Bielefeld

Familiensache Handball-Landesliga

In der Liga kennt man sich. Die Trainer der Bielefelder Teams TSG II, TuS 97 II und EGB haben ihre gemeinsamen Geschichten. Auch Hesselteichs Coach spielt mit

Familienoberhaupt: Stephan Neitzel, 52, ist Trainer der TuS-97-Reserve, gleichzeitig Lehrer und Ex-Coach des Schütforth-Sprößlings. Er gewinnt schon mal ein Whatsapp-Quiz. Foto: Peter Unger | © Peter Unger

Uwe Kleinschmidt
14.12.2020 | 14.12.2020, 23:00

Bielefeld. Der Trainer der SpVg Hesselteich trägt im Spiel Socken des Konkurrenten EGB. Und bringt dem Trainer des TuS 97 Bielefeld-Jöllenbeck II auf dem Fahrrad einen Sixpack Bier vorbei. Ein Aprilscherz spült der HSG EGB einen neuen (Erfolgs-) Trainer ins Haus. Der wiederum hatte sich vorher dem TuS-97-II-Coach zur Zensurenvergabe stellen müssen. Das Organigramm der Bielefelder Handballszene ist grundsätzlich ein kompliziertes. Verwobene Strukturen, vielfältige Beziehungen, erstaunliche Schnittstellen, jede Menge Anekdoten, aber praktisch kein böses Blut. In der aktuell unterbrochenen Serie gilt das besonders für die Landesliga. Drei Bielefelder Mannschaften treten dort auch gegeneinander an – aber irgendwie auch miteinander.

Dem Alter nach: Stephan Neitzel (52) coacht die Zweite des TuS Bielefeld-Jöllenbeck, Nils Uhlig (37) die HSG Eintracht Gadderbaum Brackwede, kurz EGB, Arne Schütforth (30) die Reserve der TSG Altenhagen-Heepen. Neitzel, Lehrer, hatte Nils Uhlig 2001 als Schüler und Arne Schütforth in der Saison 2012/13 beim TuS Brake als Spieler. Und dann ist da noch ein Dennis Laumann (41), Codename Apu, der als Trainer mit seiner HSG Hesselteich eine Geige spielt und im zweiten Saisonspiel seiner Hesselteicher noch im Oktober dieses Jahres in EGB-Socken ertappt wurde. Niemand hat gesagt, dass es unkompliziert werden würde.

Der Onkel aus dem Altkreis: Dennis Laumann coacht zwar die Spvg. Hesselteich, kennt aber seine Bielefelder Pappenheimer aus dem Effeff. Er fährt auch gern Rad. Foto: Christian Helmig - © Christian Helmig, HK
Der Onkel aus dem Altkreis: Dennis Laumann coacht zwar die Spvg. Hesselteich, kennt aber seine Bielefelder Pappenheimer aus dem Effeff. Er fährt auch gern Rad. Foto: Christian Helmig | © Christian Helmig, HK

TuS-97-Coach Neitzel trifft (irgendwann) auf Nils Uhlig und EGB. Neitzel arbeitet als Bildungsgangleiter am Berufskolleg Halle, zu dem es einst Uhlig trieb. „Nils war – wie die meisten Handballer – motorisch sehr gut drauf und konnte praktisch alle Sportarten. Ich habe ihn als zwar stillen, aber ehrgeizigen Schüler erlebt und verfolge natürlich, was er jetzt als Trainer so macht“, sagt Neitzel.

Kleiner Bruder: Arne Schütforth, 30, hier 2017 als Trainer TSG-A-Jugend, bekommt reihenweise Fleißkärtchen und darf jetzt die 2. Mannschaft in der Landesliga coachen. Foto: Andreas Zobe - © Andreas Zobe
Kleiner Bruder: Arne Schütforth, 30, hier 2017 als Trainer TSG-A-Jugend, bekommt reihenweise Fleißkärtchen und darf jetzt die 2. Mannschaft in der Landesliga coachen. Foto: Andreas Zobe | © Andreas Zobe

Ein Aprilscherz leitet Wechsel zu EGB ein

Kleiner Griff in die Historienkiste: In der Landesliga-Aufstiegssaison 2007/08 lief „Nando“ Neitzel als 40-Jähriger noch einmal für den EGB-Vorgänger Eintracht Gadderbaum auf – als routinierter Joker aus der vierten Mannschaft hochgezogen von HSG-Trainer Matthias Foede. Gadderbaum ist Neitzels alte Heimat – und Uhligs aktuelle. Dass Uhlig bei der HSG gelandet ist, verdankt er auch einem seiner Aprilscherze. Er selbst verbreitete am 1. April 2019 die Nachricht, nicht beim TV Werther zu verlängern.

Großer Bruder: Nils Uhlig, 37, trainiert die Männer der HSG EGB, ist ein Taktik-Fuchs und hat sich schon einmal neu erfunden. Foto: Andreas Zobe - © Foto: Andreas Zobe/NW
Großer Bruder: Nils Uhlig, 37, trainiert die Männer der HSG EGB, ist ein Taktik-Fuchs und hat sich schon einmal neu erfunden. Foto: Andreas Zobe | © Foto: Andreas Zobe/NW

EGB-Trainer Ivo Kraft rief sofort bei Uhlig an, der klärte auf – aber der Kontakt war da. Als Uhlig kurz darauf beim TVW freigestellt wurde, war die Sache mit Eintracht Gadderbaum Brackwede schnell in trockenen Tüchern. Mit Uhlig ging es in der Abbruch-Saison 2019/20 direkt wieder hoch in die Landesliga. Uhlig pflegt nun wieder mit TSG-II-Coach Arne Schütforth ein gutes Verhältnis. „Wir tauschen uns regelmäßig aus. Arne und ich haben ähnliche Vorstellungen“, sagt Uhlig.

