Über den Hermannslauf kommt der Bielefelder Sebastian Tebbe zur Triathlon-WM

Bielefeld/Melbourne. Sport hat sein Leben verändert. Da ist sich Sebastian Tebbe ganz sicher. Der heute 33-Jährige war in seiner Schulzeit ein mittelmäßiger Schüler, übergewichtig und es fehlte ihm an Motivation und Perspektiven. Mit dem Lauftraining und der Teilnahme an seinem ersten Hermannslauf begann der Wandel. Heute ist der Bielefelder international gefragt. Der Assistenzprofessor für Umweltökonomie im australischen Melbourne nimmt an den Triathlon-Weltmeisterschaften im Oktober teil. &bdquo;Ich war wenig an Schule interessiert, kein Fach hat mich so richtig begeistert – wahrscheinlich lag es am klassischen Frontalunterricht“, sagt Tebbe, der in Herford das Ravensberger Gymnasium besucht hat. Neben der fehlenden Motivation in der Schule hat er mit zwölf Jahren auch mit dem Fußball aufgehört. Dann kam eins zum anderen: &bdquo;Ungesunde Ernährung und fehlende Anreize, in Form zu bleiben brachten eine immer stärkere Gewichtszunahme.“ Nach einer ernsten Ansprache seines Vaters Jürgen und einer Wette mit einem Kumpel hatte er den Anstoß für Veränderungen. &bdquo;Wir wollten den Wällelauf in Herford über zehn Kilometer mitmachen und haben dafür trainiert“, erinnert sich Sebastian Tebbe. 2009 folgte der erste Hermannslauf gemeinsam mit seinem Vater. Mit dem Sporttreiben wurde es auch in der Schule besser Den hatten sie als gemeinsames Ziel vereinbart. &bdquo;Ohne Trainingsprogramm sind die 31,1 Kilometer sehr ambitioniert“, sagt Tebbe junior. Jeden Freitag nach der Schule haben sie gemeinsam trainiert. Am Ende schaffte er die OWL-Challenge in 3:23 Stunden. Sebastian Tebbe: &bdquo;Zu sehen, wie ich langsam immer fitter werde, hat mich noch weiter motiviert, plötzlich bin ich nicht mehr desorientiert durchs Leben gelaufen.“ Lesen Sie auch: Erschwerte Bedingungen für die &bdquo;Schwimmradläufer“ beim Wettkampf in Bielefeld Die Zielsetzung hat etwas gebracht, mit mehr Sport sind auch seine Leistungen in der Schule plötzlich wieder besser geworden. Nach dem Vater-Sohn-Gespräch habe er sich mehr mit Sport auseinandergesetzt und erkannt, dass Laufen sich hervorragend zur Kalorienverbrennung eigne. Auch sein Umfeld habe sich dadurch verändert. &bdquo;Das hat großen Einfluss auf die persönliche Einstellung“, sagt er. Tebbe trat den Leichtathletik-Abteilungen des TSVE 1890 und der SV Brackwede bei. Über Stockholm geht es nach San Diego Auch die über die Bielefelder Grenzen hinaus erfolgreichen Kerkmann-Brüder Jan und Tim gehörten zu seinen Trainingskollegen und sorgten für zusätzliche Motivation. &bdquo;Plötzlich hatte ich einen Freundeskreis, der bereit ist, sich auch großen Herausforderungen zu stellen“, sagt Tebbe. Im gleichen Jahr lief er den Berlin-Marathon. &bdquo;Da er noch keine 18 Jahre alt war unter falschem Namen“, so Vater Jürgen Tebbe. 