Netzwelt

Selfies im Bombenregen: 15-Jähriger dokumentiert das Grauen des Syrienkriegs

Muhammad Najem lebt in Ost-Ghouta. Auf seinem Twitter- und YouTube-Kanal dokumentiert der Teenager die schreckliche Situation vor Ort. Bei Luftangriffen starben zuletzt Hunderte Zivilisten - darunter auch Muhammads Freunde.

Selfie vor zerstörtem Straßenzug: Auf Twitter zeigt Muhammad Najem seinen Alltag im umkämpften Ost-Ghouta. | © Muhammad Najem

Matthias Schwarzer
24.02.2018 | 24.02.2018, 08:10

Muhammad Najem ist ein Teenager wie jeder andere. Er spielt Fußball, macht Selfies, ist in den sozialen Netzwerken aktiv. Und doch gibt es einen Unterschied: Muhammad wächst im Krieg auf. Seine Stadt wird rund um die Uhr beschossen. Und jeder Tag könnte sein letzter sein.

Der 15-Jährige lebt in der umkämpfen syrischen Region Ost-Ghouta. In den sozialen Netzwerken dokumentiert er das Grauen seines Alltags. Die Bilder auf dem Twitter-Kanal des Teenagers sind kaum zu ertragen: Sie zeigen zerstörte Häuser, schwer verletzte Menschen und tote Kinder.

In den vergangenen Tagen kamen bei Luftangriffen und Artilleriebeschuss auf die Region nahe Damaskus Hunderte Zivilisten ums Leben. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte warfen Regierungskräfte auch Fassbomben ab. Die Menschen in der Region sind eingekesselt. Es gibt kein Entkommen.

Bombenangriffe und Hunger

Muhammad meldet sich mit seinem Twitter-Account erstmals im Dezember zu Wort. "Mein Name ist Muhammad, ich bin 15 Jahre alt und ich lebe in Ost-Ghouta", lautet der Post. "Ich möchte euch auf meinem Kanal von den Ereignissen hier berichten."

WARNUNG: Der Twitter-Kanal von Muhammad Najem zeigt drastische Bilder.

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Fortan postet der 15-Jährige Videos von zerstörten Straßenzügen, dokumentiert Bombenangriffe. Er berichtet von Hunger und medizinischer Unterversorgung und übt heftige Kritik an Syriens Machthaber Baschar al-Assad. Nicht alle Aufnahmen, die Muhammad postet, lassen sich verifizieren. Die Informationslage im Syrienkrieg ist unübersichtlich: Es sind auch unzählige gefälschte Bilder im Umlauf.

Ein Video zeigt, wie Muhammad im Dezember Kinder in seiner Nachbarschaft interviewt und sie nach ihren Neujahrswünschen fragt. Ein Junge antwortet, er wünsche sich, Assad würde seinen Vater endlich aus dem Gefängnis entlassen. Ein anderer, so jung, dass er ein friedliches Syrien gar nicht kennen dürfte, wünscht sich, künftig kein Feuerholz und Wasser mehr tragen zu müssen.

"Wenn ich groß bin, werde ich Reporter"

Dem amerikanischen TV-Sender CNN sagte Muhammad kürzlich, er wolle Reporter werden, wenn er groß ist. Ob es eine Zukunft für den 15-Jährigen gibt, ist derweil völlig unklar: Vor wenigen Tagen spielten Muhammad und seine Freunde in einer Straße, als die Luftangriffe begannen. Sie flüchteten in einen Keller - wie jeden Tag. Einer seiner Freunde schaffte es nicht rechtzeitig. Er starb bei dem Angriff. Ein anderer wurde schwer verletzt, berichtet er CNN.

Das war am 8. Februar. Wie die HIlfsorganisation "Weißhelme" mitteilt, starben am selben Tag noch weitere 80 Menschen in Ost-Ghouta. Die Luftangriffe trafen an dem Tag zudem drei medizinische Einrichtungen.

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"Feldzug gegen eigene Bevölkerung"

Das eingeschlossene Gebiet in der Nähe der Hauptstadt Damaskus erlebt seit einigen Tagen eine der schlimmsten Angriffswellen seit Beginn des Bürgerkriegs vor fast sieben Jahren. Es gilt als eine der letzten Rebellenhochburgen in Syrien.

Die Bundesregierung verurteilt die Offensive der syrischen Armee als "Feldzug gegen die eigene Bevölkerung". Unter den fast 300 getöteten Zivilisten der vergangenen Tage waren laut Menschenrechtlern mehr als 70 Kinder.

In seinem bekanntesten YouTube-Video steht Muhammad auf einem Dach, während um ihn herum laute Explosionen zu hören sind. Dann richtet er klare Worte an die Welt: "Helft uns, bevor es zu spät ist. Euer Schweigen bringt uns um."

Mit Material von dpa.