Im Testspiel nicht alles gezeigt

Ein kleiner Coup gelang ihm, als er in der Saison-Vorbereitung in einem Testspiel gegen Schütforths TSG-Reserve mit angezogener Handbremse spielen ließ und klar verlor. „Im ersten Saisonspiel haben wir dann gegen Arnes TSG ein 19:19 geholt, weil wir im Test nicht alles gezeigt haben. Ich war sehr zufrieden und Arne einigermaßen angefressen“, sagt Uhlig. Schließlich sei die TSG-Reserve ein Top-Team der Landesliga, das er hinter seinem Favoriten TG Hörste ganz oben erwartet.

„Natürlich kann Nils das jetzt so sagen“, meint Schütforth, „aber die Voraussetzungen waren in beiden Spielen durch die verschiedenen Aufstellungen kaum miteinander zu vergleichen.“ Ganz so stark wie Uhlig, eben Platz zwei, erwartet Schütforth sein Team nicht. „Wir gehören wahrscheinlich zur oberen Hälfte, aber erst einmal noch nicht mehr.“ Schütforth hatte in der Saison 2012/13 beim TuS Brake unter Neitzel gespielt und trainiert. Um es vorwegzunehmen: Es war keine Handball-Ehe zwischen den beiden, die sich sehr wohl respektieren.

"Vielleicht waren es zu viele starke Charaktere"

Neitzel: „Arne war und ist immer megaengagiert, kämpferisch absolut top. Dass er bei mir oft mehr in der Abwehr als im Angriff gespielt hat, fand er aber nicht sooo super. Das kann ich durchaus verstehen.“ Schütforth: „Wir hatten zu der Zeit in Brake viele starke Charaktere mit eigenen Vorstellungen vom Handball. Vielleicht waren es zu viele starke Charaktere.“ Schütforth ging, Neitzel blieb noch etwas, jetzt treffen sie sich auf den Bänken der beiden großen Bielefelder Vereine.

Der nächste Spieltag vor dem Lockdown 2.0 hätte Neitzel und die TuS-97-Reserve gegen die SpVg. Hesselteich geführt – und damit gegen Dennis Laumann. Schon kurz vor dem angesetzten Termin im November hatten beide den Lockdown aufziehen sehen und in einem Telefonat geklärt, dass es wenig sinnvoll sei, anzutreten. Sie kannten sich von „Laumanns Lieferservice“ aus dem Frühjahr.

Den Entzug mit Touren auf dem Fahrrad therapiert

Im ersten Lockdown hatte Laumann sich selbst mit ausgiebigen Fahrradtouren vom Handball-Entzug therapiert und auf seinen Ausfahrten Sporthallen fotografiert. Die Handy-Schnappschüsse stellte er als Status-Bilder in seinen Whatsapp-Kontakt und versprach demjenigen, der zuerst erriet, welche Sporthalle es jeweils sei, einen Sixpack Bier. Bei der Sporthalle des Berufskollegs Halle war natürlich Neitzel der Erste – sie ist von Berufs wegen sein zweites Zuhause. Also schwang sich Laumann aufs Rad und fuhr von Hoberge nach Jöllenbeck zu Neitzel. Der war zwar gerade nicht zu Hause, schickte aber am Abend ein Bild mit Bier und besten Grüßen an den Spender.

Weil Laumann vor seiner Zeit als Hesselteicher ein knappes Jahrzehnt bei der HSG EGB am Ball war, hat er noch Socken seines alten Vereins im Schrank – beziehungsweise an den Füßen. Im zweiten Saisonspiel am 9. Oktober gegen die Warendorfer Sportunion siegte Laumann zwar mit seinen Glückbringersocken 25:22, wurde aber von Spion Nils Uhlig ertappt. Der EGB-Coach ließ das Spiel filmen, wobei ungewohnt häufig Beine und Füße des Heim-Trainers im Bild zu sehen sind. Laumann und Uhlig haben natürlich auch ihre alte persönliche Geschichte.

"Bei mir ist er immer noch Benni Buschmann"

Beide spielten vor 13 Jahren bei der TG Hörste zusammen. Da zog Nils Uhlig – vor seiner Hochzeit – noch als Nils Benjamin Buschmann in die Schlacht. Laumann sagt grinsend: „Auch wenn er sich offenbar neu erfunden hat: Nils Uhlig ist bei mir immer noch Benni Buschmann. Anders spreche ich ihn nicht an.“

Den Draht zwischen Arne Schütforth (genau, TSG II) und Dennis Laumann gibt’s natürlich auch – als Spieler haben beide oft die Klingen gekreuzt. Schütforth: „Es war immer schwierig gegen Apu, weil er beides konnte: werfen und anspielen. Geht man zu offen raus, spielt er den Kreis an, hält man sich zurück, haut er einem die Bälle um die Ohren.“ Laumann gibt die Komplimente zurück: „Bei Arne war es schwer, wie bei vielen kleineren Gegenspielern, die so flink auf den Beinen sind. Und er war immer sehr zweikampfstark.“ Zweikämpfe und Rededuelle werden dieser Tage telefonisch ausgetragen. Auch für die Landesligisten gilt: Kontakte vermeiden – bis zu den nächsten Familientreffen irgendwann im Frühjahr.