Sicherheit im Fußball

Politik plant härtere Regeln für Fußballfans – obwohl es weniger Verletzte in Stadien gibt

Die Zahl der Verletzten bei Fußballspielen in Deutschland ist deutlich gesunken. Dennoch sind neue und weitreichende Maßnahmen geplant. Wie die Fans darauf reagieren.

Polizisten stehen im Fußballstadion. In der Saison 2024/25 war die Polizei weniger gefordert als in den vergangenen Jahren. | © picture alliance/dpa

Jan Dresing
13.11.2025 | 13.11.2025, 20:47

Bielefeld. Die Sicherheit in deutschen Fußball-Stadien ist in der vergangenen Saison deutlich gestiegen. Das geht aus dem aktuellen Jahresbericht der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) der nordrhein-westfälischen Polizei hervor. Demnach gab es bei den wichtigsten Parametern – verletzte Personen, Strafverfahren und Polizei-Arbeitsstunden – jeweils einen Rückgang der Zahlen, obwohl mehr Zuschauer in die Stadien geströmt waren als in der Saison davor.

In der Spielzeit 2024/2025 wurden demnach während des Ligaspielbetriebs der ersten drei Ligen 1.107 Menschen verletzt, das ist im Vergleich zur Saison 2023/2024 (1.338) ein Rückgang von 17,2 Prozent. Gleichzeitig verzeichnete die ZIS einen Besucherrekord: 25,26 Millionen Fans kamen zu Bundesliga-, Zweitliga- und Drittliga-Partien – fast vier Prozent mehr als in der Vorsaison. Einschließlich DFB-Pokal, Regionalligen, Länderspielen und Europapokal kletterte die Gesamtzahl der Stadionbesuche auf knapp 33 Millionen.

Die Polizei war trotzdem weniger gefordert: Die von Polizeibehörden eingeleiteten Strafverfahren (4.700) gingen sogar um 24 Prozent zurück. Die Arbeitsstunden der Einsatzkräfte reduzierten sich um rund neun Prozent auf 2,6 Millionen.

Mehr Pyrotechnik in deutschen Fußball-Stadien

Einen deutlichen Anstieg gab es hingegen beim Einsatz von Pyrotechnik. Laut Bericht stieg die Zahl der Verstöße um 73 Prozent auf 4.783 Fälle. ZIS-Leiter Michael Madre forderte Vereine und Veranstalter auf, konsequenter gegen den Missbrauch vorzugehen. „Die Gefahr von Pyrotechnik ist nicht geringer geworden, nur weil es sich in vielen Fällen zunächst um Ordnungswidrigkeiten statt um Straftaten handelt“, wird Madre zitiert. Pyrotechnik bleibt ein Reizthema – für viele Fans Ausdruck lebendiger Fankultur, für Polizei und Politik jedoch ein erhebliches Sicherheitsrisiko.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) zeigte sich trotz der positiven Tendenz kritisch: „Dass in einer Fußballsaison über 1.000 Menschen verletzt werden, ist und bleibt inakzeptabel“, sagte er. Gewalt, Randale und der Missbrauch von Pyrotechnik hätten mit echter Fankultur nichts zu tun. Er forderte Vereine und Stadionbetreiber auf, entschlossener dagegen vorzugehen.

Fans kritisieren eine „verzerrte Darstellung“

Der Dachverband der Fanhilfen wies die Kritik zurück und sprach von einer verzerrten Darstellung. „Die Stadien sind sichere Orte und es gibt keinen Grund für weitere unverhältnismäßige Maßnahmen gegen Fans. Die Zahlen belegen dies erneut eindrücklich“, sagte Danny Graupner vom Dachverband. Die Zahl der Verletzten und Strafanzeigen liege „im Promillebereich“, die Gefährdung bei Volksfesten wie dem Oktoberfest sei ungleich höher.

Dennoch nimmt ein Jahr nach dem Sicherheitsgipfel von Innenpolitik, DFB und DFL die Diskussion um strengere Maßnahmen in deutschen Fußballstadien Fahrt auf. Hintergrund ist der Druck der Politik, „konsequente und wirkungsvolle“ Sicherheitsvorkehrungen umzusetzen – obwohl der aktuelle ZIS-Jahresbericht keine Verschärfung der Sicherheitslage belegt.

Fans von Arminia Bielefeld zünden bei einem DFB-Pokalspiel Pyrotechnik. - © picture alliance/dpa
Fans von Arminia Bielefeld zünden bei einem DFB-Pokalspiel Pyrotechnik. | © picture alliance/dpa

Eine von Hamburg geleitete Arbeitsgruppe erarbeitet derzeit Vorschläge, die Fans und Vereine teils stark kritisieren. Die Arbeitsgruppe kam zuletzt am 16. und 17. Oktober in Heidelberg zusammen, mit Vertretern von Bund und Ländern sowie der DFL und des DFB. Der „Arbeitskreis II - Innere Sicherheit“ liefert dann eine Vorlage für die nächste Innenministerkonferenz vom 3. bis 5. Dezember in Bremen.

Stadionverbote sollen automatisch verhängt werden

Zentraler Streitpunkt ist die Verschärfung von Stadionverboten. Künftig soll ein Stadionverbot automatisch verhängt werden, sobald ein Ermittlungsverfahren gegen eine Person eingeleitet wird – unabhängig vom weiteren Ausgang des Verfahrens. Damit würde der bisherige Ermessensspielraum der Vereine entfallen. Der Dachverband der Fanhilfen warnt vor einem „Gießkannenprinzip“, bei dem auch Unschuldige betroffen wären. Politik und Polizei versprechen sich davon mehr Konsequenz.

