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Effektive Selbstverteidigung Krav Maga - kämpfen wie israelische Soldaten

Kampfsport im Selbsttest: NW-Mitarbeiter Jan Moshage lernt von Christian Hjort, wie man sich effektiv schützt und gefährlichen Situationen entkommt.

21.09.2023 | 21.09.2023, 02:00

Bielefeld. Krav Maga ist kein klassischer Kampfsport mit sportlichen Wettbewerben wie beispielsweise Karate, Judo oder Kickboxen. Ein Teil der im Krav Maga benutzten Techniken stammt allerdings aus diesen Kampfsportarten. Sie werden benutzt, um sich zu verteidigen. In Deutschland werden mittlerweile unterschiedliche Varianten unterrichtet. Bei Alpha Sports erlebe ich erstmals persönlich ein Krav Maga Training. Es scheint mir die bisher effektivste Form der Selbstverteidigung, die ich kennengelernt habe.

Der Fokus liegt auf Selbstschutz und darauf, aus gefährlichen Situationen zu entkommen. Sollte eine Flucht schwierig oder nicht möglich sein, werden harte Techniken gezeigt, um einen potenziellen Angreifer zu kontrollieren oder außer Gefecht zu setzen. Dabei werden auch rechtliche Aspekte von Notwehr und Nothilfe angesprochen.

Krav-Maga-Training bringt neue Erkenntnis

Nach der Trainingseinheit bei Christian Hjort habe ich das Gefühl, einige Dinge, die ich über Selbstverteidigung zu wissen glaubte, überdenken zu müssen. Als Kind begann ich mit traditionellen Kampfsportarten wie Judo, Karate und Ju-Jutsu. Besonders Letzteres hat hohe Selbstverteidigungsansprüche. Ansprüche, die meiner Meinung nach nur teilweise erfüllt wurden – abhängig von verschiedenen Trainern und Methoden.

Bei vielen Techniken im Krav Maga geht Trainer Christian Hjort (l.) explosiv mit erhobener Deckung in den Angreifer, hier simuliert durch Jan Moshage. | © Peter Unger
Bei vielen Techniken im Krav Maga geht Trainer Christian Hjort (l.) explosiv mit erhobener Deckung in den Angreifer, hier simuliert durch Jan Moshage. | © Peter Unger

Krav Maga Trainer Christian Hjort (Mitte, mit dem Rücken zur Wand) zeigt, wie bedrohlich eine Situation mit mehreren Angreifern sein kann. - © Peter Unger
Krav Maga Trainer Christian Hjort (Mitte, mit dem Rücken zur Wand) zeigt, wie bedrohlich eine Situation mit mehreren Angreifern sein kann. | © Peter Unger

Nicht alle, aber viele Techniken, die mir damals gezeigt wurden, erschienen mir nicht praktikabel. Ich wechselte zu Sportarten wie (Thai-)Kickboxen, Mixed Martial Arts (MMA) und später Grappling. Dort liegt der Fokus nicht auf Selbstverteidigung, sondern auf sportlichem Wettkampf. Dennoch lernt man hier im wahren Wortsinn zu kämpfen. Die erlernten Schläge, Tritte, Würfe, Hebel und Würger versucht man, auch im Sparring oder beim Bodenkampf umzusetzen. An einem Trainingspartner, der Widerstand leistet.

Jan Moshage trainiert mit Sandra Lange, die seit rund zehn Jahren Krav Maga macht. - © Peter Unger
Jan Moshage trainiert mit Sandra Lange, die seit rund zehn Jahren Krav Maga macht. | © Peter Unger

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Krav Maga im Selbsttest

Sparring und Bodenkampf sind essenziell

Meine Erfahrung ist: Sparring und Bodenkampf sind essenziell, um zu lernen, sich zu verteidigen. Hier stimmt mir auch Christian Hjort (39) zu. Er empfiehlt den Teilnehmenden beim Krav Maga stets: „Kommt auch zum Sparring. Dort lernt ihr, die Techniken umzusetzen.“ Gleichzeitig beobachte ich aber auch einen umgekehrten Effekt. Bei Alpha Sports gibt es verschiedenen Kampfsportkurse, dort trainieren auch Wettkämpfer aus dem MMA und Kickboxen. Einige von ihnen kommen zum Krav Maga.

