Bielefeld

Als Hermannsläuferin Heike Mohn Geschichte schrieb

Vor und nach dem Millennium feierte die jetzt 54-Jährige Siege beim Klassiker, avancierte aber auch zur Marathon-Kreisrekordlerin. Jetzt erwägt sie ein Bergennen zu laufen

Beim 41. Hermannslauf wurde Heike Mohn, hier begleitet von ihrer Tochter Pia, Dritte. Foto: Christian Weische | © Christian Weische 2012

23.04.2021 | 23.04.2021, 23:00

Bielefeld. Sonntag, am 25. April also, hätte der pandemiebedingt auf den 10. Oktober verschobene Präsenz-Hermannslauf 2021 eigentlich stattfinden sollen. Einen 25. April, der 22 Jahre zurück-liegt, behält Heike Mohn in bester Erinnerung: 1999 feierte sie ihren ersten Sieg beim Teuto-Klassiker, zwölf Monate später gelang ihr die Titelverteidigung. Somit darf sie für sich in Anspruch nehmen, den letzten „Hermann“ vor und den ersten nach dem Millennium gewonnen zu haben – beide noch unter ihrem Mädchennamen Saeger.

2003 fand sie in die Siegspur zurück, überquerte zum dritten Mal die Ziellinie als schnellste Frau. Das hatte zuvor noch keine Bielefelderin geschafft; gut ein Jahrzehnt später zog die 2011, 2012 und 2014 erfolgreiche Silke Pfenningschmidt von der SV Brackwede mit ihr gleich. Heike Mohn wertete 2003 ihre Triple-Serie mit persönlicher Bestleistung von 2:05:59 Stunden auf. Eine Zeit, die sie nach ihrer Babypause im Jahr 2004 bestätigte. Denn 2005 lief sie noch mal zur Top-Form auf und unterlag als Zweite nur einer weiteren Dreifachsiegerin aus OWL, Anke Kemmener.

Lachend im Ziel: Die dreifache Hermannslaufsiegerin Heike Mohn wird nach einer Babypause 2005 Zweite. Foto: Kreft - © Claus Werner Kreft
Lachend im Ziel: Die dreifache Hermannslaufsiegerin Heike Mohn wird nach einer Babypause 2005 Zweite. Foto: Kreft | © Claus Werner Kreft

Heike Mohns läuferische Karriere hatte relativ spät begonnen. Sie spielte Fußball beim VfL Schildesche, als sie 1995 zur Vervollständigung einer Mannschaft beim Feuerwehrlauf in Sieker antrat. „Ich hatte ja schon immer eine große Klappe und geäußert, einigermaßen schnell laufen zu können“, blickt sie lächelnd zurück. Bei ihrem Hermannslauf-Einstand 1996 überraschte sie sich mit 2:38 Stunden auf Platz 40 selbst, gewann eine Wette und sah ihren bis dahin längsten Lauf als „einmalige Sache“. Doch ein Jahr später wurde sie rückfällig, bereitete sich neben dem Fußball sogar mit Lauftraining vor und lieferte als viertschnellste Frau bereits eine 2:14-er Zeit ab. Ende September folgte ihr Marathondebüt in Berlin, wo sie nach 3:05:13 Stunden ins Ziel lief.

"Mein Ding war immer das Gelände – das Auf und Ab"

Die Zeit bildete den Grundstein für ein respektables TSVE-Mannschaftsergebnis (9:24:57 Std.), das sogar einen Top-Ten-Platz in der deutschen Bestenliste 1997 brachte. Daran beteiligt waren Cordula Erdmann, die Mutter des aktuellen Top-Lauftalents Clemens Erdmann, und die erfolgreiche Seniorenläuferin Uschi Harms. 1998 verbesserte sich Heike Mohn an gleicher Stelle auf 2:53:48 Std.; sieben Wochen später erreichte sie in Verl eine Halbmarathonzeit von 1:19:09 Std. und ließ in Wiedenbrück 36:01 Min. über 10 Kilometer folgen.

