Kreis Gütersloh

Gütersloher campen im Furlbachtal

"Ein Leben ohne Dauercamping am Furlbach ist möglich, erstrebenswert aber nicht." Das sagen viele Camper aus dem Kreis, die den Platz nicht nur wegen seiner Nähe schätzen

Guter Geist: Die Gütersloherin Annette Auster-Müller leitet den Campingplatz, den ihr Onkel Heinrich 1958 gegründet hat. | © Jens Dünhölter

07.04.2018 | 07.04.2018, 09:00
"Schöner Campen": Der Avenwedderin Johanna Deppe fehlt es mit kleiner Terrasse, großem Vorzelt und dem exklusiv eingerichteten Campingwagen an nichts. Die 73-Jährige gehört seit 16 Dauer-Camper-Jahren zu den erklärten "Furlbachtal"-Kindern. - © Jens Dünhölter
"Schöner Campen": Der Avenwedderin Johanna Deppe fehlt es mit kleiner Terrasse, großem Vorzelt und dem exklusiv eingerichteten Campingwagen an nichts. Die 73-Jährige gehört seit 16 Dauer-Camper-Jahren zu den erklärten "Furlbachtal"-Kindern. | © Jens Dünhölter

Kreis Gütersloh. In den Bäumen unterhalten sich die Vögel zwitschernd über die vergangene Nacht und ihre Pläne für den angebrochenen Tag: Das Idyll, der Ort der Ruhe, die Oase zum Ausspannen liegt gut 25 Kilometer Fahrzeit von Gütersloh entfernt. Von der Autobahnabfahrt Hövelhof kommend geht es nach dem Passieren der Polizeischule links in die Roswitha-Auster-Straße. Wenige hundert Meter später trennt nur noch eine Schranke den geneigten Anreisenden vom im Prospekt angekündigten "Urlaub vom Alltag". Jenseits des rot-weißen Schlagbaumes beginnt das Reich von Annette Auster-Müller (58). Wer ihr 90.000 Quadratmeter großes Urlaubsparadies im Grüngürtel von Schloß Holte-Stukenbrock betreten will, muss zwingend an ihr - in Personalunion Besitzerin, Hausmeisterin, Kaffeefee, Mädchen für alles, Auskunftsbüro, kurz der Gute Geist der Anlage - vorbei. Falls im Halbdunkel anreisende Besucher nicht auf den ersten Blick wissen, wo sie sich befinden, reicht ein Blick auf das beleuchtete Schild über dem Eingang zur Anmeldung. In leicht antiquierten Buchstaben steht dort "Campingplatz am Furlbach".

Im Oktober 2014 hat die Gütersloherin das 1958 von ihrem Onkel Heinrich Auster ("Er war der Pionier des Tourismus") gegründete Juwel mitten in der Senne übernommen. Bei ihren regelmäßigen Ausflügen über den zentral gelegenen Berliner Platz oder entlang der Gütersloher Straße ist die Chefin indes längst nicht die Einzige mit heimatlichen Dalke-Gefühlen. Beim Blick auf den Lageplan mit seinen 200 asphaltieren Parzellen für Dauercamper, den 50 Urlaubsplätzen für Kurzurlauber, der schicken Ferienwohnung sowie den zwei, bald drei berühmten Schlaffässern stellt sie fest: "Weit über die Hälfte unserer derzeit 140 Dauercamper kommen aus höchsten 50 Kilometer Entfernung, aus Lippe, Gütersloh, Bielefeld oder Paderborn." Aus dieser auf den ersten Blick überraschenden Aussage, wird auf den zweiten eine von fast schon familiärem Zusammenhalt, von Harmonie, von Gemeinsamkeit, Rücksichtnahme und Respekt geprägte Wohlfühlatmosphäre überzeugter Wohnwagen-Fans. Das vereinende Credo lautet einfach: "Einmal Camper, immer Camper" .

Früh übt sich: Schon als Säugling erlebte Tim mit seinen Eltern Yvonne Rüterkamp und Philipp Krause seine Campingplatz-Premiere. - © Jens Dünhölter
Früh übt sich: Schon als Säugling erlebte Tim mit seinen Eltern Yvonne Rüterkamp und Philipp Krause seine Campingplatz-Premiere. | © Jens Dünhölter

