Arminia Bielefelds Sportchef Michael Mutzel: „Wir sind am Transfermarkt aktiv“

Eben noch die große Pokalparty, nun schon wieder Sorgenfalten nach zwei Ligaspielen in Folge ohne Sieg: Sind Ihnen hier in Ostwestfalen die emotionalen Ausschläge rund um Arminia manchmal ein bisschen zu extrem, Herr Mutzel? Diese emotionale Bewertung von Außen können wir ja nur bedingt steuern. Für uns geht es darum, Spielleistungen und Ergebnisse zu analysieren und richtig einzuordnen. Es geht im Umfeld von Traditionsklubs schnell hoch, allerdings auch sehr schnell runter. Diese Extreme in der Bewertung gehören einfach auch dazu, damit müssen wir zurechtkommen. Wir sollten nach den jüngsten beiden Resultaten nicht alles schlecht machen. Was zusammenfassend bleibt, ist, dass ich zufrieden mit den Leistungen und dem Auftreten unserer Mannschaft in der Hinrunde bin. Das gilt es zu festigen und in der Rückrunde bestenfalls noch ein paar Prozent draufzulegen. Dann gucken wir, wo wir am Ende stehen. Gilt dieses Hinrundenfazit unabhängig vom Ergebnis der Partie am Sonntag in Mannheim? Ja, denn wir betrachten in der Analyse längere Zeiträume und nicht bloß ein oder zwei Spiele. Man muss die gesamte Entwicklung sehen. Es gibt aus meiner Sicht überhaupt keine negative Tendenz. Wenn uns vor der Saison jemand gesagt hätte, dass wir uns nach der Hinrunde im vorderen Tabellendrittel festgesetzt haben und im DFB-Pokal-Viertelfinale stehen, wären wir damit absolut einverstanden gewesen. Sind die Erfolge im DFB-Pokal für Arminia ausschließlich ein Segen oder auch ein wenig ein Fluch? Die sind ausschließlich ein Segen. Das heißt, es gibt in Ihren Augen durch die Zusatzbelastung keinerlei negative Auswirkungen auf den Ligabetrieb, zum Beispiel in puncto Bein- und Kopfmüdigkeit? Nein, wir haben einen breiten Kader, können Spieler wechseln und unser System anpassen. Mich freuen die Ergebnisse im DFB-Pokal sehr. Das ist eine Belohnung für die harte Arbeit, die Mannschaft und Trainerteam in den letzten Monaten geleistet haben. Man merkt immer schon zwei Tage vor den Pokalspielen, dass das Kribbeln beginnt. Der ganze Verein freut sich schon auf den Pokal-Abend Ende Februar gegen Werder Bremen, ohne dass wir auch nur ein Prozent weniger fokussiert auf die Liga sind. Das sehen wir nicht als Last, sondern als tolle Chance, uns auf nationaler Bühne zu zeigen. Das ist großartig. Wir stehen verdient im Viertelfinale. Wir haben in diesem Wettbewerb Spiele gegen Erstligisten auf Augenhöhe gezeigt. Die Partie gegen Bremen wird eine riesige Herausforderung, aber wir wollen gewinnen, das ist klar. Arminia hat im Pokal gezeigt, dass man mit höherklassigen Teams mithalten und sie sogar besiegen kann. Lässt Sie das zuversichtlich auf eine mögliche Zukunft in der 2. Liga blicken? Wir verfügen über einen sehr jungen und entwicklungsfähigen Kader und wissen: Wenn es um Arbeit, Fleiß und Intensitäten geht, hätten wir auch in der 2. Liga eine absolut wettbewerbsfähige Mannschaft. Für uns sind die Pokalpartien Mega-Highlightspiele, in denen unsere Profis vielleicht noch einmal über sich hinauswachsen. Aber wenn man das jede Woche abrufen muss und regelmäßig auf so starke Gegner trifft, ist das eine deutlich größere Herausforderung. Trotzdem bin ich