1999 löste sie, sechs Monate nach ihrem ersten Hermannslauf-Triumph, mit 2:49:11 Std. beim Essen-Marathon die frühere Solbad-Ravensberger Spitzenläuferin Maria Pautmeier (2:51:53/ 1990) als Kreisrekordlerin ab. So sehr sie auch auf der Straße überzeugte, Heike Mohns Vorliebe galt anderen Läufen: „Natürlich fand ich meinen übrigens als beste Deutsche beendeten New-York-Marathon 2010 beeindruckend. Doch mein Ding war immer das Gelände – das Auf und Ab, wie es der ‚Hermann‘ bietet. Oder der Thüringer Rennsteiglauf.“

Der erste Sieg beim Hermann ist etwas ganz Besonderes

Da ist es erstaunlich, dass sie ihre Laufbegabung auch auf der Kunststoffbahn bewies: 2003, als sie im Brackweder Trikot zum dritten Mal den „Hermann“ gewonnen hatte, Trainer Udo Brandt-Hüdepohl aber an Stadionwettkämpfen besonders interessiert war, lief sie die 1.500 Meter in 4:50,60 und die 5.000 Meter in 17:54,7 Minuten. Damit zählte sie wie im Marathon zur deutschen W-35-Spitzengruppe. Welchen ihrer Erfolge stuft sie sportlich am höchsten ein? Die Antwort fällt ihr nicht schwer: „Natürlich meinen Sieg beim Hermannslauf 1999, das erste Mal ist eben etwas ganz Besonderes.“ Vom größten Erfolg unterscheidet Heike Mohn das schönste Erlebnis: „Zweifellos war das der gemeinsame Zieleinlauf mit meiner Tochter Pia 2012. Zu unserer Freude stand das Bild damals auf der ersten Zeitungsseite. Jetzt steht es noch immer auf Pias Nachttisch.“

Es sei abgesprochen worden, dass ihre Tochter sie an der Promenade erwartet, um die letzten Meter mit ihr zurückzulegen, erzählt Heike Mohn. „An dem Tag war ich aber viel früher als erwartet am Ziel, Pia konnte noch nicht mit mir rechnen. Da bin ich im Endspurt-Eifer zunächst an ihr vorbeigerannt und dann noch mal umgekehrt, um sie an die Hand zu nehmen.“ Der Umweg hatte zur Folge, dass ihr eine Läuferin noch den zweiten Gesamtplatz wegschnappte.„Das war mir völlig gleich“, versichert sie, „ich fand es überraschend genug, dass ich mit 45 Jahren noch mal aufs ‚Treppchen‘ durfte.“ Der Klassensieg, einer ihrer vielen beim Hermannslauf, war ihr erneut nicht zu nehmen. Auch 2014, bei ihrer vorletzten Teilnahme, setzte sie sich in der W 45 durch. Die Strecke zwischen Hermannsdenkmal und Sparrenburg kennt Heike Mohn selbstverständlich gut: „Mir liegen vor allem die Anstiege, den Abschnitt im Schopketal mag ich hingegen nicht.“

"Am Grand Canyon auf John Waynes Spuren ausreiten“

Mutterpflichten, Vollzeitarbeit als Sozialversicherungs-Fachangestellte der Barmer, dazu immer wieder Fußprobleme: Gründe, weshalb Heike Mohn zuletzt auf Wettkämpfe verzichtet hat. Aber weiterhin hält sie sich läuferisch fit, absolviert pro Woche noch bis zu vier Trainingseinheiten – eine lange über maximal 26 Kilometer, ansonsten 10 bis 15 Kilometer. Sie kann sich vorstellen, demnächst zu einem längeren Bergrennen anzutreten, vielleicht erneut am Rennsteig oder beim Karwendellauf, an dem sie virtuell schon teilgenommen hat: „Da ist das Tempo und deshalb auch das Verletzungsrisiko weniger hoch.“

Sie verspürt auch Lust, noch in diesem Jahr trainingshalber mal wieder den Hermannskurs zu laufen. Jedenfalls stehen für sie jetzt Lockerheit, Spaß und Erlebnis im Vordergrund. Das gilt auch für ihre privaten Reisepläne: Mit der Tochter möchte sie noch Island erkunden und, wenn sie nicht mehr Rücksicht auf Schulferien nehmen muss, „am Grand Canyon auf John Waynes Spuren ausreiten.“