Fast jeder betroffen

Klimapaket: Was sich bei Strompreis, Bahntickets und Co. ändern soll

Die Bundesregierung hat ein 22-seitiges Eckpunktepapier zum künftigen Klimaschutz vorgelegt. Fast jeder wird die Maßnahmen zu spüren bekommen.

Für Bahn- und Autofahrer werden die geplanten Maßnahmen aus dem Klimapaket Folgen haben. | © picture alliance / Geisler-Fotopress

Tim Szent-Ivanyi
20.09.2019 | 20.09.2019, 20:01

Berlin. Höhere Preise beim Tanken und Heizen, aber im Gegenzug Entlastungen und Anreize: Für mehr Klimaschutz in Deutschland kommen auf Bürger und Firmen weitreichende Änderungen zu. Auch unter dem Druck erneuter Klima-Proteste einigten sich die Spitzen der großen Koalition auf ein milliardenschweres Paket. Damit soll die Bundesrepublik ihre verbindlichen Klimaziele für 2030 verlässlich erreichen. Die nötigen Gesetzesänderungen soll das Bundeskabinett noch in diesem Jahr beschließen. Ein Überblick über Pläne, Finanzierung und die Kritik, die es bereits gibt:

CO2-Preis

Fossile Brennstoffe wie Heizöl, Flüssiggas, Erdgas, Kohle, Benzin und Diesel werden höher besteuert. Das wird erreicht, indem die Produzenten ab 2021 auch für die Bereiche Verkehr und Wärmeerzeugung Verschmutzungsrechte für die Emission von CO2 kaufen müssen. Der Preis pro Tonne beginnt 2021 mit einem Festpreis von zehn Euro. Er steigt dann 2022 auf 20 Euro, 2023 auf 25 Euro, 2024 auf 30 Euro und 2025 auf 35 Euro.

Ab 2026 wird eine maximale Emissionsgrenze festgelegt, die von Jahr zu Jahr geringer wird. Der Preis wird dann durch eine Auktion in einem Korridor zwischen 35 und 60 Euro je Tonne bestimmt. Pro 10 Euro/Tonne steigt der Benzin/Diesel-Preis je Liter etwa um 3 Cent. Bei 35 Euro/Tonne beträgt das Plus dann ungefähr 11 Cent. Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung sollen den Bürgern vollständig über die Förderung von Klimamaßnahmen oder durch direkte Steuerentlastungen zurückgegeben werden.

Strompreis

Er soll sinken, da unter anderem die sogenannte EEG-Umlage zur Förderung der erneuerbaren Energien reduziert wird. Das geschieht parallel zu den Erhöhungsschritten beim CO2-Preis. 2021 wird die EEG-Umlage von aktuell 6,405 Cent je Kilowattstunde um 0,25 Cent abgesenkt, 2022 um weitere 0,25 Cent und 2023 erneut um 0,125 Cent. Steigen die Einnahmen aus den CO2-Verschmutzungsrechten, soll die EEG Umlage weiter reduziert werden. Mit den Einnahmen aus den CO2-Zertifikaten sollen schrittweise auch weitere Bestandteile des Strompreises, also zum Beispiel die Netzentgelte, Umlagen und weitere Abgaben bezahlt werden.

Pendler, Kfz-Steuer und E-Autos

Um Fernpendler zu entlasten, wird die steuerliche Pendlerpauschale für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätten ab dem 21sten Kilometer von 30 auf 35 Cent angehoben, allerdings nur befristet bis Ende 2026.