mir sicher, dass wir auch diese Herausforderung schaffen könnten. Über weite Strecken der Hinrunde war das Verteidigen Arminias Paradedisziplin. Zuletzt gab es jedoch sechs Gegentore in 180 Minuten. Gegen Rostock (1:2), Dresden (0:3) und Unterhaching (3:3) unterliefen uns einige individuelle Fehler, die gnadenlos bestraft wurden. Deshalb haben wir mehr Gegentore bekommen. Das können wir richtig einordnen. Allerdings haben wir auch mehr Tore erzielt. Das eine bedingt auch immer ein wenig das andere. In der zweiten Hälfte der Vorrunde wurde unser Offensivspiel besser, was sich an der Zahl der erzielten Treffer ablesen lässt (neun erzielte Treffer in den ersten neun Spielen, 15 in den folgenden neun Spielen). Lesen Sie auch: Die Defensive schwächelt: Arminia Bielefelds Prunkstück bekommt Kratzer Wir haben auch deshalb wenig Gegentore kassiert, weil die Offensivspieler sehr viel Defensivarbeit verrichten müssen. Dieser Fleiß in der Arbeit gegen den Ball ist Trainer Mitch Kniat sehr wichtig und zeichnet uns aus meiner Sicht auch aus. Und ich bin überzeugt, dass wir uns auch im Offensivspiel noch weiterentwickeln werden. Wir arbeiten als Team daran, dass wir insgesamt mehr Tore schießen und dabei unsere Defensivqualität auf einem hohen Niveau halten. Stürmer Jeredy Hilterman wurde zuletzt wegen eines Infekts ausgebremst. Ist die langwierige Fußproblematik, wegen der er zuvor monatelang außen vor war, bei ihm komplett behoben? Ja und ich hoffe, dass es so bleibt und er mal vier, sechs oder acht Wochen am Stück trainieren kann. Wie groß ist Ihre Zuversicht, dass er und auch Noah Sarenren Bazee nach der kurzen Winterpause körperlich stabiler und damit verlässlicher zurückkehren werden? Wir arbeiten daran, dass es so kommt. Für beide war es keine einfache Hinserie. Aber es ist schwer, mit dem Finger zu schnipsen und zu sagen: Du bist jetzt wieder bei einhundert Prozent. Deshalb müssen wir beide behutsam aufbauen und wieder an ihr Top-Level führen. Natürlich müssen die Jungs auch Einsatz und Leistung im Training anbieten und mehr machen, da sie mehrere Monate Mannschaftstraining verpasst haben. Wir schaffen als Verein den bestmöglichen Rahmen und unterstützen die beiden. Wenn bei beiden die körperliche Verfassung noch immer gewisse Unwägbarkeiten mit sich bringt, wäre es dann nicht sinnvoll, den Kader im Winter noch einmal zu verstärken? Wenn wir glauben, dass wir den Kader im Rahmen unserer wirtschaftlichen Möglichkeiten noch zusätzlich verstärken können, werden wir das versuchen. Im Winter ist das grundsätzlich schwieriger als im Sommer. Trotzdem sind wir am Transfermarkt aktiv und es kann immer sein, dass die ein oder andere Tür aufgeht. Andersherum ist es so, dass der ein oder andere Spieler eventuell unzufrieden mit seiner Situation ist. Wenn dem so sein sollte, dann hören wir uns das an. Wir haben aber überhaupt keinen Druck, da wir mit unserem Kader sehr zufrieden sind. Kaito Mizuta und Nassim Boujellab spielten zuletzt keine Rolle mehr. Sind sie Kandidaten für einen Wechsel? Wir werden keinen Spieler wegschicken. Aber wenn ein Spieler unzufrieden ist, kommt er wahrscheinlich auf mich zu. Lesen Sie auch: Aufstellung bei Arminia Bielefeld: Über diese Spieler wird jetzt diskutiert Wie reagieren