Umwelt

Auf der A 33 gibt es extra Brücken für Steinkauz, Fledermaus und Co.

Damit wilde Tiere gut über die Autobahn kommen, sind sechs Querungshilfen für sie errichtet worden. Bepflanzt worden sind sie ganz nach dem Geschmack von zwei besonders seltenen Exemplaren.

Thomas Kämpfer von Straßen.NRW erklärt, dass die Bäume extra so gepflanzt worden sind, damit sich Fledermäuse daran per Ultraschall orientieren können und den Weg über die Grünbrücken finden. | © Monika Dütmeyer

24.11.2019 | 24.11.2019, 09:00

Halle. Beim Besuch eine Woche vor der Eröffnung des letzten noch fehlenden Abschnitts ist schon eine Menge los auf der A 33. Ein Besenwagen ist im Einsatz, einige mit Warnwesten bekleidete Arbeiter montieren die letzten Leitplanken am Fahrbahnrand und zwei Männer buddeln am oberen Ende der Böschung einen engmaschigen Zaun in die Erde. „Das ist eine Sicherheitsmaßnahme für Rehe. Die ducken sich nämlich gerne und versuchen unter Zäunen her zu kriechen“, sagt Thomas Kämpfer von Straßen.NRW. Und das ist nicht die einzige Vorrichtung für die Wildtiere. An manchen würde man wahrscheinlich achtlos vorbeifahren, hätte man nicht einen Landschaftsplaner dabei, der das neue Stück Autobahn mit ganz anderen Augen sieht.

Ungefähr auf Höhe des Casumer Waldes weist er auf einen engmaschigen Zaun hin, der auf die ohnehin schon sehr hohen Schutzwände links und rechts entlang der Autobahn noch obendrauf montiert wurde. „Daran sieht man schon, dass wir uns dem Steinkauz-Gebiet nähern“, sagt Kämpfer. Die Schutzwände, die für den Irritationsschutz der Tiere in den Wäldern errichtet wurden, sollen vor tierischer Tieffliegerei schützen. „Wenn ein kleiner Steinkauz zu tief fliegt und möglicherweise in den Sog eines Lkws gerät, wird er das wahrscheinlich nicht überleben“, erklärt Kämpfer.

Die Steinkäuze haben zwei eigene Brücken bekommen

Dank des Zaunes sind sie zum Höhenflug gezwungen und kommen hoffentlich heil über die Bahn. Insbesondere die Jungtiere seien gefährdet, wenn sie das „Elternhaus“ verlassen und sich auf die Suche nach ihrem eigenen Platz im Leben machen. Um den zu finden, haben die Eulen mit dem braun-weiß getupften Gefieder und den leuchtenden gelben Augen sogar zwei eigene Brücken bekommen, die man schon von Weitem sehen kann.

Die so genannten Grünbrücken machen ihrem Namen mit einer grün-weißen Aluverkleidung alle Ehre. Sie stehen, wo sie stehen, weil dort die Flugbahnen der Steinkäuze verlaufen, die zuvor in einem Monitoring der Tiere mittels Peilsendern festgestellt worden sind. Auf fünf bis sieben Brutpaare schätzt Kämpfer die Population an dieser Stelle. Der Steinkauz kann nicht nur fliegen, sondern ist auch gut zu Fuß. Mäusen, Regenwürmern oder Käfern rückt er bei der Jagd auch gerne per Pedes auf die Pelle. Außerdem liebt er Obstbäume und Wiesen, auf denen er seine Beute gut sehen kann.

Rund 1.000 Obstbäume wurden gepflanzt

Zu den Langstreckenraketen gehört er eher nicht, lieber hangelt er sich in Wellenbewegungen von Baum zu Baum voran. Deshalb wurden seine zwei Wildbrücken auch mit einem Baumhoppingpfad bepflanzt. Den Mittelpunkt bildet eine Reihe von Obstbäumen. „Das sind alles alte Sorten. Aus den Früchten wird die Biostation Bethel demnächst Saft gewinnen“, erklärt Kämpfer. Zum Schutz vor hungrigen Kühen, die über die Brücke laufen, sind die Apfel-, Birnen-, Pflaumen- und Kirschbäume mit Stacheldraht umzäunt. Insgesamt wurden rund 1.000 Obstbäume gepflanzt. Aber nicht alle auf den beiden jeweils rund 40 Meter breiten Brücken für die Steinkäuze.

Damit die putzig aussehenden Mini-Eulen auch die gewünschte Flugbahn finden, ziehen sich die Baumreihen weit in das Revier der Steinkäuze, beinahe bis zum Horizont. Dieses Leitsystem führt die Vögel in andere, zum Teil auf Ausgleichsflächen neu angelegte Waldgebiete und in den Teutoburger Wald. Auch andere Tiere nutzen die Brücken, an diesem Vormittag nehmen drei Rehe Kurs darauf. Als sie die Menschen auf „ihrer“ Brücke sehen, drehen sie aber vorsichtshalber um. Zusätzlich zu den zwei Brücken für die Steinkäuze gibt es auch vier Brücken für Fledermäuse, die zwischen 20 und 40 Meter breit sind.

Für die Fledermäuse wurde ein eigener "Highway" gestaltet

„Die Brücken sind unterschiedlich breit, weil sich während der Bauzeit die Leitlinien geändert haben“, erklärt Kämpfer. Alle Wildbrücken haben aber gemein, dass sie mit einer jeweils 50 Zentimeter starken Lehm- und Waldbodenschicht ausgestattet sind.

Die Bepflanzung der Fledermausbrücken sieht schon auf den ersten Blick ganz anders aus als die auf den Steinkauzbrücken. Auf der Brücke „Neue Hessel“ beispielsweise stehen mehrere Baumreihen, die eine Schneise bilden. Das lieben Fledermäuse, auch die seltene und mit dem Bau der A 33 sogar berühmt gewordene Bechsteinfledermaus. In einer solchen Schneise kann sie sich mithilfe ihres bordeigenen Ultraschalls leicht orientieren. Dementsprechend sind auf den Fledermausbrücken Birken, Zitterpappeln, Ebereschen und Feldahorne wie ein kleiner Highway für sie angepflanzt worden. Den Ergebnissen des Monitorings zufolge werden die Brücken schon gut von den Fledermäusen angenommen, einige fliegen aber auch sehr gern untenrum.

200 Nistkästen für verschiedene Arten wurden aufgehängt

Denn an der Neuen Hessel gibt es auch eine Gewässerunterführung, die auf die Flugbahn der Fledermäuse mit Maßen von circa 15 Metern Breite und drei Metern Höhe eher was von einem geräumigen Wohnzimmer hat, statt von einem Krötentunnel. „Einige Unterführungen haben wir ausgeweitet, damit sie von den Tieren auch angenommen werden“, erläutert Kämpfer. Natürlich gibt es auch für Amphibien eine Reihe von kleineren Tunneln und Leitsystemen, die auch gern von Kaninchen und Co. genutzt werden. Außerdem wurden mehr als 200 Nistkästen für verschiedene Arten aufgehängt.

Der Naturschutz hat seinen Preis: Die sechs Grünbrücken allein haben 15,2 Millionen Euro gekostet. Das erste Monitoring bei befahrener Autobahn steht 2020 an. „Wir müssen für den Schutz der Tiere sowie den Arterhalt Sorge tragen und eventuell auch noch nachjustieren“, sagt Kämpfer. „Wir rechnen aber damit, dass unter fließendem Verkehr und damit zunehmenden Irritationen noch mehr Tiere die Querungshilfen nutzen werden.“