Ex-Arminia-Torwart Gößling: "Die Aufgabe bei RB Leipzig erfüllt mich"

Bielefeld. Wenn Arminia am Samstag zum Bundesliga-Spiel bei RB Leipzig antritt, dann bekommt es der Aufsteiger zumindest indirekt auch mit einem gebürtigen Bielefelder zu tun. Frederik Gößling (43) aus dem Ortsteil Jöllenbeck hütete von der C-Jugend bis zu den Profis das DSC-Tor und ist seit Sommer 2015 als Torwarttrainer bei den Sachsen tätig. Vor dem Duell mit seinem Ex-Verein hat nw.de mit "Freddy" gesprochen. Pure Leidenschaft Als Sechsjähriger ging Gößling beim TuS Jöllenbeck zum ersten Mal zum Training. Und sagte gleich: "Ich möchte ins Tor." Seit 37 Jahren beschäftigt Gößling sich also mit dieser Position, Langeweile kommt trotzdem nicht auf. Im Gegenteil: So, wie das Torwartspiel immer komplexer geworden ist, wuchsen auch Gößlings Leidenschaft und Faszination stetig. "Mit den Torhütern auf dem Platz zu stehen, in die Videoanalyse zu gehen, mir andere Keeper anzuschauen und zu überlegen, was man sich abgucken kann, Talente im Blick zu haben, das flasht und erfüllt mich." Ostersonntag im Tor Gößling war bei seinem ersten Alm-Besuch im März 1985 sieben Jahre alt. Er sah Wolfgang Kneib im Arminia-Tor und auf der Gegenseite Toni Schumacher. Bielefeld besiegte Köln 1:0, und fortan stand er regelmäßig mit Arminia-Schal auf der Tribüne. Es dauerte nicht lange, bis das Talent selbst zum DSC wechselte. Später rückte Gößling in den Profikader und spielte sonntags für die zweite Mannschaft. An den 23. April 2000 kann er sich noch gut erinnern. An diesem Ostersonntag bestritt er in dem Stadion, in dem er 15 Jahre zuvor erstmals Arminia gesehen hatte, sein einziges Bundesliga-Spiel. Georg Koch hatte den DSC in der Winterpause verlassen, auch Zdenko Miletic und Marc Ziegler standen nicht zur Verfügung. So stellte Trainer Hermann Gerland das Eigengewächs ins Tor. Eine gute Entscheidung, Arminia besiegte Unterhaching, ebenfalls mit 1:0. "In der Nacht davor habe ich gut geschlafen", erinnert sich Gößling, "in der Nacht danach aber gar nicht." So viele Eindrücke und Emotionen - Freddy lag wach. Und spielte am nächsten Tag trotzdem gleich noch mal. Für die zweite Mannschaft nämlich, mit der er in dieser Saison den Aufstieg in die Verbandsliga perfekt machte. Über Arminias Bundesliga-Rückkehr vor wenigen Monaten "habe ich mich extrem gefreut und als die Termine herauskamen gleich geguckt, wann es soweit ist". Zur aktuellen Lage des abstiegsbedrohten DSC mit sechs Niederlagen in Folge sagt er: "Arminia ist vom Spielplan wahrlich nicht geküsst, und es ist für einen Aufsteiger besonders bitter, ohne Zuschauer spielen zu müssen. Ich glaube trotzdem, dass sie den Klassenerhalt schaffen können." Trainer statt Anwalt Parallel zur eigenen Laufbahn studierte Gößling in Bielefeld und Hamburg Jura. Er legte beide Staatsexamina ab und absolvierte das Referendariat. "Ich wollte nicht mit 35 dastehen und mich fragen müssen: Was jetzt?", sagt er. Gößling schwebte eine berufliche Tätigkeit mit dem Schwerpunkt Sportrecht vor. In einer Kanzlei, einer Agentur, einem Verband oder Verein. Dann aber erreichte ihn ein Anruf von seinem früheren Verler Mitspieler Roger Schmidt, damals Trainer des SC Paderborn und auf der Suche nach einem Torwarttrainer. Gößling sagte zu und ist bis heute "happy, diese Entscheidung getroffen zu haben". Über den SCP ging es für ihn zur Spvgg Greuther Fürth und weiter nach Leipzig. Innovatives Umfeld Gößling begreift sich in seiner Arbeit als Torwarttrainer bei Rasenballsport Leipzig als "Schnittstelle", weil er sich im ständigen Austausch mit Kollegen befindet, etwa mit Sportpsychologen, Athletiktrainern, Scouts und Kaderplanern. Immer mit dem Ziel, Top-Leistungen auf der Torhüterposition zu ermöglichen. Reizvoller Nebeneffekt: Umgeben von "vielen jungen, hungrigen und innovativen Leute", hat er die Möglichkeit, seine eigene Arbeit immer weiter zu verbessern. "Wenn man gut aufpasst, kann man hier sehr viel lernen", erzählt er, "und das führt dazu, dass ich die Dinge nicht immer gleich und noch so mache wie zu der Zeit, als ich als Torwarttrainer angefangen habe." Gößling weiß es zu schätzen, Teil eines Klubs zu sein, der eine so atemberaubende Entwicklung genommen hat und noch immer nimmt wie kaum ein anderer zuvor. 