Die Kfz-Steuer wird sich für Neuzulassungen ab 2021 stärker als bisher am CO2-Ausstoß bemessen. Fahrzeuge mit hohen Emissionen werden dadurch stärker besteuert. Für E-Autos unter 40.000 Euro – also eher kleinere Fahrzeuge - steigt ab 2021 die Kaufprämie. Zudem werden E-Autos als Dienstwagen stärker gefördert: Die Dienstwagensteuer für Fahrzeuge unter 40.000 Euro wird auf 0,25 Prozent halbiert. Die Befreiung von der Kfz-Steuer wird bis Ende 2025 verlängert. Verlängert wird das staatliche Förderprogramm für Ladesäulen. Sie müssen künftig an allen Tankstellen installiert werden. Ziel ist, dass bis 2030 zwischen sieben und zehn Millionen E-Autos in Deutschland unterwegs sind.

Bahn- und Flugverkehr

Auch im Bahn-Fernverkehr über 50 Kilometer sinkt die Mehrwertsteuer zum 1. Januar 2020 auf den ermäßigten Satz von sieben Prozent. Damit wird Bahnfahren um etwa zehn Prozent günstiger. "Wir geben die Absenkung eins zu eins an unsere Kunden weiter und verzichten darüber hinaus auf eine Preiserhöhung", erklärte Bahnchef Richard Lutz dazu.

Zur Finanzierung der Steuerausfälle von rund 400 Millionen Euro soll gleichzeitig die Luftverkehrsabgabe erhöht werden. Festgelegt ist aber nicht, für welche Kategorien (Kurz-, Mittel-, Langstrecke) die Steuer angepasst wird. Vereinbart wurde aber eine Anti-Dumping-Klausel: Flugtickets dürfen nicht unter der Gesamtsumme aller Steuern und Gebühren verkauft werden. Geplant ist zudem, die Bahn finanziell besser auszustatten. So soll das Eigenkapital durch den Bund von 2020 bis 2030 jährlich um eine Milliarde Euro aufgestockt werden. Mit dem zusätzlichen Geld soll unter anderem das Schienennetz modernisiert werden. Auch der öffentliche Personennahverkehr wird vom Bund mehr Geld bekommen. Geplant ist zudem, dass die Bundesregierung Modellvorhaben für ein 365-Euro-Jahresticket fördert.

Wohnen

Die höheren Energiekosten sollen für Wohngeldbezieher und Hartz-IV-Empfänger durch steigende staatliche Leistungen ausgeglichen werden. Sanierungsmaßnahmen im selbstgenutzten Wohneigentum werden ab 2020 steuerlich gefördert, und zwar durch einen Abzug der Kosten von der Steuerschuld – nicht von der Bemessungsgrundlage. Dadurch werden alle Gering- und Gutverdiener gleich behandelt. Details sind aber noch offen.

Als Beispiel wird in dem Papier nur der Einbau neuer Fenster genannt, wobei hier 20 Prozent der Kosten verteilt auf drei Jahre abgezogen werden können. Auch der Austausch von Ölheizungen wird stärker als bisher gefördert. Die Prämie soll 40 Prozent der Kosten betragen. Ab 2026 wird in Gebäuden, in denen eine klimafreundliche Wärmeerzeugung grundsätzlich möglich ist, der Einbau von Ölheizungen verboten. Zudem soll es diverse Förderprogramme für die energetische Sanierung geben.

Energiewirtschaft

Wie im Kohlekompromiss vereinbart, wird Deutschland bis 2038 aus der Kohle aussteigen. Gleichzeitig soll der Anteil der erneuerbaren Energie von heute 38 auf 65 Prozent erhöht werden. Um die Akzeptanz von Windanlagen zu fördern, wird für neue Anlagen ein Mindestabstand von 1.000 Metern zu Wohngebieten festgelegt. Das Ziel für den Ausbau von Windkraftanlagen auf dem Meer wird von 15 auf 20 Gigawatt angehoben. Zudem sollen Energiespeicher für den Ökostrom stärker als bisher gefördert werden.

Landwirtschaft

Der Ökolandbau soll rechtlich und finanziell besser unterstützt werden. Um die Emissionen zu senken, sollen Fördermaßnahmen künftig mehr im Hinblick auf das Tierwohl ausgerichtet werden. Durch gesetzliche Vorgaben will die Regierung zudem den Einsatz von Dünger reduzieren. Biogasanlagen erhalten eine höhere Förderung. Darüber hinaus soll erreicht werden, die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. Details dazu wurden bisher aber nicht festgelegt.