2011 (2:17 Stunden) und 2013 (2:06 Stunden) lief Sebastian Tebbe den Hermann erneut mit sehr guten Zeiten. Aus dem einst durchschnittlichen Schüler ist inzwischen ein international gefragter Wissenschaftler geworden. Nach seinem Studium der Volkswirtschaftslehre in Mannheim ist er 2017 für seine Doktorarbeit nach Stockholm gegangen. Anschließend hat er 2023 ein Forschungsprojekt im Transportsektor in San Diego (Kalifornien) geleitet. Schwimmtraining im Meer vor Melbourne Im vergangenen Jahr verschlug es ihn nach Melbourne. Dort arbeitet der ambitionierte Freizeitsportler als Assistenzprofessor für Umweltökonomie mit einem hohen sechsstelligen Forschungsbudget. &bdquo;Das Leben hier ist überragend“, sagt Tebbe. Das Wetter, zuvorkommende Menschen und spannende Aufgaben begeistern ihn. Die Angebote in Deutschland seien unattraktiv: &bdquo;Es ist schwieriger, einen festen Vertrag und Forschungsgelder zu bekommen. Die Kehrseite hier in Australien sind die hohen Studiengebühren für meine Studenten.“ Auch interessant: Rollstuhltennis-Spielerin Britta Wend hat die Paralympics in Los Angeles fest im Blick Neben der Universität dreht sich in seinem Leben weiterhin alles um den Sport. Das Triathlon-Training ist inzwischen seine große Leidenschaft und in Melbourne beliebt. Das ganze Jahr kann er mit seinem Coach draußen trainieren. &bdquo;Durch die Nähe zum Meer findet das Schwimmtraining häufig dort statt“, sagt Tebbe. Die Arbeitgeber unterstützen die sportliche Betätigung, indem sie ihren Mitarbeitern eine hohe zeitliche Flexibilität geben. Morgens um halb sechs unter Hunderten von Radfahrern Tebbe: &bdquo;Ich trainiere regelmäßig mit einem Kumpel, der als Handwerker arbeitet – für seinen Chef ist es vollkommen in Ordnung, wenn er dann zwei Stunden später anfängt.“ Morgens um 5.30 Uhr geht es für ihn meistens mit dem Rad auf eine von drei großen Strecken. Tebbe: &bdquo;Das ist meine Lieblingsdisziplin und da liegt aktuell mein Fokus drauf, auch weil es im Triathlon die längste Distanz hat.“ Er schwärmt von der Radstrecke von der Innenstadt zum Strand hinunter, die sich dort etwa 100 Kilometer zum südlichen Gipfel entlangzieht: &bdquo;Da hat man einen traumhaften Ausblick und morgens sind Hunderte Radfahrer unterwegs – dann ist noch wenig Verkehr und die Temperaturen sind noch erträglich.“ Autofahrer nehmen in Melbourne generell immer Rücksicht auf Radfahrer. Die Top 15 in seiner Altersklasse sind das Ziel Sein Ziel ist nah. Vom 15. bis 19. Oktober werden die Weltmeisterschaften im Triathlon ausgetragen. Die ITU World Championship Finals finden in Wollongong in Australien statt, Tebbe hat sich für Deutschland in der Altersklasse 30 bis 35 Jahre qualifiziert. &bdquo;Das wird der bisherige Höhepunkt meiner Triathlon-Karriere“, sagt er. Jeden Tag verfolgt Tebbe dafür ein straffes Trainingsprogramm. Mindestens drei Stunden ist er abwechselnd auf der Laufstrecke, im Pool oder auf dem Rad. Frühes Aufstehen sei Pflicht, um alles unter einen Hut zu bekommen: &bdquo;Wenn man sieht, wie viel die anderen trainieren, gibt es mir Anreiz noch mehr zu machen.“ Beim Schwimmen hofft er auf flache Bedingungen, mit Wellengang wäre es im südpazifischen Ozean noch schwieriger: &bdquo;Die Australier haben einen Vorteil, die sind damit aufgewachsen.“ Sein Ziel ist es, unter die ersten 15 zu kommen. Etwa 100 Konkurrenten erwartet er in seiner Altersklasse. Und wie steht es bei all den internationalen Erfahrungen mit seinen Wurzeln? Den &bdquo;Hermann“ will er auch noch einmal bezwingen. Dafür wird er gern nach Bielefeld zurückkehren.

Meistgelesen