Bielefeld/Tychy. Eine Registrierung auf dem American-Football-Portal „Europlayers“, Videomaterial seiner guten Szenen hochgeladen – mehr benötigte Niklas Gorny nicht. Im Frühjahr 2020 meldete sich der polnische Trainer Michal Kolek von den Tychy Falcons: „Niklas, Du bist genau unser Mann.“ Und so kam es, dass der Bielefelder im zweiten Halbjahr 2020 für die footballverrückte polnische Kleinstadt Tychy auflief – bei Kattowitz und nahe Krakau im Süden Polens gelegen – und als Quarterback eine Hauptrolle in den Planungen der hellblauen „Falken“ einnahm.
Auf diese Chance hatte der ehemalige Jugendnationalspieler gehofft. Schließlich befand sich der Bielefelder Amateursport gerade im ersten Lockdown, gespielt wurde nicht mehr. Jetzt ist der 25-jährige Lehramtsstudent der Universität Bielefeld in den Fächern Sport und Biologie zurück und schreibt an seiner Bachelorarbeit. Fithalten ist im Pandemie-Winter auch beim Bulldogs-Spielgestalter hauptsächlich durch Laufen und Home-Workouts möglich. Gorny: „Wir müssen online unsere Theorie-Trainingseinheiten hochladen.“
Zurück in den August 2020: In Tychy angekommen, konnte sich Niklas Gorny fortan voll auf American Football, seine neuen Teamkollegen und seine individuelle Entwicklung fokussieren. Gorny sagt: „Es lief schon alles sehr professionell ab.“ Dreimal die Woche Training, Theorieeinheiten, Spiele und gemeinsame Workouts im Fitnessstudio: Gorny arbeitete hart an seiner Athletik und seinen Quarterback-Skills. In Polen konnte zwar eine Saison in der „Polska Liga Futbolo“ ausgetragen werden, allerdings aufgeteilt und verkürzt.
Erst im Halbfinale gescheitert
„Wir haben unseren Status als drittbestes Team untermauert“, sagt der Falcons-Spielgestalter der abgelaufenen Saison. Erst im Halbfinale der Playoffs scheiterten die Tychy Falcons an den Lowlanders Bialystok. Diese wiederum unterlagen im Finale dem Liga-Primus Panthers Wroclaw aus Breslau. Während die genannten drei Spitzenteams zur europäischen Klasse gehören, glaubt Gorny, dass andere Mannschaften der ersten Liga durchaus auch mit den Bielefeld Bulldogs ihre Probleme hätten.
Beim Spiel gegen die Warschau Mets am zweiten Spieltag kam es überdies zum Wiedersehen mit Ex-Bulldogge TJ Richardson. Niklas Gorny war in der gesamten Saison als Quarterback gesetzt. Über die Bedingungen in Tychy schwärmt er: „Wir hatten einen neuen Kunstrasenplatz und durchgehend 50, 60 Mann beim Training.“
Kostenfrei im Hotel gelebt
Das sogenannte „Falcons Field“ bietet professionelles American-Football-Equipment und wird von der Stadt Tychy subventioniert. Gorny zählte in der vergangenen Saison zu den wenigen Import-Spielern der Falcons. Er lebte gemeinsam mit zwei Amerikanern, einem Engländer und einem US-Coach sowie ein paar weiteren Mitspielern für den gesamten Aufenthalt kostenfrei im Hotel eines Sponsors inklusive Verpflegung, Fitnessstudio und Fahrrädern. Gorny: „Wir haben uns ein Team-Auto besorgt und unter anderem Auschwitz besucht.“
Das Lebensgefühl des polnischen Corona-Spätsommers sei ein ähnliches gewesen, wie es auch in Bielefeld mit niedrigen Infektionszahlen war. Das Profiteam der Tychy Falcons blieb von der Verschärfung der Maßnahmen während Gornys Polen-Aufenthalts weitestgehend unberührt.
»Durch Zusatzeinheitenauf ein höheres Niveau gebracht«
Dennoch mussten Gorny und seine Mitspieler mit Ausnahme der ersten drei Spieltage auf Fans verzichten. Der Schritt nach Polen hat sich vollauf ausgezahlt für Niklas Gorny: „Ich habe auf jeden Fall eine Menge gelernt.“ Gerade mit seinen ebenfalls im Hotel lebenden Import-Kollegen habe er sich „durch Zusatzeinheiten auf ein höheres Niveau gebracht“. Gorny erwartet von einigen Mitspielern den Sprung nach US-Übersee, wenn er sagt: „Das sind schon Topathleten.“
Wo es Niklas Gorny in den kommenden Jahren selbst hinzieht? „Ich lasse es auf mich zukommen“, bekundet der Quarterback und hofft dennoch auf das ein oder andere Angebot eines europäischen Topteams, das nach seinem Abstecher zu den Tychy Falcons demnächst eintrudeln könnte. Gorny liebäugelt zudem mit einer Saison in Nordamerika. „Die kanadische Liga wäre klasse, die NFL bleibt wohl leider ein Traum“, meint der Quarterback schelmisch.
Bulldogs könnten erfolgreiche Saison spielen
Niklas Gorny kann sich als Urgestein der Bulldogs aber auch sehr gut vorstellen, den Weg mit vielen jungen, heimischen Spielern bei „seinem“ Team – bereits 2003 begann Gorny mit dem Football in Bielefeld – als Führungsfigur mitzugestalten.
Der aus besseren Bulldogs-Zeiten GFL2-erfahrene Gorny sieht jedenfalls Potenzial für mehr als die Regionalliga: „Ich denke, wenn wir nach der Pandemie wieder als Team zusammenarbeiten und den Stamm halten, können wir eine erfolgreiche Saison spielen.“ Zudem teilen sich mit Felix Gorny und Bert Smith zwei große Förderer die Headcoach-Position. „Bert und insbesondere mein Bruder haben mich stets herausgefordert und geformt. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar.“