Bielefeld

Keiner blickt mehr durch – Handballportal löscht alle Nachnamen

Handball-Umschau: Die Datenschutzstelle des Landes übt Druck auf den Verband aus. Ein Aufreger? Für uns eine Steilvorlage

Sicher ist sicher: Aus Datenschutzgründen, an die wir uns in diesem Fall eigentlich gar nicht halten müssten, verraten wir hier nicht, dass sich Brian W. (l.) vom TuS 97 II gerade gegen Arne S. von der TSG A.-H. II durchsetzt. Gespielt wurde übrigens in J. bei B.. | © Andreas Z.

01.05.2019 | 01.05.2019, 07:00

Bielefeld. Kennen Sie noch die Sesamstraße? „Hey du." „Wer, ich?" „Psssst, genaaaaau. Willst du ein A kaufen?" Die Figuren Schlemihl (im Original: Lefty, the Salesman) und Ernie lieferten sich Dialoge dieser Art, bei denen Ersterer immer versuchte, dem gutgläubigen Ernie einen Buchstaben unterzujubeln – die Älteren werden sich erinnern.

Ernie ist immer noch in der Sesamstraße beschäftigt, aber was macht Schlemihl eigentlich mittlerweile beruflich? Er muss bei einer Datenschutzstelle untergekommen sein. Wie das nun wieder mit Handball zusammenhängt, erschließt sich seit den Osterferien.

Betreiber haben sämtliche Nachnamen getilgt

Achtung, jetzt kommt der ernsthafte Teil: Bislang war es üblich, dass Statistiken und Mannschaftsaufstellungen im Onlineportal sis-handball zu finden waren. Im Liveticker ließ sich jedes Spiel, jeder Torschütze und auch jede Zeitstrafe unmittelbar verfolgen. Das geht immer noch. Der kleine Unterschied ist, dass man, zumindest bei den Teams, deren Akteure man nicht persönlich kennt, kaum noch erschließen kann, um welchen Spieler es sich handelt. Die Betreiber des Portals haben sämtliche Nachnamen getilgt und – jetzt kommt Schlemihl ins Spiel – auf den jeweiligen Anfangsbuchstaben reduziert. „Psssst, genaaaau."

Warum nur? Laut Andreas T., Vizepräsident des Handballverbandes Westfalen und verantwortlich für den Bereich Spieltechnik, steckt ein Schreiben der Landesdatenschutzbeauftragten dahinter. „Unter Fristsetzung und Strafandrohung" habe sie darin kürzlich die Verbände aufgefordert, die Veröffentlichung vollständiger Namen in Livetickern und dem Elektronischen Spielbericht (ESB) zu unterbinden. Für Herrn T. keine überraschende Entwicklung. „Das Thema ist schon länger in der Diskussion", sagt er. Hintergrund sei, dass sis-handball in kommerzieller Absicht von der Firma GateCom betrieben werde. Die aber könne keine Einwilligungserklärungen vorweisen, nach denen sie über persönliche Daten der rund 93.000 Aktiven in Westfalen verfügen dürfe. „Wir als Verband haben darauf keinen Einfluss", erklärt Herr T..

Der Vertrag mit GateCom läuft am Saisonende aus. Künftig organisieren die Verbände den Spielbetrieb über ihre eigene Gesellschaft Handball4All. Ob sich dadurch wieder etwas ändert? „Ich glaube es nicht", hält sich Andreas T. mit Versprechungen zurück.

Vereinsnamen sind noch komplett ausgeschrieben

Jetzt braucht es aber dringend eine gute Nachricht, und die liegt geradezu auf der Hand: In Ihrer Tageszeitung werden Sie nämlich auch künftig alle Vor- und Zunamen lesen können. Das nennt man neudeutsch „oldschool" (klassisch), funktioniert aber immer noch. Schon sehen Nostalgiker eine Renaissance der Pressewarte kommen, die wie anno dazumal an jedem Wochenende telefonisch die Spielberichte entgegen nehmen – übers Festnetz, versteht sich.

Übrigens: Vereinsnamen etwa sind im Internet immer noch komplett ausgeschrieben. Sind die nicht auch schützenswert? Wenn man aus dem TuS 97 Bielefeld-Jöllenbeck den TuS 97 B.-J., oder der HSG Schröttinghausen/Babenhausen die HSG S./B. machen kann, ist noch mehr Platz für spannende Spielberichte inklusive aller Namen. Die HSG EGB ist da übrigens schon ganz weit vorne! Erst wenn es an die Verschlüsselung der Ergebnisse geht, wird es auch für die Presse eng. Weil: Bei HT SF S. – TuS B. xx:xx (xx:xx) geht beim besten Willen nichts mehr. Spätestens dann wird der Sport ein Fall für einen anderen Sesamstraßenbewohner: Oscar aus der Mülltonne.