
Das Bundesverfassungsgericht ist eines von drei Staatsorganen in Deutschland. Mit großem Vertrauen ausgestattet, hoch geschätzt von den Bürgerinnen und Bürgern und bedeutsam für die juristische und politische Stabilität des Landes. Wenn Karlsruhe gesprochen hat, hat Karlsruhe gesprochen. Punkt.
Weil seine Entscheidungen häufig weltanschauliche Auseinandersetzungen betreffen und im besten Fall befrieden, ist das BVG wohl das politischste Gericht des Landes. Es geht nicht nur um rein juristische Fragen. Die Besetzung der 16 Richter und Richterinnen für die zwei Senate war deshalb hier und da schon Anlass zu politischem Streit.
Schwarz-Rot steht sich selbst im Weg
Doch noch nie haben sich die Parteien dermaßen über diese Personalfrage verhakt wie an diesem Freitag. Die schwarz-rote Koalition ist aktuell nicht in der Lage, sich auf die drei neu zu benennenden Personen zu einigen. Deshalb haben sie die Abstimmung darüber lieber in letzter Minute von der Tagesordnung des Bundestages genommen. Besser, sich blamieren, als krachend auf offener Bühne zu scheitern, so das Motto.
Die SPD war zwar bereit, den CDU-Kandidaten mitzuwählen. Etliche Unionsabgeordnete weigerten sich aber strikt, einen der beiden SPD-Vorschläge mitzutragen. Dabei waren die Fraktionsspitzen von SPD und Union längst einig. Doch Unionsfraktionschef Jens Spahn hatte die Rechnung ohne seine Abgeordneten gemacht, denen die SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf vor allem in der Abtreibungsfrage zu liberal ist. Sie verweigerten die Zustimmung.
Spahn war in den vergangenen Wochen vermutlich zu sehr mit der Abwehr seines Coronamasken-Desasters aus seiner Zeit als Gesundheitsminister beschäftigt, um das zu bemerken und die BVG-Personalie professionell zu managen. Er ist nun massiv beschädigt und es kann gut sein, dass in diesen Tagen der Anfang vom Ende seiner Polit-Karriere zu beobachten ist.
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Die Regierungskoalition ist früh beschädigt
Doch schlimmer ist, dass die Regierungskoalition als Ganze beschädigt ist. Wie handlungsfähig ist sie noch, wenn Absprachen nicht mehr verlässlich sind? Nicht das Verfassungsgericht ist durch das Personalgezerre beschädigt, wie einige in Berlin nun meinen, um das Problem von sich wegzuschieben, sondern die Regierung und letztlich auch das kaum handlungsfähige Parlament. Das sind neben dem BVG die beiden anderen Staatsorgane. Es könnte also auch der Anfang vom frühen Ende der Regierungskoalition sein, was sich derzeit vor aller Augen abspielt. Es ist viel vom Vertrauensvorrat von Schwarz-Rot verloren gegangen.
Die Union steckt im Dilemma
Sicher, die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag sind schwierig geworden. Zumal die BVG-Entscheidung nur mit Zweidrittel-Mehrheit, also mit Stimmen der Opposition, zu treffen war. Die AfD fällt als Mehrheitsbeschafferin für Demokraten aus. Umso bedeutsamer ist der Umgang mit Grünen und Linken. Den bekommt die Union aber nicht zustande. CDU und CSU können laut Parteitagsentscheidung weder mit der AfD (nachvollziehbar), noch mit den Linken irgendeinen Kompromiss eingehen. Das muss sie schnell klären. Denn es war ein Schwarzer Freitag für die Demokratie.