Ich verstehe, warum. Hier habe ich zum ersten Mal bei einem Selbstverteidigungskurs den Eindruck, dass alles anwendbar ist und die gezeigten Techniken mit Sparring gut kompatibel sind. Die Tatsache, dass Wettkämpfer aus harten Vollkontaktsportarten teilnehmen, bestätigt mich in dieser Sicht.

"Das ist nicht wie im Film!"

Was Hjort häufig zeigt: Mit einer soliden Deckung explosiv in den Angreifer reingehen. Dabei gehen die Hände beispielsweise in das Gesicht des Aggressors, oder der Unterarm wird vor den Hals oder Schultergürtel gestoßen. Der Gegner wird aus dem Gleichgewicht gebracht und abgelenkt. Je nach Situation werden auch härtere Methoden genutzt, wie Ellenbogenstöße vor die Brust, in den Solarplexus oder unter das Kinn.

In der Nahdistanz kann auf unterschiedliche Arten weitergemacht werden, mit Schlägen, Tritten, Ellenbogen- und Knietechniken oder mit Takedowns. Beim Krav Maga werden auch der Kampf am Boden und Verteidigungen gegen Halte- und Würgetechniken geübt. Gerade im zivilen Bereich setzt Hjort den Fokus aber in vielen Fällen auf einen anderen Aspekt: Flucht! Das Ziel ist häufig, den Angreifer zu überrumpeln und anschließend davonzulaufen. Besonders wichtig ist Hjort diese Vorgehensweise, wenn man sich mit mehreren Gegnern konfrontiert sieht.

Er holt mich und zwei andere Teilnehmer des Kurses hinzu, stellt sich selbst mit dem Rücken zur Wand und demonstriert, wie aussichtslos es ist, sich allein gegen Angriffe von sechs Armen und sechs Beinen zur Wehr setzen zu wollen. Hjort: „Das ist nicht wie im Film, wo brav einer nach dem anderen angreift und außer Gefecht gesetzt wird.“ Stattdessen ist die Taktik auch hier: Sich einen Angreifer aussuchen, diesen mit den oben genannten Methoden praktisch über den Haufen rennen und dann das Weite suchen.

Die Frau kann hart zupacken

Auch auf das Thema Messerabwehr geht Hjort ein. Im zivilen Bereich vermittelt er als erste Option Flucht. Sollte dies nicht möglich sein, werden Alltagsgegenstände wie Steine und Stühle eingesetzt. Scheitert dies auch ist seine Einstellung: Kampf vor sterben. Das Ziel ist in diesem Fall nicht, die Situation unverletzt, sondern lebend zu überstehen. Hierbei geht er auf den Schutz lebensnotwendiger Körperbereiche ein.

Hjort hat Lizenzen im Kampfsport und im Sicherheitsgewerbe und war selbst in der Sicherheitsbranche tätig. Er hat mir viele Referenzen von Menschen aus Polizei, Personenschutz und Security gezeigt, die von seinem Training überzeugt waren.

Überzeugt ist auch Sandra Lange. Die 56-Jährige hat diverse Kampfsporterfahrungen. Vor 13 Jahren begann sie mit Krav Maga, seit zehn Jahren trainiert sie bei Hjort. Ihr Urteil: Im Vergleich mit Krav Maga war das, was sie früher gemacht hat, „Pipifax“.

Der Wunsch nach effektiver Selbstverteidigung sei aufgekommen, als sie am Telefon bedroht worden sei. Sie beteiligt sich bei Alpha Sports auch am MMA- und Kickboxtraining und gibt selbst Kurse in Fitnessboxen, Bodyweight Training und Bodyfitness. Bei meinem Besuch trainiere ich auch mit ihr. Mein Eindruck: Die verglichen mit mir schmächtige Frau kann hart zupacken und geht mit einiger Wucht in die Techniken.

Ich empfehle Krav Maga allen, die lernen möchten, sich effektiv zu wehren. Allerdings müssen sie sich auf ein anstrengenderes Training als in vielen Kursen über Selbstverteidigung einstellen. Außerdem ist wichtig, auch im Sparring zu üben.