SPD will Krankenhäuser zu Abtreibungen verpflichten – auch katholische

Lippstadt/Berlin. Die medizinische Versorgung von Frauen, die ihre Schwangerschaft abbrechen möchten, ist in Deutschland lückenhaft. Das geht aus einer Studie des Bundesgesundheitsministeriums hervor. Um diese Lücken zu schließen, fordert die SPD-Bundestagsfraktion, dass alle Krankenhäuser mit einer Frauenklinik, die öffentliche Gelder erhalten, dazu verpflichtet werden, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen – auch konfessionelle Kliniken. In Lippstadt ist Anfang des Jahres nach einer Klinikfusion ein weiterer Standort für Abbrüche nach medizinischer Indikation weggebrochen. Der Chefarzt des Zentrums für Frauenheilkunde des Klinikums Lippstadt, Joachim Volz, klagt dagegen. Die SPD-Bundestagsfraktion will in einer Reform prüfen, wie eine Verpflichtung zu Schwangerschaftsabbrüchen rechtlich abgesichert werden kann. &bdquo;Wir setzen uns dafür ein, dass Frauen einen diskriminierungsfreien und wohnortnahen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen haben“, erklärt die rechtspolitische Sprecherin Carmen Wegge. &bdquo;Dazu gehört aus unserer Sicht, dass öffentliche Krankenhäuser verpflichtet sind, entsprechende Eingriffe anzubieten, und das auch dann, wenn sie konfessionell getragen werden, aber mit öffentlichen Mitteln finanziert werden.“ Andernfalls entstehe eine Versorgungslücke, die gerade in ländlichen Regionen aus Sicht der SPD untragbar sei. &bdquo;Das Selbstbestimmungsrecht von Frauen und eine verlässliche medizinische Versorgung dürfen nicht an der Trägerschaft eines Krankenhauses scheitern“, fordert Wegge. Das Bundesgesundheitsministerium bewertet die Forderung auf Anfrage nicht. Mehr dazu: Studie des Bundesgesundheitsministeriums zu ungewollt ausgetragenen und abgebrochenen Schwangerschaften Bielefelder Arzt scheitert mit Klage gegen Abtreibungsverbot Schwangerschaftsabbrüche werden in Deutschland in Arztpraxen und Krankenhäusern angeboten. Allerdings nicht in Kliniken katholischer Träger. Dort werden Abbrüche nur in Ausnahmesituationen durchgeführt, wenn das Leben der Schwangeren akut bedroht ist. Kliniken in evangelischer Trägerschaft führen Abbrüche in vielen Fällen nach medizinischer und kriminologischer Indikation durch. Einige auch nach der Fristenlösung. Im evangelischen Krankenhaus Lippstadt wurden bis Anfang 2025 Abbrüche nach medizinischer Indikation durchgeführt. Seit der Fusion mit zwei katholischen Kliniken zum Klinikum Lippstadt gilt jedoch ein Verbot. In Flensburg droht das Frauen nach der Fusion des evangelischen und des katholischen Krankenhauses zum Fördeklinikum ebenfalls. Lesen Sie auch: &bdquo;Kann ich nicht akzeptieren“: Bielefelder Arzt kämpft nun vor Gericht gegen Abtreibungsverbot In Lippstadt klagt Chefarzt Volz gegen das Verbot. Damit ist er vor dem Arbeitsgericht Hamm in erster Instanz jedoch gescheitert. Nach Angaben des Gerichts darf ihm sein Arbeitgeber Schwangerschaftsabbrüche untersagen, auch in seiner Praxis für Reproduktionsmedizin in Bielefeld. Volz geht in Berufung. Kurz nach der Verhandlung sagte er, dass er von dem Urteil nicht enttäuscht, eher überrascht sei. &bdquo;Wenn unser Staat möchte, dass das Urteil so gilt, müssen wir den politischen Weg gehen, um das Recht zu ändern.“ Kirchenrechtler: &bdquo;Das Gericht konnte nicht anders entscheiden“ Kirchenrechtler Thomas Schüller, Direktor des Instituts für Kanonisches Recht an der Universität Münster, ist vom Urteil nicht überrascht. &bdquo;Das Gericht konnte keine andere Entscheidung treffen, weil der Fall arbeitsrechtlich eindeutig ist. Sollte es weitergehen, werden auch die höheren Instanzen so urteilen.