Zwei Freisprüche, zwei Schuldsprüche nach Bielefelder Skandalspiel mit Verletzten

Bielefeld. Knapp vier Wochen nach den unsäglichen Vorfällen um das Fußball-Kreisliga-Spiel TuS Brake II gegen den SV Roj sind die ersten Urteile gesprochen. In der &bdquo;mündlichen Sportrechtsverhandlung des Verbandssportgerichts des Fußball-Leichtathletik-Verbandes Westfalen“, wie es formal korrekt heißt. Dass die Verhandlung am Freitagabend in der Geschäftsstelle des Fußball-Kreises Bielefeld in den Heeper Fichten sich ziehen könnte, war absehbar. Neun von elf geladenen Zeugen waren erschienen. Und so dauerte es von 17 bis 22 Uhr, ehe nach den Urteilssprüchen viele gelöste Mienen und eine wie versteinerte zu sehen waren. Den Vorsitz hatte Markus Seip, im hauptberuflichen Leben Richter am Amtsgericht Bielefeld. Ihn flankierten zwei weitere Juristen. &bdquo;Sie sehen an der Besetzung, wie ernst die Kammer das hier annimmt“, meinte Seip eingangs. Zu seiner Rechten Rolf Meiberg, Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Arnsberg. Zu Seips linker Seite Georg Hein, Vorsitzender Richter am Schöffengericht Lippstadt. Am schlimmsten erwischte es den Braker Fußball-Abteilungsleiter Bei der Rechtsbelehrung schwiegen dann auch alle Teilnehmer und Besucher des Verfahrens ehrerbietend. &bdquo;Wenn es am 8. Oktober auf dem Sportplatz auch so ruhig gewesen wäre, wären wir alle heute nicht hier“, meinte Seip. Womit wir beim Thema wären. Das Steno: Beim Kreisliga-B-Spiel zwischen Brake II und dem SV Roj kam es in der Nachspielzeit nach dem Treffer zum 5:3 für Brake zu Tumulten auf dem Platz, in deren Folge es mehrere Verletzte gab. Am schlimmsten erwischte es Brakes Fußball-Abteilungsleiter Jörg P., der drei Rippenbrüche sowie Verletzungen an Brust- und Lendenwirbelsäule davontrug (wie er dem Gericht später nachweisen sollte). Auslöser des Platzsturmes durch rund 50 Beteiligte war ein Ballwurf gegen den Kopf des Schiedsrichters. Der ging darauf hin bewusstlos zu Boden und wurde unmittelbar von Spielern des SV Roj behandelt. Jörg P. kam zur Unfallstelle, wird aber zurückgedrängt, Keilerei, Chaos – schließlich wird das Spiel nicht wieder angepfiffen. Insgesamt vier Sportrechts-Fälle standen zur Debatte Seip erklärte nun am frühen Freitagabend: &bdquo;Es gibt vier Sportrechts-Angelegenheiten zu klären. Nur Sportrecht. Erstens gegen Zuschauer und SV-Roj-Mitglied Sharo J. Er soll P. verletzt haben. Zweitens und drittens gegen den SV Roj und den TuS Brake wegen des Herbeiführens eines Spielabbruchs. Und viertens gegen Brakes Abteilungsleiter, der seinerseits beleidigend und handgreiflich geworden sein soll. Dazu musste eine Spielwertung herbeigeführt werden. Die Vernehmung der Zeugen brachte Erwartbares: Die Vereinsmitglieder des SV Roj hatten keinen &bdquo;Schwitzkasten“ gesehen, keinen &bdquo;Fußfeger“ und kein Zu-Boden Werfen des Brakers im Gerangel der beiden Haupt-Beteiligten – die Braker sehr wohl. Die Zeugen des SV Roj hatten mehrere lautstarke, rassistisch motivierte und weitere Beleidigungen des Braker Abteilungsleiters gehört – die Braker nicht. Roj-Spieler und -Beteiligte sollen zudem den Schiedsrichter übel beleidigt haben, erklärten die Braker. Die im Verfahren mehrfach zitierten Ausdrücke sollen hier nicht aufgezählt werden. Schiedsrichter