Beverungen

Interview mit dem Künstler Jürgen O. Olbrich

Er spricht über seine Ausstellung im Korbmachermuseum Beverungen-Dalhausen - und über seine Bielefelder Schulzeit

Pakete zum Mitnehmen: Jürgen O. Olbrich vor einem seiner Werke mit gepackten Päckchen im Korbmachermuseum Dalheim bei Höxter. | © Christine Longére

19.03.2016 | 19.03.2016, 12:00

Beverungen. Im Interview spricht der Künstler Jürgen O. Olbrich über seine Ausstellung im Korbmachermuseum Beverungen-Dalhausen. Und über seine Bielefelder Schulzeit.

Herr Olbrich, Ihre Ausstellung steht unter dem Motto „Gemeinsame Sache". So weisen Sie darauf hin, dass Ihnen die Zusammenarbeit mit anderen Künstlern wichtig ist. Warum?
Jürgen O. Olbrich: Es geht um Vielfalt statt Einfalt. Wenn mehrere Sachen in einen Topf geworfen werden und man gut rührt, dann kommt mehr dabei heraus, als wenn man nur alleine rührt. Deshalb habe ich mich entschieden, nachdem ich an diesem Ort vor elf Jahren bereits eine Ausstellung mit Ay-O gemacht habe, wieder kollaborative Arbeiten zu zeigen.

Der klassische Weg eines Künstlers ist ja, dass er einsam im Atelier sitzt und arbeitet. Das kam für Sie nicht in Frage?
Olbrich: Wenn man nicht ganz hoch einsteigt im Kunstbusiness, steht man nach dem Studium zunächst vor dem Nichts. Man muss sich selbst organisieren. Das geht nur, indem man sich zusammentut.

Waren das Begegnungen, die Sie gezielt gesucht haben oder ergaben sie sich zufällig?
Olbrich: Beides. Manchmal wird man aufmerksam auf Dinge, die man gut findet. Dann geht man hin und verabredet sich und es entwickelt sich etwas oder auch nicht. Anfang der 80er Jahre war es ja so, dass die ganzen Fluxus-Leute völlig out waren, die haben nicht ausgestellt, niemand hat sie mehr beachtet.

Außer Heiner und Frank Hussong in Dalhausen.
Olbrich: Das kam erst später, nachdem sie mich kennengelernt hatten. 1977 hatte ich schon einen Kunstraum, in dem wir gearbeitet und Performances gemacht haben, vor fünf oder zehn Leuten. Das war kein Massenpublikum. Aber alle, die dabei waren, waren froh, dass jemand mit ihnen etwas machen wollte. Auch Beuys ist zu mir gekommen.

Information
  • Jürgen O. Olbrich, Teilnehmer der documenta 8, wurde 1955 in Bielefeld geboren. Er lebt und arbeitet in Kassel.
  • „Gemeinsame Sache" präsentiert Arbeiten Olbrichs, von Ay-O, Wolfgang Hainke, Norbert Klassen, Ute Mescher, Berty Skuber, A. Schnyder, Daniel Spoerri, Rod Summers, Emmett Williams.
  • Eröffnung: Sonntag, 20. März, 11.30 Uhr. Bis 1. Mai, di.-fr. 14-17 Uhr, sa., so./Feiertage 10-12.30 und 14-17 Uhr, nach Absprache, Tel. (0 56 45) 18 23.⋌
  • Die Sammlung Hussong mit 600 Künstler-Holzpostkarten ist ab 21. Mai in Schloss Corvey zu sehen.

Der hätte sicher Spaß gehabt an dem, was dank der Dalhausener Sammler aus seiner Holzpostkarte geworden ist.
Olbrich:
Natürlich, es war ja auch so gedacht, dass man sie weiterbenutzt. Ihm kam es darauf an, dass Kommunikation fließt zwischen den Menschen und Bewusstsein geschaffen wird. Paper Police, Bestandteil der Ausstellung in Dalhausen, ist auch so ein Projekt. Die Leute werfen in Papiercontainer, was sie nicht mehr haben wollen. Ich nehme die Sachen heraus und filtere sie. Was übrig bleibt, wird von Museums-Mitarbeitern gestempelt mit dem Aufdruck Paper Police, zu Päckchen verpackt und als Bodenskulptur ausgelegt. Jeder Besucher darf ein Päckchen mitnehmen, es aber erst zu Hause öffnen.

Über Ihre Anfänge ist wenig bekannt. Sie geben Auskunft über Geburtsort und -jahr und fügen hinzu, alles Weitere habe sich ergeben. Wenn man in Bielefeld geboren wird, ergibt sich ja nicht zwangsläufig, dass man Künstler wird.
Olbrich: Das stimmt.

Was beeinflusste Ihre Berufswahl?
Olbrich: Wichtig waren sicher mein Kunstlehrer am Bielefelder Helmholtz-Gymnasium und ein für neue kulturelle Strömungen offener Deutschlehrer. Der riet mir, zur Uni in Bielefeld zu gehen. Da gab es einen neuen Sprachbereich Linguistik, mit Seminaren in einer Villa am Sparrenberg. Da waren drei Professoren und vier Studenten, sehr witzig. Von dort bin ich nach Kassel gegangen, dort gab es sehr viel Freiheit. Zwischendurch habe ich in London Bühnenbild studiert.

Haben Sie heute noch Verbindungen nach Bielefeld?
Olbrich: Nachdem meine Eltern gestorben sind, nicht mehr so viele. Aber wir haben einen guten Klassenverband und treffen uns einmal im Jahr in in Bielefeld.

Als Ihr Credo gilt die Aussage, das Leben sei Kunst genug. Warum dann überhaupt Kunst?
Olbrich: Das ist eine sehr gute Frage. Was ist Leben, was ist Kunst? Das eine beeinflusst das andere. Wenn Sie sich mit Dingen auseinandersetzen, die Sie faszinieren, wird Ihr Leben automatisch interessanter, freudiger. Manche halten mir vor, dass ich ein Lager habe mit 250 Bananenkisten voller Material. Dann sage ich, ihr geht davon aus, dass ihr etwas Bestimmtes sucht. Bei mir ist das anders, weil ich nicht suche, sondern finde.