Ruhe und Übersicht: Paderborns neuer Routinier hat das Zeug zum Abwehrchef

Bad Häring. Eigentlich passt Visar Musliu nicht ins übliche Beuteschema des SC Paderborn. Der Innenverteidiger wird in diesem Jahr schon seinen 29. Geburtstag feiern und kostete obendrein eine Ablösesumme im vermutlich mittleren sechsstelligen Bereich. Doch der 1,86 Meter große Neuzugang vom Zweitliga-Absteiger FC Ingolstadt hat allemal das Zeug, um zu einer äußerst wertvollen Verstärkung zu werden. Das stellt der Abwehrroutinier derzeit auch im Trainingslager in Tirol unter Beweis. Bei seinen bisherigen Testspiel-Einsätzen bestach Musliu durch Ruhe und Übersicht sowie durch seine Spielintelligenz und Antizipationsfähigkeit, mit der er so manchen Ball erobert. "Ich hoffe, dass ich der Mannschaft helfen kann", sagt der nordmazedonische Nationalspieler, der unter anderem über die Erfahrung von 51 A-Länderspielen verfügt. Als feste Größe im Nationalteam war Musliu bei zwei legendären Siegen mit dabei. In der WM-Qualifikation gelang Nordmazedonien im März 2021 ein 2:1-Erfolg in Deutschland. In den Play-Offs zur WM feierten Musliu und Co. ein Jahr später einen sensationellen 1:0-Sieg bei Europameister Italien. Die Weltmeisterschaft in Katar wurde allerdings verpasst, weil Nordmazedonien anschließend mit 0:2 gegen Portugal verlor. Und in der Qualifikation zur EM 2024 in Deutschland hat Nordmazedonien nach Niederlagen gegen die Ukraine (2:3) und England (0:7) schon jetzt schlechte Karten. Keine Arbeitserlaubnis in der Schweiz Somit bleibt die Teilnahme an der EM-Endrunde 2021, bei der Musliu in allen drei Vorrundenspielen in der Startelf gestanden hatte, die bislang wohl größte Erfahrung des Paderborner Neuzugangs, der als Angehöriger der albanischen Minderheit aus dem nordmazedonischen Städtchen Gostivar stammt. Der SCP-Novize spricht daher fließend albanisch und mazedonisch. Doch auch seine deutschen Sprachkünste können sich durchaus sehen lassen, wenn man bedenkt, dass er erst seit Januar 2022 in Deutschland lebt. Musliu war damals vom ungarischen Erstligisten Fehérvár FC zum FC Ingolstadt gewechselt. Zuvor hatte er zwar von 2014 bis 2017 beim FC St. Gallen unter Vertrag gestanden. Doch weil ihm die Schweizer Behörden eine Arbeitserlaubnis verweigerten, wurde Musliu an Klubs aus seiner nordmazedonischen Heimat ausgeliehen. 2019 zog es ihn schließlich nach Ungarn. In Fehérvár zählte er zu den Leistungsträgern. Musliu erreichte mit dem Klub das ungarische Pokalfinale und sammelte Europa-League-Erfahrung. Privates Glück und sportliches Pech Doch als Fehérvár in der Saison 2021/22 in unruhiges Fahrwasser geriet, war er dankbar, als Anfang 2022 das Angebot aus Ingolstadt ins Haus flatterte. "Das war für mich eine große Chance. Ich wollte schon immer in Deutschland spielen", erklärt der 28-Jährige. Die sportliche Situation war jedoch äußerst bescheiden. "Wir standen schon mit einem Bein in der 3. Liga", erinnert sich Musliu. Am Ende stand auch der sang- und klanglose Zweitliga-Abstieg zu Buche. Musliu hatte allerdings mit starken Leistungen auf sich aufmerksam gemacht. Im Sommer 2022 wollte ihn der FC St. Pauli verpflichten, doch Ingolstadt ließ ihn nicht ziehen. Es war wohl keine allzu schlechte Entscheidung, denn womöglich wären die Donaustädter sonst in der Saison 2022/23 sogar in die Regionalliga abgerutscht. Die Talfahrt des ambitionierten Klubs ging jedenfalls munter weiter. Auch der aus Paderborn stammende Chefcoach Rino Capretti konnte das Ruder nicht herumreißen. Nach nur zehn Drittligaspielen war für ihn wieder Feierabend. "Er ist ein guter Trainer, aber er hatte in Ingolstadt viel Pech. Wir haben unter ihm Spiele verloren, in denen wir viel besser waren als der Gegner", urteilt Musliu, der mit gemischten Gefühlen auf seine Zeit in Ingolstadt zurückblickt. "Unsere Resultate waren eine Katastrophe. Aber ich habe viel dazugelernt und mich menschlich sehr wohl gefühlt. Zudem ist mein Sohn in Ingolstadt geboren", sagt der Abwehrspieler mit Blick auf seinen Filius Kroi, der am vergangenen Sonntag seinen ersten Geburtstag feierte. Der Papa konnte nicht dabei sein, weil er gerade mit dem SCP im Trainingslager weilt. Die Gespräche führt die Gattin Im Kreis seines neuen Teams fühlt sich Musliu aber pudelwohl. Und der Routinier ist zuversichtlich, dass er nun auch sportlich an der richtigen Adresse ist. "Ich habe die 2. Liga intensiv verfolgt und wusste, dass der SCP eine Mannschaft mit Siegermentalität hat. Daher habe ich meinem Berater gesagt: Schließ den Transfer so schnell wie möglich ab", erklärt der 28-Jährige, der beim SCP nun auch mit seinem ehemaligen Ingolstädter Teamkollegen Filip Bilbija zusammenspielt. "Wir verstehen uns sehr gut. Und unsere Frauen sind befreundet", berichtet Musliu. Apropos Ehefrau. Muslius Gattin Valbona ist in der Schweiz aufgewachsen, lebte später auch in Deutschland und spricht fließend Deutsch. "Einerseits ist das ganz gut für mich. Andererseits lerne ich die Sprache deshalb nicht so schnell, weil sie für mich die Gespräche führt", sagt der SCP-Akteur und schmunzelt. Dies gilt vermutlich auch für die Wohnungssuche, auf der sich Familie Musliu derzeit befindet. "Wir wollen so schnell wie möglich nach Paderborn ziehen", sagt Visar Musliu. Und das in (fast) perfektem Deutsch.

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