schließt eine weitere Spielleitung aus Klarer waren die Aussagen des Schiedsrichters Michael Beckmann. Er habe einen Schlag an den Hinterkopf bekommen und erinnere sich erst wieder, wie mehrere Roj-Spieler ihn am Boden liegend versorgten, hochgelagerter Beine und Wasserspritzer ins Gesicht inklusive. In der Orientierungsphase sei er zunächst in die Schiedsrichter-Kabine gelaufen, und habe nur &bdquo;einen Mob gesehen, der eine Gruppe vor sich hertrieb“. Eine Spielfortsetzung sei ihm aufgrund seines &bdquo;wie benebelten“ Zustandes und seiner Kopfschmerzen nicht möglich gewesen. Beleidigungen vonseiten der Roj-Spieler habe er während der Partie nicht wahrgenommen. Der Ballwurf an den Kopf des Schiedsrichters stellte sich im Verfahren mit sehr großer Wahrscheinlichkeit als Versehen eines Roj-Spielers heraus. Er wollte das Spielgerät schnell Richtung Anstoßpunkt schleudern und traf aus einer Distanz von etwa 30 – rekonstruierten – Metern den Referee von hinten. Das Urteil zum Abbruch des Skandalspiels Die Urteile: Das Spiel wird mit 5:3 Toren für den TuS Brake II gewertet. Weil das Spiel aufgrund eines wenn auch nicht bewiesenermaßen vorsätzlichen, aber doch fahrlässigen Ballwurfes an den Kopf des Schiedsrichters abgebrochen werden musste. Beide Vereine werden vom Vorwurf des herbeigeführten Spielabbruchs freigesprochen, weil sie den Abbruch nicht verschuldet haben. Der Schiedsrichter habe abgebrochen, weil er nicht imstande war, die fehlenden sechs Nachspiel-Minuten zu leiten. Den Roj-Spielern konnten Beleidigungen des Schiedsrichters nicht nachgewiesen werden. Falls es sie gegeben hat, habe der Unparteiische diese als &bdquo;Nicht-Tatsachenentscheidung“ ohne Strafe gelassen, wie Seip erklärte. &bdquo;Und in Tatsachenentscheidungen kann das Sportgericht nicht nachträglich eingreifen.“ Von den Brakern waren keine Beleidigungen zu hören. Konsequenzen für Roj-Spieler und verletzten Fußball-Abteilungsleiter Der Roj-Zuschauer und bisweilen auch -Spieler Sharo J. wird wegen Tätlichkeit für zwei Jahre gesperrt und mit einer Geldstrafe von 500 Euro belegt. &bdquo;Er wollte mal ein bisschen Stress machen. Er hat unberechtigt das Spielfeld betreten und den Braker Fußball-Abteilungsleiter erheblich verletzt. Dafür muss er die Konsequenzen tragen“, erklärte Seip. Das Urteil zu Brakes Abteilungsleiter Jörg P. sei das schwierigste der Beratung gewesen und habe am längsten gedauert, erklärte Seip. &bdquo;Die Frage, von welchem Sachverhalt wir ausgehen, ist nicht klar zu beantworten. Wir können keiner der Darstellungen durch die Zeugen und Beteiligten zu 100 Prozent glauben.“ Letztlich wurde P. zu einer Strafe von 250 Euro verurteilt. Er nahm es mit versteinerter Miene zur Kenntnis. Seip: &bdquo;Wir sind nicht davon ausgegangen, dass Herr P. sich rassistisch geäußert hat. Dazu waren die Angaben der Zeugen zu unterschiedlich. Hier gilt: Im Zweifel für den Angeklagten. Wir sind aber überzeugt, dass er beleidigende und abwertende Aussagen gegenüber Roj ausgesprochen hat.“ Das sei ein einfaches unsportliches Verhalten. Innerhalb einer Woche kann Berufung einlegen der SV Roj gegen die Spielwertung, Sharo J. gegen seine Sperre und die Geldstrafe sowie Jörg P. gegen seine Geldstrafe.

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