Bielefeld. "Weltmeister-Sein ist so wunderschön", sagt Carla Beckmann. Die Freude über ihre Erfolge in Südkorea sind der
Wasserfreundin auch nach der Heimkehr nach Ostwestfalen noch deutlich anzumerken. Dass für die Medaillen allerdings auch "ein sehr hartes Stück Arbeit" nötig war, hat sie nicht vergessen. Während sich ihre Teamgefährten in die Sommerferien verabschiedeten, hat sie noch ein paar Wochen voll durchtrainiert. Doch die Quälerei hat sich gelohnt: Bei der WM im südkoreanischen Gwangju hat Beckmann erneut eine Goldmedaille bei den Masters geholt.
Die 35-jährige Ausnahmeathletin lag im 11.000 Zuschauer fassenden Nambu Aquatics Center über 200 Meter Schmetterling in starken 2:29,82 Minuten vor der Britin Hayley Davis (2:30,34 min) und deutlich vor der Spanierin Leon Sabina Martinez (2:39,09 min). Neben ihrem Masters-Titel holte Beckmann noch zweimal Silber über 100 m Schmetterling (1:08,33 min) und über 400 m Freistil (4:54,41 min). Mentale Stärke bewies sie auch beim Freiwasser-Rennen über drei Kilometer (43:51,21 min), wo sie ihren Medaillensatz um Bronze bereicherte. Denkbar knapp verpasste sie dagegen das Podium bei ihrem fünften und sechsten Auftritt über 200 m Freistil (4. Platz/2:20,23 min) und über 800 m Freistil (4. Platz/10:16,24 min).
»Wenn es schwer wird, kann ich mich auf deinen Rückhalt verlassen«
Beckmanns Dank galt vor allem ihrem Heimtrainer Christof Taube, der sie nach ihrem Wechsel vom Gütersloher SV bei den Wasserfreunden betreut. "Wenn es schwer wird, kann ich mich auf deinen Rückhalt verlassen", hat sie ihm aus Südkorea geschrieben. "Niemals hätte ich mir zugetraut, 2:29,82 Minuten zu schwimmen. Es war aber auch von Nöten. Die Britin war noch stärker, als ich gedacht hatte."
Ihr erstes Rennen absolvierte Beckmann im Freiwasser über drei Kilometer. Schon beim Start stand sie mit zwei favorisierten Schwimmerinnen nebeneinander. Doch nach etwa zwei Kilometern waren ihr dann beide enteilt. "Der Abstand war so groß, dass es bei dem Wellengang unmöglich war, aufzuholen. Die Bronzemedaille war aber natürlich der perfekte Auftakt und die Siegerehrung war wunderschön." Leider hatte Beckmann danach keine Möglichkeit, sich an die deutlich veränderten Bedingungen im Wettkampfbecken zu gewöhnen. Unter diesen Voraussetzungen war das 800-m-Freistil-Rennen "ein Sprung ins warme Wasser". Mit Platz Vier konnte sie deshalb sehr gut leben. "Vor dem Freistil-Rennen über 200 Meter hatte ich dann zum Glück einen Tag frei", erzählt Beckmann. Obwohl es ihre schwächste Strecke im WM-Programm war, wurde sie in 2:20,23 Minuten Vierte - erneut verfehlte sie knapp das Podium.
Über 100 Meter Schmetterling kam es dann zur Begegnung mit Cindy Ong, die für einen Verein aus Singapur startete, aber für Malaysia bereits 2004 an den Olympischen Spielen in Athen teilgenommen hat. Wie immer bei einer WM wurden die Läufe sehr früh im Vorstartbereich gesammelt - eine ideale Gelegenheit, sich mit vielen zu unterhalten. "So verriet mir Cindy schon vorab, dass sie die erste Bahn locker schwimmen würde, und so kam es dann auch."
»Es war ein extrem harter Kampf«
Bei ihrem Sieg in 1:05,95 Minuten spielte die Olympiateilnehmerin ihre ganze Klasse aus. Insofern war für Carla Beckmann der Gewinn der Silbermedaille in 1:08,33 Minuten optimal. Zumal das Rennen auf den letzten Metern unglaublich hart war. "Ich konnte mir kaum vorstellen, wie ich es zwei Tage später schaffen sollte, noch 100 Meter mehr zu schwimmen." Doch es ging, wie sich später zeigen sollte.
Am Staffeltag hatte Carla Beckmann dann frei. Das war ihr am Tag vor den 200 Metern Schmetterling nur recht - zumal sie dieses Rennen unbedingt gewinnen wollte. "Zugleich fühlte ich mich aber auch völlig ausgelaugt. Bevor es nach Südkorea ging, war ich im Training extrem schnell. Aber von dieser Stärke war nichts mehr zu spüren. Es war einzig und allein mein unbändiger Wille, der mir zum Sieg verholfen hat." Das Rennen hätte keinen Meter länger sein dürfen. Ihre Zeit am Ende: 2:29,82 Minuten. Ihr Vorsprung vor der Britin Davis betrug gerade einmal 52 Hundertstel.
Nur eine winzige halbe Sekunde früher hatte Carla Beckmann die Hände vor der Britin an der Wand. "So zu gewinnen, das ist besonders schön. Es war ein extrem harter Kampf und meine Zeit ist im Vergleich zu den Siegerzeiten über andere Strecken mit Sicherheit eine der stärksten Leistungen in der Altersklasse 35", ordnet sie ihren Auftritt ein und betont: "In diesem Rennen bin ich weit über jede Schmerzgrenze hinaus geschwommen." Nur beim Europarekord im April bei den Deutschen Meisterschaften der Masters und im offenen NRW-Finale im Juli war sie 2019 schneller. Derart euphorisiert hätte sie eher "aus Versehen" am Tag drauf sogar noch die 400 Meter Freistil gewonnen. "Ich bin aber wirklich froh, dass es nur Silber geworden ist. Mit meiner Zeit zu gewinnen, wäre schwach. So glänzt das Schmettern-Gold doch viel mehr."