Umwelt

Wie wir beim Fliegen CO₂ kompensieren

Flugreise und Klimaschutz - zwei Begriffe, die sich praktisch ausschließen. Doch wer nicht aufs Fliegen verzichten will, kann zumindest klimaneutral reisen

Die Deutschen fliegen gerne in den Urlaub. Zum Schutze der Umwelt wäre es aber besser, auf eine Flugreise zu verzichten - oder das CO₂ zu kompensieren. | © picture alliance/Christoph Schmidt/dpa

23.08.2019 | 23.08.2019, 08:11

Bielefeld. Ab in den Flieger! 41 Prozent der Deutschen nutzten 2018 für ihre Urlaubsreise das Flugzeug. Vor allem für Auslandsreisen. Tendenz: seit Jahren steigend. Dazu kommen natürlich Geschäftsreisen. Bei Umweltbewussten fliegt das schlechte Gewissen direkt mit. Denn wir alle wissen, obwohl wir es nicht sehen: Das, was Flugzeuge in riesigen Mengen in die Luft blasen, schädigt das Klima. Das Treibhausgas CO₂ (Kohlenstoffdioxid) sorgt dafür, dass sich die Erde erwärmt, mit verheerenden Folgen. Was also tun? Eine Möglichkeit: möglichst klimaneutral fliegen, also freiwillig CO₂ kompensieren.

Für einen Kurztrip nach Rom ist der Flieger oft die schnellste und häufig auch günstigste Variante. Und mit drei Zügen und einer Fähre in den Mallorca-Urlaub starten? Für die meisten undenkbar. Spätestens bei der lang ersehnten Fernreise gibt es dann zum Flieger kaum eine Alternative. Doch so praktisch das Fliegen ist, die Zahlen erschrecken.

Laut CO₂-Rechner der gemeinnützigen Gesellschaft Klimaktiv ist ein Passagier auf einem Economy-Flug von Düsseldorf nach Mallorca und zurück 2.684 Kilometer unterwegs und für den Ausstoß von 0,75 Tonnen CO₂ verantwortlich. Oder ein Weihnachtstrip in die USA? Von Düsseldorf nach New York und zurück fallen dann 3,65 Tonnen CO₂ an.

Geld fließt in Klimschautzprojekte

Was diese Zahlen in Relation bedeuten: Laut Umweltbundesamt liegt der durchschnittliche jährliche CO₂-Ausstoß in Deutschland bei 9,6 Tonnen pro Kopf. Experten sagen: Will man den Temperaturanstieg um mehr als zwei Grad in diesem Jahrhundert verhindern, ist es nötig, im Jahr 2050 bei lediglich eine Tonne Treibhausgas pro Kopf zu landen. Derzeit ein weit entferntes Ziel.

Was kann man tun? Eine Möglichkeit, die immer mehr Menschen nutzen: Flugreisen und damit das CO₂ kompensieren. Dieser CO₂-Ausgleich ist auch als "Carbon Offsetting" bekannt. Das Prinzip ist einfach. Was „ausgegeben" wurde, soll an anderer Stelle eingespart werden. Auf den Webseiten der Kompensationsagenturen wie Atmosfair berechnet man einen Betrag, der sich aus Kriterien wie Flugdistanz und Sitzklasse zusammensetzt.

Das Geld wird für Klimaschutzprojekte eingesetzt, insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern. Beispielsweise für effiziente Öfen in Nigeria, die Brennholz einsparen. Oder für Windkraftanlagen in Nicaragua. Die Projekte werden auf den Webseiten der Anbieter ausführlich beschrieben. Der Reisende erhält im Gegenzug für seine Spende ein Emissionszertifikat. Es bestätigt, dass genau soviel CO₂ eingespart wurde, wie er oder sie durch seine Reise verursacht hat.

Was es kostet, CO₂ zu kompensieren

Ein Beispiel: Die Kompensation eines Fluges von Düsseldorf nach Mallorca und zurück kostet etwa 13 Euro für einen Economy-Reisenden. Der Flug nach New York und zurück etwa 50 Euro. Mit diesem einen Flug hätte man nach Angaben von Atmosfair übrigens das klimaverträgliche Jahresbudget eines Menschen schon aufgebraucht.

Auch viele Firmen und die Bundesregierung nutzen die Möglichkeit, ihre Treibhausgasemissionen zu kompensieren. Es gibt mittlerweile eine Fülle an Möglichkeiten: Kreuzfahrten, Autostrecken, Hotelaufenthalte oder Veranstaltungen können kompensiert werden. Ebenso kann jeder mit einem Rechner seinen gesamten CO₂-Ausstoß berechnen und kompensieren. Sowohl bei Flügen und Reisen als auch bei Produkten haben Kunden die Möglichkeit, einen Aufpreis zu zahlen und damit die Kompensation gleich mitzubuchen. Oder sie ist schon im Produktpreis enthalten.

Doch wie viele nutzen den CO₂-Ausgleich schon? Genau kann man das nicht beantworten. Atmosfair meldete im ersten Halbjahr 2019 einen Spendenzuwachs von 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Allerdings wächst auch der Flugverkehr rasant: Im Jahr 2018 starteten oder landeten auf deutschen Flughäfen insgesamt 244,3 Millionen Passagiere. Das sind laut Deutschem Reiseverband 10,5 Millionen Fluggäste mehr als 2017 und entspricht einem Zuwachs von 4,1 Prozent. Insgesamt dürfte der Anteil der Deutschen, die ihre Flugreisen kompensieren, noch immer verschwindend gering sein.

Erste Wahl: Auf das Fliegen verzichten

Also: Tschüss, schlechtes Gewissen? So einfach ist das nicht. Umweltexperten sind sich einig: Verzicht sollte die erste Wahl sein. CO₂ zu vermeiden ist besser, als es auszugleichen. Wer es mit dem Klimaschutz ernst meint, sollte deshalb Flugreisen am besten vermeiden. Das sagt auch das Umweltbundesamt. Ist das nicht möglich, kann eine Kompensation sinnvoll sein.

Und Verbraucher sollten genau hinschauen: Klimaneutrale Produkte sind nicht automatisch auch umweltfreundlich. Der Begriff „klimaneutral" ist gesetzlich nicht geschützt. Deshalb gilt weiterhin, dass jeder selbst beim CO₂-Sparen aktiv werden sollte.

INFORMATION


Wichtig ist, dass man sich für einen seriösen Anbieter entscheidet. Das Umweltbundesamt empfiehlt den Reisenden, auf die Qualität zu achten und sich an an der Zertifizierung „Gold Standard" zu orientieren. Es hat eine Checkliste erstellt, welche Faktoren bei der Bewertung der Klimaschutzprojekte besonders wichtig sind.