist noch Förderschullehrerin Gabriela Justen-Strakeljahn die meiste Zeit mit im Unterricht. Schulbegleiterin Sylke Wüllner-Miley komplettiert das Team der Erwachsenen.
Anfangs sorgte Wüllner-Miley vorrangig dafür, dass die damals Sechsjährige nicht stiften geht. "Die Weglauftendenz war zu Anfang noch ziemlich stark", erinnert sich Mutter Nadja Suess an die ersten Wochen vor zweieinhalb Jahren. Das sei mit den Jahren jedoch viel besser geworden. Die Schulbegleiterin hilft der inzwischen Achtjährigen dabei, sich auf das Lernen zu konzentrieren.
Die Kinder gehören hier dazu
Zwischendurch sorgt sie dabei auch für Ruhe. Das muss so sein, soll der Unterricht doch für alle Schüler gut verfolgbar sein. "Im ersten Jahr war der Lärmpegel oft grenzwertig. Das lag allerdings an Schülern, die jetzt nicht mehr bei uns sind", sagt Lehrerin Deppe. Ihr Fazit nach zweieinhalb Jahren des gemeinsamen Lernens fällt dennoch grundsätzlich positiv aus: "Wenn die Rahmenbedingungen passen, dann kann gemeinsames Lernen gut gelingen". Für die Klasse 3a sei Inklusion zur Selbstverständlichkeit geworden.
Dem pflichtet auch Justen-Strakeljahn bei: "Als wir im Sachkundeunterricht das Thema "Anderssein" durchgenommen haben, hat das niemand auf Amalia oder eines der anderen Kinder bezogen. Die Kinder mit besonderem Förderbedarf gehören hier einfach dazu". Das können auch die Eltern des Kirchlengerner Mädchens bestätigen: "Amalia war sofort mittendrin. Das war Wahnsinn".
Sorgen hatten sich Mutter Nadja und Vater Dietmar Suess zu Anfang schon gemacht. War Amalia doch das erste Kind mit Down-Syndrom an dem Grundschulverbund Elseaue. Papa Dietmar freut sich über die Erfolge seiner Tochter: "Wir möchten, dass unsere Tochter so viel wie möglich lernt, um später ein möglichst selbstständiges Leben zu führen".
Schule und Elternhaus agieren gemeinsam
Amalias schulische Leistungen können sich sehen lassen. Gemeinhin nimmt sie an dem regulären Unterricht teil - wenn auch mit eigenem Lernziel. Schulleiterin Birgit Schwidde-Koebke zieht ein ebenso positives Fazit wie alle anderen Beteiligten: "Ich sehe in Amalias Fall die Inklusion als sehr gelungen an". Wichtig sei nach Meinung der Pädagogin, dass die Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus passe und gemeinsame Erziehungsziele sowie -strategien verfolgt würden.
"Nur wenn Elternhaus und Schule gemeinsam und in Absprache agieren, können Kinder sich erfolgreich entwickeln". Für diese These kann Amalia Suess als wahres Paradebeispiel dienen - das Mädchen mit Down-Syndrom an einer Regelschule - zufrieden und erfolgreich.
INFORMATION
Heute ist Welt-Down-Syndrom-Tag
- Der Welt-Down-Syndrom-Tag (engl. World Down Syndrome Day) findet seit 2006 jedes Jahr am 21. März statt. Er wurde von den Vereinten Nationen ins Leben gerufen.
- Dieser Tag soll das öffentliche Bewusstsein für die Thematik Down-Syndrom steigern.
- Weltweit werden daher am 21. März Veranstaltungen organisiert.
- Das gewählte Datum, der 21. März, symbolisiert das charakteristische Merkmal des Down-Syndroms, nämlich das dreifache Vorhandensein des 21. Chromosoms.