“ Kommentar zum Abtreibungsverbot: SPD muss ihre Versprechen an Frauen endlich erfüllen Krankenhäuser in katholischer Trägerschaft verfügen nach Angaben Schüllers wie andere Arbeitgeber auch über ein Direktionsrecht, das Anweisungen an Mitarbeiter erlaubt. &bdquo;Auch ein privater Klinikträger dürfte einem Chefarzt Abbrüche oder andere Eingriffe untersagen.“ Außerdem seien Einrichtungen in katholischer Trägerschaft Tendenzbetriebe, die Schwerpunkte setzen dürften. Darüber hinaus verfügen Religionsgemeinschaften in Deutschland nach Angaben Schüllers über ein Selbstbestimmungsrecht. &bdquo;Für die katholische Kirche ist jedes menschliche Leben heilig. Vom Beginn bis zum Ende, weshalb die Tötung von Leben verboten ist.“ Dieses Verbot sei ein zentrales Identifikationsmerkmal der katholischen Kirche. &bdquo;Anders als die evangelische Kirche steht die katholische Kirche weiter ohne Abstriche für den Schutz des Lebens.“ Mehrheit der Gesellschaft fordert Entkriminalisierung von Abbrüchen Aus diesem Grund geht Schüller davon aus, dass sich katholische Träger aus der Gesundheitsversorgung zurückziehen, falls sich die SPD mit ihrer Forderung durchsetzen sollte. &bdquo;Der Staat hat sich in eine Art Geiselhaft freier Träger begeben, die in der Gesundheitsversorgung mehrheitlich christlich sind. Brechen Teile dieser Infrastruktur weg, müssen Kommunen und Kreise einspringen, die dafür kein Geld haben.“ In einigen Teilen des Landes, zum Beispiel in OWL, seien durch christliche Monopolstrukturen bereits Versorgungslücken für Frauen entstanden. &bdquo;Verantwortlich dafür sind aber nicht die Klinikträger, sondern der Staat, der etwas gegen die Unterversorgung machen kann.“ Deshalb könnten auch Arbeitsgerichte das Problem nicht lösen, wie der Fall Lippstadt zeige. &bdquo;Das ist Aufgabe der Politik.“ Lesen Sie auch: Versorgung in NRW: Mehr als 40 Minuten bis zur nächsten Praxis für eine Abtreibung Ob das strikte Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen der katholischen Kirche noch zeitgemäß ist, ist nach Angaben Schüllers die wichtigste Frage. &bdquo;Die katholische Kirche ist hier out of space. Die Mehrheit der Gesellschaft fordert ein Ende der Kriminalisierung von Abbrüchen. Doch ein Abrücken von diesem zentralen Wert halte ich für ausgeschlossen.“ Kritik an politischer Instrumentalisierung der Abtreibungsdebatte Das zeigt auch eine Stellungnahme des Erzbistums Paderborn. &bdquo;Kirchliche Träger sind seit Jahrzehnten Teil der freien Wohlfahrtspflege und des pluralen Gesundheitswesens“, heißt es. Sie erfüllten ihren staatlich anerkannten Versorgungsauftrag in vollem Umfang und in Übereinstimmung mit ihrer ethischen Grundhaltung, die darin bestehe, dass der Schutz des Lebens von der Empfängnis bis zum Tod gilt, erklärt eine Sprecherin. Man halte es aus ethischer und geistlicher Überzeugung heraus nicht für vertretbar, das Lebensrecht an bestimmte Voraussetzungen, Zeitpunkte oder Umstände zu knüpfen. Lesen Sie auch: Abtreibung ohne Informationen: Eine 18-Jährige erzählt ihre Geschichte Schüller kritisiert, dass der Fall Lippstadt politisch instrumentalisiert wird. &bdquo;Rechtsextreme nutzen den Fall für eine Art Konterrevolution gegen alle Themen, die in ihren Augen als woke gelten.“ Linke Kräfte nutzten den Konflikt wiederum, um das Lebensrecht von ungeborenen Kindern für das unbedingte Selbstbestimmungsrecht der Frau beiseitezuschieben, moniert Schüller. &bdquo;Das ist unerträglich, denn diese politische Instrumentalisierung hilft keiner Frau und keinem Kind.“

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