die beiden auf ihre Situation? Beide verhalten sich absolut professionell, trainieren gut und versuchen, sich wieder ins Team zu spielen. Das erwarte ich auch von einem Fußballprofi. Inwieweit hat sich der Spielraum durch die außerplanmäßigen Einnahmen im DFB-Pokal verändert? Auch mit dem Einzug ins Viertelfinale ist es in der 3. Liga ein finanzieller Drahtseilakt und wir müssen uns jede Investition genau überlegen. Natürlich verschaffen uns die Pokaleinnahmen ein wenig Luft. Wir können aber nicht mit der Schubkarre herumlaufen und nach Belieben Geld ausgeben. Der Job unseres kaufmännischen Geschäftsführers Christoph Wortmann und mein Job ist, genau abzuwägen, was geht und was nicht. Fakt ist, dass wir durch die Altlasten aus den vergangenen Jahren immer noch keinen großen Spielraum für Investitionen haben. Für den von Hannover 96 ausgeliehenen Marius Wörl läuft es in dieser Saison richtig gut. Wie sehen Sie die Chancen, ihn fest zu verpflichten? Er hat sich super entwickelt und sich durch gute Leistungen einen Stammplatz erspielt. Auch in seiner Persönlichkeit hat er sich in den vergangenen eineinhalb Jahren extrem entwickelt. Er selbst hat schon mehrfach gesagt, dass er sich bei uns in Bielefeld sehr wohlfühlt. Wir würden ihn gerne dauerhaft hierbehalten und werden alles versuchen, um dies möglich zu machen. Allerdings ist er nach wie vor Spieler von Hannover 96 und es liegt nur bedingt in unseren Händen. Medien berichten, dass Arminia eine Kaufoption besitzt und Wörl für eine Million Euro fest verpflichten könnte? Vertragsinhalte werde ich nicht preisgeben. Nur so viel: Dass wir als Drittligist eine derartige Ablösesumme bezahlen werden, schließe ich kategorisch aus. Mit den Zusatzeinnahmen im DFB-Pokal ließe sich auch der eigene Nachwuchs stärken. Sie hatten im vergangenen Jahr bereits die Wiedereinführung einer U21 ins Spiel gebracht. Wie ist diesbezüglich der Stand? Auch hier müssen wir abwägen, ob und wie wir eine U21 finanzieren könnten. Es ist klasse, dass wir mit Daniel Sumbu, Justin Lukas und Max Lippert drei Jungs aus dem eigenen Nachwuchs mehr oder weniger regelmäßig bei den Profis mit dabei haben. Wir merken aber, dass den Jungs Spielpraxis auf Herrenniveau fehlt. Deshalb wäre eine U21 als letzte Ausbildungsmannschaft strategisch absolut sinnvoll. Sie muss sich aber auch über einen längeren Zeitraum wirtschaftlich darstellen lassen. Heißt das, dass sich eine U21 erst dann umsetzen ließe, wenn Arminia in die 2. Liga aufsteigt? Ich würde es nicht ganz so kategorisch formulieren. Aber klar ist, dass sich das Vorhaben im Zweitligafall einfacher realisieren ließe. Sie haben Daniel Sumbu, der zuletzt auch kurze Einsatzzeiten bekommen hat, bereits erwähnt. Welche Perspektive hat er bei Arminia? Eine sehr gute. Sein Spielerprofil ist für unsere Flügelposition extrem stimmig. Er ist gegen den Ball gut, er ist athletisch sehr gut, ist fleißig und hat einen gewissen Torriecher. Man darf mit 17 Jahren noch nicht zu viel von ihm erwarten, es macht aber schon jetzt Spaß, seine Entwicklungsschritte zu beobachten. Lesen Sie auch: Mit Dynamik und Tempo: Arminia-Talent Sumbu deutet sein Potenzial an Sie haben im Oktober die Verträge mit dem gesamten Trainerteam verlängert. Mit Torwarttrainer