So unterschiedlich Johanna Deppe (73), Susanne Myller (59), Sinnica Huhn (47), Ingrid Hinsenhofen (60), Philipp Krause (32) und seine Verlobte Yvonne Rüterkamp (31) als Menschen, in ihrem Denken, in ihrem Handeln, ihren Ansichten auch sein mögen, so einig sind sie sich, wenn es um ihre gemeinsame Oase geht. Als überzeugte Furlbachkinder lieben allesamt nicht nur die Ruhe, die Entspannung und die Abgeschiedenheit des Campingplatzes in Schloß-Holte Stukenbrock. Alle kommen sie aus fast unmittelbarer Umgebung, aus Avenwedde, Gütersloh oder Verl. "Das ist ?ne andere Welt hier. Sobald man die Schranke hinter sich hat, ist alles andere vergessen", stellt Susanne Myller fest. Die 59-Jährige ist so etwas wie das Küken auf dem 90.000 Quadratmeter großen Areal in unmittelbarer Nähe von Safari-Park, Emsquellen oder anderen lohnenswerten Ausflugszielen. Nach über 40 Jahren auf Campingplätzen am Dümmer See hat die Besitzerin gemeinsam mit Wohnwagen "Josev" erst im Januar einen deutlich näheren Standort zur Gütersloher Heimat bezogen. "Wir sind immer schon gerne mit dem Hund in der Senne herumgelaufen", erzählt die Gütersloherin. Ihr Mann habe immer geunkt, wann denn der Umzug der mobilen Behausung in unmittelbare Nähe erfolge.

Den Furlbach-Bazillus fast mit der Muttermilch verabreicht bekommen hat Tim Rüterkamp. Bereits im zarten Alter von gerade mal neun Tagen nahmen seine Eltern Yvonne Rüterkamp (31) und Philipp Krause (32) den heute sieben Monate alten Sprössling zum ersten Mal mit auf ihre knapp 100 Quadratmeter große Parzelle. Durch die Schwangerschaft sind die seit 2010 überzeugten Verler Dauercampingfreunde vor gut einem Jahr in Schloß Holte-Stukenbrock heimisch geworden. "Das ist mein Fluchtpunkt. Ich habe 15,9 Kilometer zu fahren, bin in 20 Minuten hier", erzählt Philipp Krause. Der Erholungseffekt stelle sich schon ein, "wenn man nach Feierabend für eine Flasche Bier zum Nach-dem-Rechten-schauen vorbei kommt". Mittlerweile verbringt das Trio fast jedes Wochenende in ihrem fünf Meter langen, 2,20 Meter breiten Häuschen am Haken. Über ihre Pläne für das lange Osterwochenende brauchte das junge Paar, das im Sommer den Bund fürs Leben schließen will, nicht lange nachdenken. Yvonne Rüterkamp: "Wir machen die Heizung an und machen es uns im Wohnwagen richtig schön kuschelig".

Beim Kinderwagenschieben an den Feiertagen sind die Drei vielleicht auch Johanna Deppe (73) über den Weg gelaufen. Gemeinsam mit ihrem Mann hat die Avenwedderin in 14 gemeinsamen Furlbach-Jahren auf 100 Quadratmetern einen Erholungsort erschaffen, der auch einem "Schöne Campingwelt"-Katalog entsprungen sein könnte. Mit dem großzügig ausgestatteten Campingwagen, Vorzelt, Terrasse, Windschutz, Fernseher und Waschmaschine fehlt es an nichts. Selbst eine Türglocke für Besucher ist vorhanden. Unzählige Sommer und Winter, Wochenenden und Ferien haben die Avenwedder in der abgeschiedenen Oase zugebracht. Auch viele Geburtstage und selbst die Goldene Hochzeit wurden auf dem Campingplatz gefeiert. Trotzdem oder gerade deshalb wollte die 73-Jährige nach dem Tod ihres Mannes ihre Zelte abbrechen. "Allein packst Du das nicht", beschreibt die Pensionärin ihre anfänglichen Zweifel. Zum Glück waren wie selbstverständlich schnell viele helfende Hände zur Stelle.

Doppelte Frauenpower ist die Antriebsfeder von Sinnica Huhn (47) und Ingrid Hinsenhofen (60). Vor gut zwei Jahren hat sich die Lebensgemeinschaft mit ihrem ersten Wohnwagen einen gemeinsamen Wunschtraum erfüllt. Wegen der "ohne Ende nervigen Fahrerei" sind die beiden Gütersloherinnen im Juli 2017 mit der rollenden Behausung von Münster näher an die Heimat gezogen.

Den ersten Morgen wird Sinnica Huhn nie vergessen. Bis heute ist sie sich felsenfest sicher: "Als ich um 7.10 Uhr aufgewacht bin, hat ein Löwe gebrüllt. Das war so laut, ich hab mich richtig erschrocken". Chefin Annette Auster-Müller kommentiert dies mit vielsagendem Lächeln: "Der Safaripark ist drei Kilometer entfernt. Da braucht man schon sehr gute Ohren." Einig sind sich die beiden Damen darin, einen Glücksgriff getan zu haben: "Münster war ein Stadtplatz. Hier ist man mitten im Grünen." Auch die kurze Fahrzeit spreche für sich. "Wenn einem nach einem stressigen Tag die Decke auf den Kopf fällt, landet man nach 15 Minuten mit dem Auto in einem Meer der Erholung", sagt Ingrid Hinsenhofen.

Einig sind sich die Urlaubenden in ihrem abschließenden Urteil: Ein Leben ohne Dauercamping am Furlbach sei möglich, erstrebenswert aber sicher nicht. Oder um es mit Johann Wolfgang von Goethe zu sagen: "Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah?"