Herdecke (dpa). Schon einen Tag vor dem Messerangriff auf sie hat sich die neu gewählte Bürgermeisterin von Herdecke im Ruhrgebiet an die Polizei gewandt. „Wir hatten am Montag zweimal persönlichen Kontakt zu ihr“, sagte ein Sprecher der Polizei im Ennepe-Ruhr-Kreis. Einmal sei sie persönlich auf der Wache in Wetter an der Ruhr vorstellig geworden.
Zu dem konkreten Inhalt ihrer Aussagen könne die Polizei mit Blick auf die nun laufenden Ermittlungen nichts bekannt geben, hieß es. „Ein Vorgang wurde angelegt, alle notwendigen Maßnahmen wurden getroffen“, sagte der Sprecher.
Von diesem Vorgang habe auch die Staatsanwaltschaft Kenntnis erhalten. Zuvor hatte die „Bild“-Zeitung über das Geschehen am Montag berichtet. Die Polizei spricht von einem Vorgang, wenn bei ihr Anzeige gestellt wird oder sie anderweitig Kenntnis von einer mutmaßlichen Straftat erhält. Die Beamten dokumentieren dann das Geschehen und leiten ein Ermittlungsverfahren ein.
Jugendamt äußert sich zunächst nicht
Die Kommunalpolitikerin Iris Stalzer (SPD) war am Dienstag in ihrem Haus lebensgefährlich verletzt worden. Ihre 17-jährige Adoptivtochter steht im Verdacht, sie bedroht und mit Messerstichen verletzt zu haben. Die Juristin ist inzwischen außer Lebensgefahr. Die Staatsanwaltschaft wertet die Tat als gefährliche Körperverletzung. Die Tochter hatte nach Angaben der Ermittler nach dem Angriff selbst den Notruf gewählt und behauptet, ihre Mutter sei überfallen worden. Die Juristin hatte die 17-Jährige demnach belastet, nachdem sie sie zunächst nicht als Angreiferin nennen wollte.

Offen ist bislang die Motivlage. In der Familie gab es laut Polizei und Staatsanwaltschaft familiäre Streitigkeiten. Im Sommer habe es einen Vorfall häuslicher Gewalt gegeben, hieß es aus Sicherheitskreisen. Das Jugendamt wollte sich zu dem Fall auf Nachfrage zunächst nicht äußern.
Hintergrund: Messerangriff auf Bürgermeisterin: Eine Tat in der Familie
Zur Tatzeit mit im Haus war der 15 Jahre alte Adoptivsohn. Ob er eine Rolle bei den Geschehnissen gespielt hat, ist noch Teil der laufenden Ermittlungen. Stalzer sollte nach der Kommunalwahl im September ihr Amt als Bürgermeisterin von Herdecke am 1. November antreten. Nach Angaben der Stadt, die zwischen Dortmund und Hagen liegt, leitet der Erste Beigeordnete auf unbestimmte Zeit die Verwaltung.
Tochter soll versucht haben, Mutter anzuzünden
Am Freitag wurde bekannt, dass dem lebensgefährlichen Messerangriff auf Stalzer ein stundenlanges Martyrium der Frau vorangegangen sein soll. Die 17-jährige Tochter soll ihre Mutter am Dienstag über einen Zeitraum von mehreren Stunden im Keller des Hauses bedroht und gequält haben, wie Sicherheitskreise der Deutschen Presse-Agentur bestätigten. Zuvor hatte die „Bild“-Zeitung berichtet. Die 57-jährige Juristin habe zahlreiche Kopfverletzungen erlitten.
Das Mädchen soll dabei auch mit einem Deospray und einem Feuerzeug auf die Mutter zugegangen sein, um deren Haare und Bekleidung anzuzünden. Beide sollen sich lautstark über einen längeren Zeitraum gestritten haben.

Zudem fanden die Ermittler Hinweise, die auf eine versuchte Vertuschung der Tat hindeuten. Vor dem Ruf der Rettungskräfte wurden demnach größere Blutspuren in dem Haus entfernt. In einem Rucksack des Sohnes sei eines der Tatmesser und blutverschmierte Kleidung der Tochter in seinem Zimmer entdeckt worden, hieß es aus Sicherheitskreisen.