Tod des Gangster-Rappers: „NW“-Autor hat Xatar nach dem Gold gefragt

Bielefeld. Ein Freitagabend im August 2020 in Köln. Es ist das erste Coronajahr, die Menschen in Deutschland atmen im Sommer nach dem ersten Lockdown auf. Ich arbeite für den &bdquo;General-Anzeiger“ Bonn. Tage zuvor habe ich nach der Frage in der Redaktion, wer Xatar interviewen will, schnell die Hand gehoben. Dabei habe ich von Hip-Hop und Gangster-Rap nicht viel Ahnung. Aber das Thema reizt mich. Ich will mehr über Xatar wissen, der eigentlich Giwar Hajabi heißt. Xatar ist kurdisch und bedeutet &bdquo;Gefahr“. Mein Part in diesem Interview sind die Fragen und das Schreiben. Ein Fotograf an meiner Seite wird später eindrucksvolle Fotos von Xatar machen. Meine Fragen habe ich vorbereitet. Ich steige locker mit dem Blick auf das geplante Konzert in der Bonner Rheinaue ein. Wir sprechen aber auch über die Flucht seiner kurdischen Familie aus dem Iran, seine Kindheit ab 1985 auf dem Brüser Berg in Bonn, sein Gangster-Image. Xatars Vater ist Komponist gewesen, verlässt später die Familie. Xatar geht seinen Weg, weg von Klavierunterricht und Gymnasium. Er wird Rapper, Unternehmer, Gastronom, Verleger. Er hat Labels wie &bdquo;Alles oder Nix Records“, fördert Hip-Hop-Größen wie SSIO, Schwesta Ewa oder Sero el Mero. Sein zweites Studioalbum &bdquo;Baba aller Babas“ erreicht 2015 Platz eins in den deutschen Charts. Er überfällt 2009 mit Komplizen einen Goldtransporter. Die Beute soll einen Wert von etwa 1,7 Millionen Euro gehabt haben. Er kommt ins Gefängnis. Hip-Hop-Szene in Aufruhr: Rapper Xatar mit 43 Jahren gestorben Xatar erinnert sich an seine Jugend in Bonn Rückblickend ist das Setting für das Interview ein bisschen absurd und etwas klischeebehaftet. Xatar trifft meinen Kollegen und mich in einem Bürohaus in Köln. Musikbusiness wird hier gemacht. Goldene Scheiben hängen an den Wänden. Wenn ich mich richtig erinnere, hat er uns warten lassen. Dann kommt er, in schwarzem T-Shirt und mit schwarzer Sonnenbrille. Vergleichsweise dezent sind seine Uhr, vielleicht eine Rolex, seine Halskette. Am linken Ringfinger trägt er schlichten Schmuck. Wir sitzen oben im Bürogebäude, Belgisches Viertel in Köln, soweit ich mich erinnere. Draußen wird es dunkel, die Klimaanlage rattert. Der Raum wirkt wie ein nüchternes Besprechungszimmer einer Krankenkasse. Darin stehen ein großer Schreibtisch, ein paar Stühle und eine große Ledercouch. Von dort verfolgt der Kollege das Gespräch. Es ist überaus angenehm. Xatar ist freundlich, zugewandt, geht auf meine Fragen ein. Dass er nach zwölf Jahren wieder in Bonn auftreten darf? &bdquo;Das ist richtig geil.“ Ist die Zeile &bdquo;Du musst Eier haben“ im Song &bdquo;10 Regeln“ nicht obszön? &bdquo;Das ist für mich nicht unbedingt obszön. Es ist halt Rap – mal mehr, mal weniger obszön.“ Bleibt noch Zeit, an den Jungen vom Brüser Berg zu denken? &bdquo;Ich habe viele Stationen in meinem Leben gehabt, die man als Tiefpunkte bezeichnen könnte. Und ich denke bei jedem Schluck Wasser, den ich trinke, daran. Das hat auch mit der Zeit damals in Brüser Berg zu tun, das geht nicht raus aus dem Kopf.