Forschung

Die Bundesregierung will unter anderem die Forschung und Entwicklung von Brennstoffzellen vorantreiben und von Kraftstoffen, die aus Bioabfällen gewonnen werden. Geplant ist zum Beispiel eine nationale Wasserstoff-Strategie. Auch die Möglichkeiten zur Speicherung von CO2 soll stärker erforscht werden. Für kleine und mittlere Unternehmen, die sich um Innovationen beim Klimaschutz und der Energieeffizienz bemühen, soll ein spezielles Förderprogramm entwickelt werden.

Industrie

Die bestehenden Förderprogramme für mehr Energieeffizienz sollen ausgebaut werden. Bereits beschlossen ist die staatliche Unterstützung für eine Batteriezellenproduktion in Deutschland.

Finanzierung

Das Paket hat insgesamt ein Volumen von mehr als 54 Milliarden Euro. An der „schwarzen Null", dem ausgeglichenen Haushalt, will die Bundesregierung aber nicht rütteln. Das wird möglich, weil die zusätzlichen Einnahmen aus der nationalen CO2-Bepreisung für die Klimamaßnahmen und zur Entlastung der Bürger zur Verfügung stehen. Hinzu kommen die Einnahmen aus dem bereits existierenden europäischen Emissionshandel (rund drei Milliarden Euro).

Weil keine zusätzlichen Schulden aufgenommen werden sollen, ist die zunächst in der großen Koalition diskutierte Anleihe für das Klimapaket vom Tisch. Zur Umsetzung des Pakets müssen nun diverse Gesetze und Verordnungen geschrieben werden. Diese werden dann vom Bundestag beraten, dort sicherlich noch geändert und anschließend beschlossen. Bei vielen Vorhaben braucht die Koalition die Zustimmung der Länder im Bundesrat, weil diese zum Beispiel Steuervorteile wie die Pendlerpauschale mitbezahlen müssen.

Reaktionen

Umweltverbände haben dem Klimaschutzpaket der großen Koalition ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt. Die Organisation BUND sprach von einem "Stückwerk mit halbgaren Maßnahmen, Ankündigungen und Absichtserklärungen". Greenpeace warf der Bundesregierung vor, sie "kann keinen Klimaschutz". Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sprach von einem "desaströsen Klimaschutzprogramm". Der WWF bescheinigt der GroKo eine "Mischung aus Verzagen, Vertagen und Versagen". Das Erreichen der Klimaziele 2030 werde mit den vorgeschlagenen Maßnahmen scheitern, hieß es. Der Emissionshandel für Gebäude und Verkehr sei ein "klimapolitischer Totalausfall", so die Kritik.

In breiten Teilen der Wirtschaft stieß das Paket ebenfalls überwiegend auf Kritik. Zwar sprachen Branchenverbände von wichtigen Beschlüssen. Das 50-Milliarden-Euro-Paket sei aber auch unausgewogen, ineffektiv und schädlich für den Standort Deutschland. Die Spitzenverbände DIHK und BDI mahnten weitere Detailarbeit und schnelle Klarheit für Unternehmen an. Auch seien stärkere Entlastungen beim Strompreis nötig als bisher geplant. Die deutsche Exportwirtschaft und Ökonomen warnten vor einem deutschen Alleingang bei der Energiewende. Wirtschaftsforscher sind uneins: Für das Kieler Ifw enthält das Paket „eine große Anzahl von Initiativen, die schlecht abgestimmt sind und daher mit hoher Wahrscheinlichkeit ineffektiv und teuer sein werden". Das Ifo-Institut machte zumindest Licht und Schatten aus. Vor einer Schwächung deutscher Fluggesellschaften warnte die Luftfahrtbranche.