Fehlender Schnee

In Tirol liegen Ski-Tourismus und Klimaschutz im Streit

Mega-Projekte in Österreich stehen in der Kritik. Mensch und Umwelt leiden unter immer mehr Liften, Parkplätzen, neuen Hotels und Chaletdörfern.

Mit einer Doppelsesselbahn geht es hoch ins Skigebiet. | © picture alliance

02.02.2020 | 02.02.2020, 22:56

Wien. „In diesem Jahr hat uns Frau Holle vergessen", sagt Ramona vom Hotel Sonne im Montafon. Auf 648 Metern Höhe in Vandans/Vorarlberg fiel bisher kaum eine Schneeflocke. Prognosen der Meteorologen sagen, dass spätestens bis Ende des Jahrhunderts, wenn nicht schon ab 2050, der Wintertourismus zu Ende geht. 50 Prozent des Tourismus findet im Winter statt. Das bedroht die Existenz vieler.

Salzburg, Tirol und Vorarlberg sind bevorzugte Skireiseziele. Diese drei österreichischen Bundesländer werden schwarz-grün regiert, wie neuerdings ganz Österreich. Vorbild für Wien? „Ja", sagt Ministerpräsident Markus Wallner von Vorarlberg und zum zweiten Mal in schwarz-grüner Koalition. „Die größte Herausforderung der Zeit ist, Klimaschutz und Wirtschaft unter einen Hut zu bringen. Insofern ist nachvollziehbar, dass diese Regierungsform von sehr vielen auch gewünscht wird."

Schwarz-Grün legt laut Umfragen zu

Die jüngsten Umfragen belegen: Schwarz-Grün legt zu, die Menschen sind mit dieser auf Bundesebene neuen Koalition zufrieden. Dennoch gibt das für den Wintertourismus Konflikte: Im Montafon/Vorarlberg plant die Silvretta Montafon Skilift-Betreiberin einen Speichersee in mehr als 1.000 Meter Höhe. So soll mehr künstliche Beschneiung möglich werden und eine neue Skipiste auch noch.

Protest kommt von Naturschützern, Landwirten und der Grünen Landtagsabgeordneten Nadine Kasper (38) aus Vandans. „In Vorarlberg spürt man bei der Bevölkerung die Frage: Wann ist es endlich genug?", sagt Nadine Kasper. Die Mutter von drei Kindern fordert ein Umdenken in der regionalen Wirtschaft. Der Preis für Wachstum im Tourismus ist ihr zu hoch. Ihrer Ansicht nach leiden Mensch und Umwelt unter dem schier unausweichlichen Trend zu immer mehr Skiliften, Parkplätzen, neuen Hotels und von Investoren finanzierten Chaletdörfern. Sie hofft auf die schwarz-grüne Koalition im Bund: „Da geht beim Klimaschutz hoffentlich mehr in Zukunft."

Wichtiger Speichersee am Rande der Piste

Der Speichersee in St. Gallenkirch, einer Gemeinde mit 80 Einwohnern, drohte an der Umweltverträglichkeitsprüfung zu scheitern. Flugs änderten die Planer des Schwarzköpfle das Volumen von 307.000 Kubikmetern samt neuer Skipiste um 33.200 Kubikmeter. So ist keine  Umweltverträglichkeitsprüfung mehr nötig. St. Gallenkirchs Hotelier Fritz vom Bio Hotel Bachmann befürwortet den Bau: „Ohne Kunstschnee wäre der Skibetrieb, wie wir ihn heute kennen, nicht aufrechtzuerhalten", sagt er.

Im eigenen Hotel setzt Fritz auf Nachhaltigkeit. In Sachen Speichersee weiß er den Landeshauptmann Markus Wallner auf seiner Seite: „Dieser Speichersee ist besonders wichtig, aber kein Ausbau. Nichts Neues kommt dazu. Der See liegt am Rande der Piste." Und damit hält sich die ÖVP an die Koalitionsvereinbarung mit den Landesgrünen, die den Neubau von Skipisten ausschließt.

Der grüne Umweltlandesrat Johannes Rauch schließt aus dem Fall, die Grenzwerte für Umweltverträglichkeitsprüfungen müssen erhöht werden. Die Entscheidung müsse die Bundeskoalition treffen, offen, ob das kommt.

Teile eines Gletschers abtragen

Und auch im schwarz-grün regierten Tirol schlagen die Wogen hoch. Drei neue Seilbahnen, 64 Hektar neue Pisten, ein Skitunnel und ein Speicherteich sind dort geplant: Die „Pitztal-Ötztal Gletscher Ehe" soll die beiden Skigebiete verbinden. Dazu müsste man Teile eines Gletschers abtragen. 132 Millionen Euro Kosten und jahrelange Bauarbeiten wären nötig. Mehr als 157.000 Unterschriften hatte die Initiative von Gerd Estermann gegen das Projekt gesammelt.

Die für Ende Januar geplante öffentliche Umweltverträglichkeitsprüfung wurde erst mal vertagt. Estermann schöpft Hoffnung, dass das Projekt allmählich stirbt.