Aus Aachen zum Arminia-Casting: Wie Samir Arabi 2011 nach Bielefeld wechselte

Bielefeld. Im Frühjahr 2011 war die Lage bei Arminia Bielefeld hoffnungslos – sowohl finanziell als auch sportlich. Der Pleitegeier kreiste im Tiefflug über der Alm. Das Wort Insolvenz machte bei den Verantwortlichen die Runde. Mit 13 Punkten Rückstand auf den rettenden Tabellenplatz 15 erschien der Klassenerhalt für das Schlusslicht der 2. Bundesliga so unrealistisch wie ein Millionengewinn im Lotto. Trotz dieser Weltuntergangsstimmung gab es Menschen im Verein, die die Zukunft Arminias in die Hand nahmen. Detlef Echternkamp, im Vorstand für besondere Aufgaben zuständig, sein Kollege Hans-Jürgen Laufer (zuständig für die Abteilungen) sowie Geschäftsführer Ralf Schnitzmeier bildeten die Findungskommission, um einen neuen Sportdirektor nach dem Abstieg für die 3. Liga zu benennen. Da Arminia zum damaligen Zeitpunkt aufgrund beschriebener Problemfelder nicht gerade die beste Adresse im deutschen Fußball war, gestaltete sich die Suche nach einem Kandidaten als schwieriges Unterfangen. Der Sichtungsprozess verlief aus damaliger Arminiasicht überraschend geräuschlos. Die Medien tappten tagelang im Dunklen. Am Mittwoch, den 23. März 2011, so die Recherchen der Bielefelder Zeitungen, sollte das Casting stattfinden. Arminia hat drei Kandidaten im Auge Drei Kandidaten, so hatte der Verein am Vormittag durchblicken lassen, sollten sich für den Job des Sportlichen Leiters vorstellen. Ex-Nationalspieler Ronald Maul (damals 38 Jahre alt), von 1995 bis 2000 Profi bei Arminia Bielefeld, war der Bewerber mit Stallgeruch. Als Teammanager des Drittligisten Rot Weiss Ahlen galt er als exzellenter Kenner der künftigen Bielefelder Spielklasse. Kandidat Nummer zwei, Stefan Studer, wurden als Chefscout des FC St. Pauli ebenfalls gute Chancen eingeräumt. Beim Casting tauchte er jedoch nicht auf. Später wurde bekannt, dass Studer dem Bewerbungskomitee eine Absage erteilt hatte. Seine Frau hatte sich gegen einen Umzug nach Ostwestfalen ausgesprochen. Lesen Sie auch: Samir Arabi bei Arminia Bielefeld: Zwischen Drama und Bundesliga-Traum Kandidat Nummer drei war der große Unbekannte. Es handle sich um einen 32 Jahre alten Deutschen mit ausländisch klingendem Namen, hatte Detlef Echternkamp am Morgen verraten. Und wenig später seinen Namen dann doch noch preisgegeben: Samir Arabi. Selbst die Suchmaschine Google lieferte nur spärliche Informationen zu seiner Person. Arabi beeindruckt mit seiner Bewerbung Samir Arabi war 32 Jahre alt und seit drei Jahren als Chefscout bei Alemannia Aachen tätig. Sein bevorzugtes Jagdrevier bei der Suche nach zweitligatauglichen Talenten für die Aachener sei die 3. Liga gewesen. Fotos des gebürtigen Aacheners lagen nicht vor. &bdquo;Arabi sei uns empfohlen worden“, sagte Echernkamp. Den ersten telefonischen Kontakt hatte Geschäftsführer Schnitzmeier hergestellt. Drei Journalisten und drei Fotografen fanden sich am späten Nachmittag vor dem VIP-Eingang der Schüco-Arena ein, um die Bewerber in Empfang zu nehmen. Dort hatten sich die DSC-Verantwortlichen um Präsident Wolfgang Brinkmann versammelt. Gegen 17.30 Uhr betrat ein unbekannter junger Mann in grau melierter Jacke und hellgrauem Pullover das Geschehen. &bdquo;Sind Sie Herr Arabi?“, fragte der Fotograf dieser Zeitung den Unbekannten. Er nickte kurz und setzte seinen forschen Gang zum Ort des Bewerbungsgesprächs fort. Die Kameras klickten. Samir Arabi setzte zu einem Blick an, der in den Jahren danach stilprägend für ihn werden sollte: Mit abgewendetem Kopf und ernstem Blick reagierte er auf das öffentliche Interesse. Lesen Sie auch: Samir Arabi: &bdquo;Nur wenige kennen mich wirklich“ Arabis Bewerbungsvortrag muss eindrucksvoll gewesen sein. Statt der angesetzten Zeit von einer halben Stunde für die Konzept-Präsentation verließ der Kandidat erst nach 90 Minuten den VIP-Bereich. &bdquo;Wir haben Stillschweigen vereinbart“, lautete sein einziger Kommentar, ehe er zu Fuß zum Bahnhof eilte und mit dem Zug nach Aachen fuhr. Arabi bleibt bis März 2023 bei Arminia Ronald Mauls Auftritt verlief geräuschloser. Es war die Folge eines Lernprozesses der Casting-Jury. Sie hatte aus dem Fenster Arabis Ankunft unter medialer Wahrnehmung beobachtet. Dieser Rummel sollte Maul erspart bleiben. In einem Mercedes dunkler Farbe fuhr man ihn zur gegenüber liegenden Stadionseite und führte ihn über den Almrasen zum VIP-Raum. Pech für die Fotografen bei diesem Versteckspiel. Am Ende eines langen Abends sprach Präsident Brinkmann von &bdquo;zwei kompetenten Vorstellungen“. Die Entscheidung werde uns nicht leicht gemacht, sagte Detlef Echternkamp. Ein Anruf bei Aachens Sportdirektor Erik Meijer bekräftigte einen Tag später letztlich den gewonnenen Eindruck der Juroren. Meijer hatte Arabi ein erstklassiges Zeugnis ausgestellt. Und weitere 24 Stunden später lag der einstimmige Beschluss der Vereinsgremien vor, Samir Arabi als neuen Sportlichen Leiter zu verpflichten. Mit Leitsätzen wie &bdquo;Die Schnellen fressen die Langsamen“ hatte Arabi Arminias Entscheidungsträger überzeugen können. Lesen Sie auch: Urteil: Arminia muss Samir Arabi Prämien nachzahlen Arabi blieb 4.357 Tage im Amt, ehe er im März 2023 als Geschäftsführer freigestellt wurde. Ob er an diesem Samstag das Spiel von Alemannia Aachen in der Schüco-Arena live verfolgen wird, gilt als unwahrscheinlich. Detlef Echternkamp ist 2018 nach Südafrika ausgewandert. Er gründete eine Immobilienverwaltung und lebt in der Nähe von Kapstadt. Ralf Schnitzmeier schult heute als Business-Coach Führungskräfte. Hans-Jürgen Laufer war von 2013 bis 2021 Arminias Präsident. Heute ist er Schatzmeister der Traditionsabteilung.

Meistgelesen