Bielefeld. Der zehntägige Ägypten-Urlaub hat seine Spuren hinterlassen: Wohlgebräunt und entspannt sitzt Nils Kwaßny im Wohnzimmer seiner Eltern und redet über seine große Leidenschaft, mit der der Normalbürger am ehesten im Zirkus in Berührung kommt. Dass Trampolinspringen nicht zum Nabel der Sportwelt gehört, stört den 16-Jährigen dabei keineswegs.
"Mein letzter Zirkusbesuch ist tatsächlich gar nicht so lange her. Ich war bei der Premiere von Flic Flac. Unser Trainer kennt da ein paar Artisten, die uns Freikarten für die Premiere geschenkt haben", sagt Nils Kwaßny mit leuchtenden Augen. Vladimir Volikov heißt der Mann, der für den 1,65 Meter großen und 60 Kilogramm schweren Turner die Türen zu einer der bekanntesten Manegen in Deutschland öffnete. Auch wenn ihm die Vorführung insgesamt und im Speziellen die der Trampolinspringer gefiel, könnte er sich ein Leben als Artist nicht vorstellen. "Du bist immer unterwegs und lebst aus dem Koffer. Man muss da klar zwischen Show und Sport trennen", erklärt Kwaßny.
Dass er seit sechs Jahren in einer der spektakulärsten olympischen Disziplinen durch die Lüfte wirbelt, liegt an einem Aha-Erlebnis im Garten eines Freundes. "Dort stand ein Trampolin. Die ersten Sprünge haben mir direkt super gefallen", erläutert der Blondschopf seine erste Berührung mit dem heutigen Leistungssport, dem er kurze Zeit später den Vorrang vor seiner fußballerischen Laufbahn bei der Spvg. Steinhagen gab.
Doch was ist so faszinierend am Trampolinspringen? "Das ist ein Gefühl von Freiheit. Dabei kommt man dem Traum vom Fliegen ein Stück näher - und es gibt immer neue Herausforderungen. Am Anfang steht der Vorwärtssalto, dann kommt der Rückwärtssalto - und dann geht es immer weiter", sprudelt es aus Nils Kwaßny nur so heraus.
Bis zum Westfalenmeistertitel in seiner Altersklasse U 16 sowie zum dritten Platz in der Bundesliga mit seinem Klub SV Brackwede hat er es 2016 gebracht. Zu gerne wäre er auch zur Jugendeuropameisterschaft im spanischen Valladolid gereist. "Die Quali habe ich in Stuttgart nur um vier Zehntel verpasst. Dieses Jahr würde ich es gerne schaffen", sagt der SVB-Springer.
"Direkt auf den Kopf zu fallen, ist schon schmerzhaft"
Für dieses Ziel fährt er vier bis fünf Mal pro Woche nach Brackwede in die Sporthalle Rosenhöhe, um dort bis zu drei Stunden an seinen Saltos, Drehungen und Schrauben zu feilen. Bei neuen Übungen wird er dabei mit einem Bungee-Seil verbunden, mit dem Trainer Volikov Kwaßny sichert. "Direkt auf den Kopf zu fallen, ist schon schmerzhaft", schmunzelt Kwaßny, der gerne solche Trainingsmöglichkeiten wie seine Kollegen in Cottbus, Frankfurt am Main oder Stuttgart hätte. "Die sind dort zwei mal pro Tag in der Halle und haben sogar Schnitzelgruben. Das macht natürlich eine Menge aus", erklärt er den Vorteil dieser mit Schaumstoffutensilien gefüllten Gruben, die das Auftreffen nach einer Übung stark abfedern.
Einen Umzug in eine dieser Metropolen nur wegen des Sports kann sich der Schüler des Bielefelder Gymnasiums Am Waldhof nicht vorstellen, zumal Trampolinspringer - selbst auf nationalem Topniveau - kaum finanzielle Förderung erfahren. "Selbst beim Bundesliga-Finale in Brackwede war der WDR nicht dazu bereit, einen Beitrag zu bringen. Daran kann man den Stellenwert der Sportart gut ablesen", meint Vater Alexander Kwaßny, der seinen Sohn als Fahrer, Fotograf und Mannschaftssponsor unterstützt. Selbstredend, dass zur Regeneration nach einem sportlich vollgepackten Jahr auch noch ein Urlaub in Ägypten drin ist.