Lübbecke. „Mehr Außenseiter können wir nicht sein“, hatte Aaron Ziercke die Ausgangslage benannt. Der Trainer hatte sich insgeheim sicher anderes erhofft, doch aus dieser Rolle vermochten sich seine geschundenen Handballer von GWD Minden am Montagabend nicht zu befreien. Der Aufsteiger war im Bundesliga-Heimspiel gegen die SG Flensburg-Handewitt chancenlos und erhielt mit der 27:40 (16:22)-Niederlage eine Lehrstunde. Nach zwei ordentlichen Spielen war das von massiven personellen Problemen betroffene und dieses Mal ohne fünf Profis angetretene Mindener Team vor 2.144 Zuschauern in der Lübbecker Kreissporthalle gegen das Star-Ensemble an die Grenzen seiner Möglichkeiten angekommen.

„Echt ein Brett“
„Ich denke, man heute gesehen, was die Kaderqualität für einen Unterschied machen kann“, fasste GWD-Coach Ziercke in Worte, was für alle Zuschauer deutlich sichtbar geworden war. „Zu Beginn hätte ich mir etwas mehr Plantreue gewünscht, da machen wir es Flensburg leider etwas zu einfach“, übte er leise Kritik, um dann aber seine Mannschaft in Schutz zu nehmen: „Drei Spiele in acht Tagen sind mit solch einem dünnen Kader echt ein Brett.“
Es geht zu schnell
Viel zu schnell nahm die Partie den vorgezeichneten und aus Mindener Sicht unheilvollen Verlauf. Der hochgewachsene SG-Spielmacher Lasse Möller machte mal eben drei Tore aus dem Nichts, sein Team drückte auf das Tempo. GWD suchte noch nach Mitteln und Wegen der Gegenwehr und hatte zunächst allein die Rückraumpower von Karolis Antanavicius zu bieten. Ruckzuck lag Minden 3:7 zurück. Trainer Ziercke nahm nach gerade mal sieben Minuten die erste Auszeit. „Keine Sprungwürfe über die letzten Leute“, sagte er und wies sein Team auf den physisch gewaltigen Innenblock der Gäste hin: Blaz Blagotinsek und Johannes Golla müsse man in Bewegung bringen.
Pfosten hier, Fehler dort
Leichter gesagt als getan, vor allem, weil den Gastgebern das Wurfpech treu blieb. Nach der Auszeit knallte mit Malte Donker ein dritter GWD-Spieler den Ball an den Pfosten. Antanavicius, der zum 5:9 bereits seinen vierten Treffer erzielte, konnte GWD nicht allein im Spiel halten, zumal seine Tore blitzschnell von den Gästen mit Gegentoren gegen die unsortierte GWD-Abwehr beantwortet wurden.
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Plakativer Unterschied
Ziercke wechselte in der 12. Spielminute Torwart Malte Semisch für den glücklosen Tibor Ivanisevic ein und brachte im Rückraum Philipp Vorlicek und Niclas Heitkamp. Drei Minuten später reagierte auch sein Gegenüber und stellte den Unterschied zwischen beiden Teams plakativ zur Schau. Auch SG-Coach Ales Pajovic tauschte den Rückraum und wechselte mit Marko Grgic, Kent Robin Tönnesen und Luca Witzke beim Spielstand von 7:11 mal eben drei Weltklassespieler ein.

Minden kämpfte tapfer. Heitkamp setzte Akzente und warf bis zur Pause bei einer perfekten Trefferquote von 100 Prozent vier Tore. Auch Vorlicek setzte gute Impulse. Doch damit vermochten sie dem Spiel keime Wendung zu geben. GWD vergab gegen Kevin Möller im SG-Tor zu viele Chancen, mehrmals warfen die Mindener gar am Tor vorbei. Die Fehler addierten sich zu einer Summe, die man sich in der Bundesliga gegen keine Mannschaft erlauben darf, auch nicht gegen die ebenfalls nicht fehlerfreien Flensburger. Beim 10:17 durch Witzke nahm Ziercke nach 25 Minuten die nächste Auszeit. Doch es wurde nicht besser. Immerhin war der Pfosten mal mit Minden im Bunde: Vorliceks Wurf krachte von einer Torstange an die andere und von Möllers Rücken zum 11:17 in die Maschen.
Hübsche Aktionen, schnelle Gegentore
Den Gastgebern gelangen einige hübsche Momente, so ein mit Überzeugung erzielter Treffer zum 12:18 von Heitkamp ins leere Tor, als Flensburg es mit dem siebten Feldspieler probierte. Auch Mats Korte sorgte mit einem energischen Tempogegenstoß zum 15:20 (29.) für Stimmung auf den Tribünen. Doch zu leicht kamen die Gäste zu ihren Treffern. In weniger als 30 Sekunden hatte Flensburg das 15:22 geworfen. Antanavicius sorgte für den 16:22-Pausenstand.
Die Gäste spulten ihr Pensum ab
„Wir müssen das Flensburger Tempospiel stoppen und unseres eigenes durchbringen“, stellte Heitkamp in der Pause treffend fest, „dazu müssen wir die leichten Fehler vermeiden.“ Doch das Bild änderte sich nach dem Seitenwechsel nicht. Nach den Mitteln ging GWD auch der Glauben an ein besseres Ergebnis verloren. Die mit zwei Unentschieden überraschend holprig in die Saison gestarteten Gäste hingegen hatten sich eingespielt und spulten das Programm nun souverän ab. Als Ian Weber eine Zeitstrafe absaß, traf Grgic per Weitwurf ins GWD-Tor und stellte den Flensburger Vorsprung in der 36. Minute beim 27:17 erstmals auf zehn Tore.
Die Youngster erfrischen das Spiel
Zu gewinnen war längst nichts mehr und so nutzte Ziercke die Gelegenheit und schenkte den jungen Spielern Einsatzzeit. So kam Spielmacher Lasse Franz zu seiner Premiere und Kreisläufer Mattis Welle beim 23:26 (52.) gleich zu seinem ersten Bundesligator. Als auch Franz mit einem Gegenstoß zum 26:37 sein allererstes Tor bei den Profis erzielte, ballte er die Faust und strahlte so ansteckend, dass er auch den applaudierenden Fans ein Lächeln ins Gesicht zauberte und sie für diesen Moment mit dem enttäuschenden Abend versöhnte.
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GWD Minden – SG Flensburg-Handewitt 27:40 (16:22).
GWD Minden: Ivanisevic, Semisch – Antanavicius 7, Weber, Vorlicek 5, Heitkamp 4, Staar, Bergner 4, Donker 1, Korte 3, Kranzmann, Welle 1, Diekmann, Müller, Franz 2.
SG Flensburg-Handewitt: Buric, K. Möller – Pytlick 2, Golla 4, Kirkelokke 4, Grgic 8, Tönnesen 2, Horgen, Volz 2, Jakobsen 1, Blagotinsek 3, Novak 5, L. Möller 4, Witzke 5.
Schiedsrichter: Marvin Cesnik/Jonas Konrad.
Zuschauer: 2.144.
Siebenmeter: 0 – 1/0 (Jakobsen wirft an die Latte).
Zeitstrafen: 2 – 3 (Staar, Weber – Novak, Blagotinsek, Grgic).