2016 erstmals in die Bundesliga aufgestiegen, stand Leipzig zuletzt im Halbfinale der Champions League. "Das hat viel mit harter Arbeit und wenig mit Zufall zu tun", sagt er. Stürmer Nagelsmann Gößling arbeitete bei RB zunächst mit den Cheftrainern Ralf Rangnick und Ralph Hasenhüttl, seit Juli 2019 besetzt Julian Nagelsmann diesen Posten. Am 33 Jahre alten und damit jüngsten Bundesliga-Trainer schätzt er nicht nur dessen "klaren Plan", wie das Team Fußball spielen soll. "Julian lässt mir viele Freiheiten und ist trotzdem sehr daran interessiert, was bei uns Torhütern passiert", berichtet Gößling. Nagelsmann schaut sich das Training der vier Profi-Keeper häufig selbst an, weil der mitspielende Torhüter ähnlich wie bei Arminia ein wichtiger Bestandteil seiner Idee ist. Der Chefcoach lässt sich vom Torwarttrainer gern auch mal als zentraler Stürmer oder Flankengeber in Übungen einbauen. Außerhalb des Platzes sei er &bdquo;sehr lebensfroh, energiegeladen und empathisch". Professionelles Verhältnis Bayern Münchens Manuel Neuer, Liverpools Alisson Becker und Atletico Madrids Jan Oblak sind für Gößling die besten Torhüter der Welt. Leipzigs Nummer eins Peter Gulacsi liegt nicht allzu weit dahinter, Gößling hat aus dem 30-jährigen Ungarn, der ebenfalls 2015 zum Klub kam, einen Keeper auf bestem Bundesliga-Niveau gemacht. "Es steckt bei Pete viel harte Arbeit dahinter, außerdem viele, auch mal schlechte Erfahrungen, mit denen er auf seinen vorherigen Stationen umgehen musste", sagt er. Das Verhältnis zu Gulacsi und den weiteren RB-Keepern beschreibt Gößling so: "Es ist vertrauensvoll und auch mal lustig, aber professionell. Wir sind nicht beste Freunde." Über DSC-Keeper Stefan Ortega Moreno sagt er: "Stefan hat eine erstklassige Aufstiegssaison gespielt und ist für den spielerischen Ansatz der Arminia genau der richtige Torwart." Kritik lässt nach Ein Vereinskonstrukt ohne Tradition und Seele, das als Marketing-Instrument des österreichischen Unternehmens Red Bull dazu dient, möglichst viele Energydrinks zu verkaufen: So in etwa lautet meistens die Kritik an RB Leipzig. Gößling kennt die Debatte natürlich, er findet sie aber weder gerechtfertigt noch spannend. "Wenn ich morgens auf den Platz gehe, frage ich mich nicht, wie lange es den Verein schon gibt", sagt er, "sondern: Wie bringe ich die Torhüter in Bestform?" Ablehnung durch Aktionen wie vor fünf Jahren, als gegnerische Fans den Mannschaftsbus mit Dollarscheinen bewarfen, erlebt das Team immer seltener. "Es ist durch unsere Arbeit und die Erfolge deutlich ruhiger geworden", erzählt er, "es gibt schon eine Menge Menschen, die es schätzen, dass der Verein seine Mittel clever einsetzt und es geschafft hat, zu den besten Klubs in Deutschland zu zählen und die Bundesliga auch international zu repräsentieren." Lebenswertes Leipzig Gößling lebt mit seiner Frau Sophie und den beiden Söhnen (3 Jahre, sieben Monate) im Musikviertel, einem zentral gelegenen und doch ruhigen Quartier Leipzigs. Die Wege zum Trainingszentrum am Cottaweg, das sich direkt am Stadion befindet, und zum Kindergarten sind angenehm kurz. Trotz ihrer rund 600.000 Einwohner sei die Stadt schön überschaubar, findet Gößling. In der sächsischen Metropole hat die Familie einen kleinen Freundeskreis und fühlt sich richtig wohl.

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