Fußball-Bundesliga

Kommentar: Wie der Fußball wieder in den Hintergrund gedrängt wird

Für die Corona-Pandemie kann die Bundesliga nichts. Doch Fußball wird während der sich auftürmenden zweiten Pandemiewelle für viele Menschen immer unwichtiger. Der Schaden ist nicht abzusehen.

Die Fußball-Bundesligen sind zurück im Normalbetrieb - zumindest auf dem Papier. | © imago images

Jan Ahlers
28.10.2020 | 28.10.2020, 09:10

Nimmt Sie der Fußball in diesen Tagen noch mit? Denken Sie ein paar Augenblicke darüber nach. Erinnern Sie sich an die Zeit vor Corona. Welche Emotionen ruft der Volkssport, gestraft durch Spiele ohne Publikum und die so erzwungene Distanz zu seinen Fans, bei Ihnen aktuell noch hervor?

Der Corona-Trott, in dem der Fußball und seine Fans gelandet sind, stellt niemanden zufrieden. Geisterspiele sind das sportlich größtvorstellbare Elend. Und seien wir ehrlich: Auch teilausgelastete Stadien mit Gästefan- und teils sogar Gesangsverbot lösen das Dilemma doch nicht. Der fehlende Zuspruch, der an vielen Standorten zuletzt beobachtbar war, spricht Bände. Ein steriler Stadionbesuch, der nicht nach Bratwurst und Bier riecht, sich nicht nach Triumph und Desaster anhört und triste Blicke auf leere Tribünen beschert, wird niemals als Ersatzprodukt für das gewohnte Fußballerlebnis taugen.

Jubel, Emotionen? Gegenwärtig ist da nichts

Vermisst wird die ganze emotionale Vielfalt, das Auf und Ab, das Zittern, das Bibbern, das Jubeln. Das Gefühl, nach einem erlösenden Siegtreffer mit wildfremden Personen zu feiern. Selbst die, die lieber vor dem Fernseher schauen, sehnen sich danach, solche Emotionen am Bildschirm zu spüren. Doch gegenwärtig ist da nichts. Das gilt für viele andere Sportarten in ähnlicher Weise.

Die Faszination schwindet mit jeder weiteren Woche, in der die Corona-Pandemie den Normalzustand verhindert. Anfangs wirkten die Klubs kreativ entgegen, es schwang Optimismus mit, die Krise schnell überwinden zu können. Jetzt müssen sie tatenlos zusehen, wie abermals steigende Corona-Zahlen den Sport für weitere Wochen, eher Monate in die zweite Reihe drängen. Fans verdrängen den Stadionbesuch aus ihrem Alltag. Samstags gibt es vielfach längst andere Rituale, als ein Fußballspiel zu sehen.

Die vollen Stadien haben die Bundesliga erst so attraktiv gemacht. Doch er ist auch Ausdruck sorgenfreier Menschen, nicht der einer Gesellschaft, die sich mit Mühe gegen eine Ausnahmesituation wehrt. Genau deshalb – und aufgrund der schweren Nachverfolgbarkeit potenzieller Infektionsketten, die gerade bei der Anreise entstehen – wäre es nun auch ein falsches Zeichen, die Inzidenz-Grenzwerte zu ändern mit dem Ziel, eine Teilöffnung wieder zu ermöglichen.

Vereine schotten sich ab, Distanz wächst rapide

Spürbar ist: Bei vielen Menschen in unserer Region, so sehr sie ihren Klub von Arminia bis zum BVB herzen, dominieren derzeit andere Sorgen. Je rascher die Corona-Zahlen steigen, je höher sie klettern, desto weiter rutscht die Fußball-Bundesliga in der Prioritätenliste abwärts. Selbst Amateursportler, die längst einen Saisonabbruch einkalkulieren, fremdeln damit, wie sich die höchsten Ligen im gleichen System vom Schicksal der Freizeitfußballer abkoppeln. Die, die dem Ballsport trotz allem uneingeschränkt die Treue halten, schreckt zudem ab, wie sich Vereine abschotten müssen. Öffentliche Trainings und Testspiele gibt es nicht, von Autogrammstunden und Fanfesten ganz zu schweigen. Die emotionale Distanz wächst rapide.

Fußballvereine bekommen derzeit einen Vorgeschmack, welch zäher Weg zurück zur erhofften Normalität sie erwarten wird. Sie werden in wirtschaftlich angespannter Lage Strategien entwickeln müssen, ihre Fans wieder für sich zu gewinnen und sie wieder zum Stadionbesuch zu motivieren. Gleichzeitig wird sich die Bundesliga nach dem unpopulären Sonderspielbetrieb neu gegenüber Kritikern legitimieren, an ihrer Außendarstellung arbeiten müssen. Ich möchte kein Klubverantwortlicher sein in diesen Tagen.