Bis zu einhundert Prozent Preissteigerung: Was der Streamingdienst DAZN seinen Nutzern am Dienstag präsentiert hat, muss man sich erst einmal trauen. Die Zeit, teuer erkaufte TV-Rechte mit Dumpingpreisen zu verscherbeln, ist vorbei. Statt Wachstumsstrategie muss das Geschäftsmodell nun Geld abwerfen. Und damit zu beginnen, solange etliche Fans gar nicht die Alternative haben, ins Stadion zu gehen, ist ein auf hintertückische Art cleverer Schachzug.
Dass dafür ein derartiger, für Kunden nach Abzocke anmutender Preissprung nötig ist, sagt viel aus über die Kalkulation und den Wettbewerb der Branche. 1,1 Milliarden Euro nehmen die Profiklubs der Bundesligen derzeit pro Saison mit Fernseh- und Streaminggeldern ein, verteilen es zum Großteil direkt weiter an ihre Stars. Geld, das erstens irgendwie beschafft werden muss und sich zweitens möglichst weiter vermehren soll. Raffsüchtiges Musterbeispiel ist die englische Premier League, die - allen voran durch ihre internationale Beliebtheit - sogar 3,4 Milliarden Euro erlöst.
Mittelmäßiges Gesamtpaket zum viel teureren Preis
Preise von 60 Euro und mehr pro Monat werden für Fans bald zur Regel, wollen sie alle Erstligaspiele sehen. 30 Euro je Monat sind es für drei Bundesliga-Partien pro Wochenende bei DAZN - das ist happig. Tarife, an die sich gewöhnen muss, wer es kann. Und will. Viele andere dürften sich verabschieden.
Denn den Rechteinhabern gehen - zumindest in Deutschland - die Argumente für ihr Premium-Produkt flöten: Ein Titelkampf ist hierzulande seit einem Jahrzehnt nicht existent, das sportliche Niveau überschaubar. Und das Teilnehmerfeld - Arminia-Fans bitte weghören - in der Gesamtheit unattraktiv wie lange nicht. Viel zu viel Plastik schwimmt im fußballerischen Ozean mit.
Vielleicht genügt dieses mittelmäßige Paket derzeit noch, um eingefleischte Fans zu halten. Wen aber zieht diese Liga neu in den Bann? Wo ist die Leistung, das Spektakel, das für diesen Preis erwartet werden darf?
"Fürth gegen Bielefeld zieht eben nicht"
Es sind ja Probleme, die sich der Sport über viele Jahre lang - bezeichnenderweise maßgeblich durch die Verteilung der TV-Millionen - selbst geschaffen hat. Das Ergebnis ist viel Vorhersehbares. Regelmäßige Ausnahmen bilden ausgerechnet die Duelle der Schwächsten, der Abstiegskampf. Hier aber tummeln sich Klubs, die von Sendeanstalten wie DAZN gar nicht gewollt sind. "Fürth gegen Bielefeld zieht eben nicht", wird ein anonymer Mitarbeiter in der Süddeutschen Zeitung zitiert. Wirklich zu ärgerlich, dass es auch solche Vereine gibt.
Vielleicht ist der Gipfel des Geldflusses im Fußball vor der Corona-Pandemie erreicht worden, vielleicht steht die nächste Stufe auch erst bevor. Die Abonnenten entscheiden mit: Ist ihnen Live-Fußball die Preissteigerung wert? Es wird ja kaum die letzte gewesen sein. Oder genügen vielleicht doch das Radio, die Samstagabend-Zusammenfassung und das Stadionerlebnis?
Das einzige wirkungsvolle Gegenmittel, was Fußballfans in dieser Debatte bleibt, ist letztlich auch das Schmerzhafteste: der Verzicht.