Bielefeld

Über die Jungen-Kreisliga in die Frauen-Landesliga

Handball: Die Frauen des TuS Brake spielen erstmals in ihrer Geschichte in der Landesliga. Nicht unwesentlich schuld daran ist eine Handvoll Millennials

Aus dem goldenen 2000er Jahrgang: Finja Meier (l.) geht mit dem TuS Brake das erste Jahr in der Landesliga an. Foto: Jörg Dieckmann | © Jörg Dieckmann

30.09.2020 | 30.09.2020, 23:00

Bielefeld. „Es ist einfach echt schön hier“, sagt Finja Meier, Mittelfrau des TuS Brake, mit einem Grinsen und nimmt einen tiefen Schluck aus der Flasche. Tatsächlich könnte es an diesem lauen Spätsommerabend in Brake nicht sehr viel schöner sein. Nach dem Testspiel der Vorbereitung sitzt beinahe ihre ganze Mannschaft vor der Halle und genießt die letzten Sonnenstrahlen des Tages. Musik, eine Kiste Kaltgetränke, viel Gelächter.

In der vergangenen Saison ist die Frauenmannschaft zum ersten Mal in der Geschichte in die Landesliga aufgestiegen. Ihr Meisterstück war eine bemerkenswerte Leistung, weil die abgebrochene Saison erst Brakes zweites Bezirksligajahr war. 2018 war der Aufstieg aus der Kreisliga gelungen, und seitdem ist der Stamm der Mannschaft nahezu der gleiche geblieben. Carsten Meier, Vater von Mittelfrau Finja und des Braker Erfolges, sagt: „Wir hatten nur eine geringe Fluktuation im Kader.“

Acht Mädels in der Jungen-Kreisliga

Im Sommer 2019 hatte Meier den Trainerposten bei den Frauen übernommen, seine Geschichte beim TuS reicht aber viel weiter zurück. Der Blick geht in die Saison 2012/2013: Der goldene 2000er Jahrgang der Braker Mädchen wird Kreispokalsieger, das Halbfinale endet 25:1, das Finale 32:5. Carsten Meier, schon damals Coach, hat ein Problem: Woher sollen in der neuen Saison Gegner kommen? Dank einer Ausnahmegenehmigung tritt Meier mit seinem nur acht Mädels starken Kader in der Kreisliga der Jungen an. „Die Leute haben mir damals gesagt, dass ich verrückt wäre“, erinnert sich Meier heute.

Das Gegenteil ist der Fall: Brake zerpflückt jedes Jungen-Team – teilweise mit ähnlich hohen Ergebnissen wie im Kreispokalfinale bei den Mädchen. Nur an den Jungs des TuS 97 kommen die jungen Brakerinnen damals nicht vorbei, am Ende steht der Vizekreismeistertitel. Noch heute lachen Meier und seine Mädels herrlich darüber, wie sie damals (fast) allen ein Schnippchen geschlagen haben.

Bis ins Halbfinale der Westfalenmeisterschaft

Die famose Saison bei den Jungs ist der Auftakt für eine Erfolgsgeschichte, die noch ein paar Jahre andauert. In der C-Jugend spielen sie selbstverständlich Oberliga, erreichen im zweiten Jahr das Halbfinale der Westfalenmeisterschaft. „Das war das absolute Highlight unserer gemeinsamen Zeit“, sagt Trainer Meier und schwelgt in Erinnerungen: „Damals war die Halle rappelvoll, bestimmt 500 Zuschauer waren da! In Brake! Bei einer weiblichen C-Jugend!“ Neun Spielerinnen spielten damals im Westfalenstützpunkt, Brake war überregional eine große Nummer. Wenn Meiers Tochter Finja an das Halbfinale zurückdenkt, ist das Grinsen jedoch mittlerweile verschwunden: „Wir haben gegen Ahlen gespielt und beide Spiele erst in der Schlussphase mit zwei Toren verloren.“

Nach der bitteren Niederlage folgten noch zwei weitere Oberligajahre in der B- und eines in der A-Jugend, vor dem letzten Juniorenjahr ist dann aber Schluss: Die goldene Generation kann keine konkurrenzfähige Mannschaft mehr stellen. Sie hat dasselbe Schicksal wie jeden anderen kleineren Verein ereilt, der mit einem Ausnahme-Jahrgang mal im Konzert der Großen mitspielen darf: Die Top-Talente sind in die großen Nachwuchsleistungszentren abgewandert. Ndidi Agwunedu, Patricia Lazarevic und Franziska Rolf wechselten zur HSG Blomberg-Lippe, Mariama Jassey zum HSV Minden-Nord – allein der halbe D-Jugend-Kader von damals.

Agwunedu ist Bestandteil des Blomberger Bundesligakaders

Rolf und Lazarevic gehören in Blomberg inzwischen zu den Stammspielerinnen der zweiten Mannschaft in der dritten Liga. Torhüterin Vivien David, in der C-Jugend nach Brake gekommen, spielt zur neuen Saison in der Nähe von Stuttgart bei den Waiblingen Tigers in der zweiten Bundesliga. Agwunedu ist fester Bestandteil des Bundesligakaders in Blomberg und hat etliche U-Länderspiele für Deutschland absolviert. Darauf können sie als Ausbildungsverein stolz sein in Brake, auch wenn die eingeschworene Truppe Geschichte ist. „Wir haben nur hin und wieder mal Kontakt, wenn wir uns gelegentlich in der Halle sehen“, sagt Finja Meier. Sie ist immer in Brake geblieben, trotz zahlreicher Angebote größerer Vereine.

Auch Anastasia Penner war von Anfang an dabei und ist nach einem Jahr beim HT SF Senne wieder zurückgekehrt. Die beiden sind die einzigen, die aus der goldenen Generation übrig geblieben sind, und Trainer Carsten Meier ist natürlich auch noch da. Finja Meier und Anastasija Penner gehören dem Jahrgang 2000 an, stehen stellvertretend für eine neue Generation, die seit 2019 in den Seniorenhandball drängt. Und diese Generation erinnert sich an die Braker Jugendzeiten, erinnert sich an die Gesichter der Meiers und Anastasia Penners und weiß: Mit dem TuS Brake ist auch in der neuen Saison zu rechnen.