Auch interessant: Randale von Hansa-Fans in Paderborn – Polizeibilanz enthüllt brisante Details zum Einsatz

Parallel soll eine neue, übergeordnete Stadionverbotskommission beim DFB entstehen, die eingreifen kann, wenn Klubs zu milde vorgehen. „Die neue Instanz dient als übergeordnete Fachaufsicht, um ein einheitliches, konsequentes, effektives, effizientes und faires Stadionverbotsverfahren zu gewährleisten“, teilte der DFB mit.

Gleichzeitig sollen die lokalen Kommissionen erhalten bleiben – ein Kompromiss, der auf Forderungen der Fanvertreter zurückgeht. „Die lokale Vergabe von Stadionverboten ist ein etabliertes und vor allem erfolgreiches Konzept. Vor Ort können die jeweiligen persönlichen Umstände sowie die tatsächlichen Geschehnisse besser eingeschätzt werden“, teilte der Dachverband der Fanhilfen der Sportschau gegenüber mit.

Streit um personalisierte Tickets und Pyrotechnik

Ein weiterer Konfliktpunkt betrifft personalisierte Tickets. Die Politik, insbesondere Niedersachsen, drängt auf eine flächendeckende Einführung, um Gewalttäter leichter identifizieren zu können. DFB, DFL und Fanorganisationen lehnen das ab: Der organisatorische Aufwand sei enorm, zudem seien durch digitale Tickets viele Eintrittskarten bereits personenbezogen. Fanvertreter sehen darin reine Symbolpolitik ohne Sicherheitsgewinn.

Lesen Sie auch: Pyrotechnik im DFB-Pokalfinale kostet – Arminia Bielefeld muss Strafe zahlen

Auch das Thema Pyrotechnik bleibt umstritten: Die Politik erwartet ein strikteres Vorgehen und eine „Null-Toleranz-Strategie“. DFB und DFL betonen dagegen den Vorrang individueller Sanktionen statt kollektiver Strafen wie Blocksperren.

Fans von Hannover 96 protestieren 2024 gegen den Ausschluss von Gästefans beim Derby gegen Eintracht Braunschweig. - © picture alliance/dpa
Fans von Hannover 96 protestieren 2024 gegen den Ausschluss von Gästefans beim Derby gegen Eintracht Braunschweig. | © picture alliance/dpa

Fans kritisieren Innenminister und fordern mehr Transparenz

Während staatliche Stellen härtere Maßnahmen fordern, mahnen Faninitiativen zur Mäßigung. Mehrere Fanorganisationen haben die Politik in einem offenen Brief für die Arbeit an zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen rund um Fußballspiele kritisiert. „Mit großer Sorge betrachten wir, die bundesweiten Fan-Netzwerke, den von Ihnen eingeleiteten Arbeitsprozess ‚Bund-Länder-offene-Arbeitsgruppe (BLoAG)‘, der zu neuen, weitreichenden Sicherheitsmaßnahmen in Bezug auf Fußballspiele führen soll. Die bisher bekannten Vorschläge und Maßnahmen lehnen wir entschieden ab“, heißt es in dem Brief, der an die Innenministerinnen, Innenminister, Senatorinnen und Senatoren der Länder adressiert ist.

In der Arbeitsgruppe sind laut DFB Vertreter von Politik, Polizei, DFB, DFL und der Koordinationsstelle Fanprojekte vertreten. Entstanden ist die Gruppe, nachdem die Sportminister der Länder vor rund einem Jahr beschlossen hatten, eine bundesweite zentrale Stadionverbotskommission im deutschen Profifußball einzuführen.

Die Fanszene von Arminia Bielefeld zeigt ein Spruchband zum Thema Stadionverbote. - © Friso Gentsch/dpa
Die Fanszene von Arminia Bielefeld zeigt ein Spruchband zum Thema Stadionverbote. | © Friso Gentsch/dpa

Der DFB und natürlich auch die Fans lehnen die in der Arbeitsgruppe diskutierten Maßnahmen ab. Das Stadionerlebnis bewerten Anhänger und Verband – auch mit Blick auf die ZIS-Statistiken der Polizei – als sicher. Die Anhänger kritisierten nun zudem, dass sie in die Diskussionen nicht eingebunden gewesen seien. Zudem forderten sie mehr Transparenz, einen offenen Dialog zur Sicherheitslage und von weiteren Beschlüssen auf der kommenden Innenministerkonferenz Anfang Dezember abzusehen.

Fanvertreter: „Maßnahmen sind Sargnagel für Fankultur“

Der Dachverband der Fanhilfen warnte jüngst vor der Umsetzung drastischer Schritte. „Die im Raum stehenden Maßnahmen sind so weitreichend, dass sie der Sargnagel für die Fankultur in den Stadien wären“, sagte Vorstandsmitglied Lisa Röttig in einer Pressemitteilung.

Seit den Beschlüssen auf dem „Sicherheitsgipfel“ von Politik und Verbänden im Vorjahr habe man „kein einziges stichhaltiges Argument gehört, warum es notwendig sein soll, personalisierte Eintrittskarten, eine zentrale Stadionverbotsvergabe samt neuer Stadionverbotsrichtlinie oder Gesichtsscanner an den Stadiontoren einzuführen“, führte Röttig aus. Der Dachverband fordert eine „faktenbasierte“ Debatte um die Stadionsicherheit unter Einbeziehung von Fans und Vereinen.