Steffen Süßner jedoch nicht. Warum? Das war keine inhaltliche, sondern eine zeitliche Frage. Beide Seiten haben da keinen Stress. Die Gespräche mit ihm laufen und ich bin sehr zufrieden mit seiner Arbeit. Herr Mutzel, Sie sind in Bayern aufgewachsen, was haben anderthalb Jahre Arminia und Ostwestfalen mit Ihnen gemacht? Der Zeitpunkt, zu dem ich gekommen bin, war extrem schwierig, weil nach den zwei Abstiegen 2022 und 2023 im Umfeld noch viel Enttäuschung und Negativität vorhanden waren. Diese anspruchsvolle Situation gemeinsam gemeistert zu haben und jetzt in einem deutlich stabileren Umfeld arbeiten zu dürfen, fühlt sich sehr gut an. Ich glaube, dass der Verein – unabhängig von meiner Person – wieder auf einem richtig guten Weg ist. Ich bin seit dem ersten Tag zu einhundert Prozent motiviert und versuche, das jeden Tag vorzuleben. Mussten Sie sich an OWL und Bielefeld gewöhnen? Und haben Sie sich die Aufgabe vielleicht sogar auch ein wenig einfacher vorgestellt? Ja, schon. Ich habe das, was in den beiden Jahren vor meinem Start geschehen ist, nicht so richtig greifen können. Die Unruhe im Stadion und die Trainer-raus-Rufe in der vergangenen Saison kamen für mich schon überraschend. Im Nachhinein betrachtet waren das noch die Nachwehen aus diesem Doppel-Abstieg. Ich war aber trotzdem auch immer davon überzeugt, dass wir diese Phase gemeinsam durchstehen werden und wieder in die Spur kommen, denn Zusammenhalt war zu jeder Zeit spürbar. Inzwischen habe ich einen umfassenden Blick auf das Ganze, bin angekommen und mag die Fußballstadt Bielefeld sehr. Der Klub hat eine unheimliche Kraft für die ganze Region. Überall zu sehen, dass Arminia den Leuten wichtig ist, ist gut. Dass die vielen Fans stolz auf Ihren Verein sind, treibt mich an. Wie nehmen Sie den Blick, den Leute außerhalb Ostwestfalens auf Arminia haben, wahr? Ich habe das Gefühl, dass der Verein von außen sehr positiv wahrgenommen wird. Die Pokalerfolge haben uns auch national wieder sichtbar gemacht. Wir dürfen uns nur nicht von innen unnötig zu viel Druck machen. Entwicklung braucht Zeit. Und leider gehören auch immer wieder Rückschläge dazu. Trotzdem sehe ich uns auf dem richtigen Weg. Haben Sie das Gefühl, dass Ihre eigene Arbeit in der Wahrnehmung zu schlecht wegkommt? Ich bin nicht der Typ, dem Bestätigung von Außen wichtig ist. Ich freue mich, wenn wir aktiven, mutigen und erfolgreichen Fußball spielen, sich alle in unserem Team wohlfühlen und sich zu einhundert Prozent mit Arminia identifizieren. Das Gefühl habe ich im Moment und das fühlt sich gut an. Sie sind ein sehr besonnener, sachlicher, analytischer Typ. Gibt es auch mal Momente, in denen Sie mal so richtig aus der Haut fahren? In meiner Position ist es sicher nützlich, seine Emotionen unter Kontrolle zu haben. Ein respektvoller Umgang ist mir in jedem Moment wichtig. Ich bin ein Gerechtigkeitsmensch. Wenn ich das Gefühl habe, es wird ungerecht, muss ich mich schon auch mal ein bisschen bremsen. Darum tue ich mich schwer mit den Schiedsrichter-Fehlentscheidungen, insbesondere wenn sie spielentscheidend sind. Wichtig ist, dass man solche Dinge dann nicht mit nach Hause und vor allem nicht persönlich nimmt.

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