“ Xatar: Vom &bdquo;Asi-Kanaken“ zum Buchautor Und er spricht über seine Eltern. Sie sollen gefoltert worden sein. Ich sage, dass seine Eltern vermutlich stark gewesen sind. &bdquo;Wenn ich heute darüber nachdenke, dann sehe ich, wie jung meine Eltern waren, 20 und 24 Jahre. Sie waren sehr traumatisiert“, sagt er. Dass der Vater nicht als Komponist und Dirigent arbeiten konnte, bedauert Xatar: &bdquo;Damals waren die Abschlüsse, die sie hatten, nichts wert. Sie waren überfordert: in einem fremden Land, ohne die Hilfe der Familie.“ Xatar hat auch ein Buch veröffentlicht. Darin beschreibt er, dass er für viele der &bdquo;Asi-Kanake“ gewesen ist. &bdquo;Viele Deutsche hatten keine Erfahrungen mit Ausländern und hatten Schiss vor Kanaken. Und wenn Du nicht weiterkommst, dann fährst du eben mit ’nem anderen Bus. Und den hab ich genommen – wie viele in meinem Viertel.“ Und das Gangster-Image, sind solche Klischees der Stärke nicht anstrengend? &bdquo;Es gibt Leute, die aufgesetzt auftreten, auf stark machen. Viele von ihnen haben Komplexe. Aber ab einem gewissen Grad an Öffentlichkeit, egal ob Rap, Politik oder Formel Eins, wird jeder Move, jede Geste gewertet: Hier musst du Stärke zeigen.“ Und: &bdquo;Wer Schwäche zeigt, ist weg. Und ich muss nicht den Harten markieren. Die meisten wissen ja schon, was ich durchhabe.“ Xatar und die Frage nach dem Gold Und dann kommt die Frage, die ich unbedingt stellen will. Weil es in jedem Interview auch mal knackig werden muss. Also: Verraten Sie, wo das Gold geblieben ist? Xatar schaut mich durch die dunkle Brille an, verzieht keine Miene. Dann lacht er. &bdquo;Echt jetzt? Dazu sage ich nichts.“ Und wie war das mit dem Kokain aus Kolumbien? &bdquo;Auch dazu kann ich nicht viel sagen.“ Also reden wir über Rap. &bdquo;Rap ist heute das größte Musikgenre Deutschlands, und das finde ich krass. Viele im Alter unter 30, 35 Jahren hören Rap. Andererseits hat Rap Einfluss auf andere Musikstile. Und mittlerweile produzieren viele Rap-Songschreiber auch Poptitel.“ Und ist deutscher Hip-Hop eigentlich auch ein Stück deutsche Kultur? &bdquo;Für mich ist das die Kultur, weil es Einfluss auf Sprache und Klamotten hat. Oder die visuelle Ästhetik: Die Leute, die damals unsere Videos gemacht haben, machen mittlerweile Videos für Mercedes und Lufthansa. Man sieht, Rap hat einen großen Einfluss. Und das finde ich spannend, weil Rap für mich so ehrlich ist.“ Ein Selfie mit Xatar Nach dem Interview macht der Kollege Fotos. Ich frage Xatar, ob wir noch ein Selfie machen können. Na, klar, antwortet er und schaut extra grimmig in mein Handy. Wir machen die Zwei-Finger-Geste. Ich komme mir cool vor. Diesen Moment erlaube ich mir trotz journalistischer Distanz. Zwei Jahre später hat Regisseur Fatih Akin 2022 das preisgekrönte Gangster-Drama &bdquo;Rheingold“ veröffentlicht. Darin zeichnet Akin den Lebensweg Xatars nach, der als einer der einflussreichsten, aber auch umstrittensten Rapper der deutschen Hip-Hop-Szene gilt. Sein plötzlicher Tod wirkt mysteriös. Im Internet und in der Szene kursieren Spekulationen. Auch zum Verbleib des Goldes. Mich macht die Nachricht um Xatar betroffen. Er ist laut Agenturmeldungen am Donnerstagabend, 8. Mai 2025, mit 43 Jahren tot in einer Kölner Wohnung gefunden worden. Die Staatsanwaltschaft habe ein Todesermittlungsverfahren aufgenommen. Es soll klären, ob es Hinweise auf &bdquo;ein strafrechtlich relevantes Fremdverschulden“ gibt. Eine Obduktion sei durchgeführt worden.

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