
Wie relevant ist die Hochstufung der AfD zur „gesichert rechtsextremistischen Bestrebung“?
Das ist ein enorm bedeutsamer Schritt in der nachrichtendienstlichen Bearbeitung der Bundespartei. Da eine Vereinigung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht ewig Verdachtsfall bleiben kann, stand das BfV zumindest mittelfristig vor der Entscheidung, die Partei irgendwann hoch- oder wieder herunterstufen zu müssen. Es geht nach Prüfung aller gesammelten Belege aus seinen eigenen Quellen sowie denen der Landesämter für Verfassungsschutz nun davon aus, die AfD sei in Gänze „gesichert rechtsextremistisch“.
Hat das konkrete Auswirkungen?
Diese Bewertung wird sich auf mehreren Ebenen auswirken. So gilt mit Blick auf Beamte, die einer jederzeitigen und aktiven Verfassungstreue verpflichtet sind, zwar weiterhin das Gebot einer Einzelfallprüfung. Wer Mitglied oder gar Funktionär der Partei ist und sich von ihren extremistischen Positionen – zum Beispiel zum Volksbegriff – nicht glaubhaft abgrenzt, wird aber seitens der Dienstherren nun disziplinarische Konsequenzen befürchten müssen.
Ähnliches gilt im Waffenrecht: Danach sind Mitglieder einer verfassungsfeindlichen Vereinigung schon aufgrund ihrer bloßen Mitgliedschaft regelmäßig als waffenrechtlich unzuverlässig anzusehen, sofern sie ihrerseits keine konkreten Abgrenzungen zu extremistischen Positionierungen nachweisen können.
Die Befürworter eines AfD-Verbots sehen sich nun durch die Hochstufung bestärkt. Wirkt sich diese Neubewertung auf die Erfolgsaussichten eines möglichen Parteiverbotsverfahrens aus?
Diese Wirkung sollte nicht überschätzt werden. Selbst bei der gesichert extremistischen Bestrebung dürfte – auch wenn dies unter Juristen nicht abschließend geklärt ist – der Nachweisgrad niedriger ausfallen als bei einem Parteiverbot. Die Karlsruher Richter bezeichnen das Instrument selbst als „schärfstes und überdies zweischneidiges Instrument“ der Demokratie.
Das neue Gutachten des BfV würde daher wohl weniger als rechtliche Vorabklärung, sondern vor allem als eine wichtige Materialsammlung dienen. Dennoch erhöht die Einstufung natürlich den Druck innerhalb der Politik, sich einer Verbotsdiskussion wieder zu stellen. All dies geschieht vor immer weiter steigenden Werten der AfD in den Umfragen und der – politisch, nicht rechtlich – zu beantwortenden Frage, ob eine Partei irgendwann „zu groß“ für ein Verbot sein kann.
Fragen und Antworten: AfD laut Verfassungsschutz gesichert rechtsextremistisch – was das bedeutet
Die Hochstufung der AfD war ursprünglich bereits im vergangenen Jahr erwartet worden. Kam der Schritt jetzt – nach der Bundestagswahl – zu spät?
Dass das BfV sich entschlossen hat, die Hochstufung heute bekanntzumachen, ist ein kraftvolles Signal des Inlandsnachrichtendienstes, der seit dem Weggang von Präsident Thomas Haldenwang im Bereich des Rechtsextremismus durch den zuständigen Vizepräsidenten Sinan Selen geführt wird.
Selen war vor kurzem im „Tagesspiegel“ vorgeworfen worden, das Folgegutachten zur AfD sei bereits seit längerem fertig, nur zögere er aus Entscheidungsschwäche die Bekanntgabe heraus. Bereits damals sprach nach meiner Kenntnis der Prozesse wenig für eine bewusste Verschleppung, sondern vielmehr einiges für den Bedarf, neue Entwicklungen und Radikalisierungen sowie den Umbau der Jugendorganisation noch einzuflechten. Spätestens heute dürfte sich diese Kritik allerdings als unbegründet erweisen.

Die AfD will wieder gegen die Hochstufung klagen. Rechnen sie der Partei dabei Chancen aus?
Das wird spannend. Zunächst könnte ein einstweiliger Rechtsschutz im Raum stehen, den das Verwaltungsgericht Köln jedoch vermutlich eher abweisen dürfte. In einem Hauptsacheverfahren vor dem Gericht wird dann erstinstanzlich über die neuen Belege des BfV zu beraten sein.
Entscheidend dürfte am Ende aber vor allem das Berufungsverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Münster werden. Der Senat hatte sich bei der Prüfung der „Verdachtsfall“-Einstufung im letzten Jahr mit großer Akribie in die Materie eingearbeitet und einige Aspekte, darunter insbesondere den ethnisch-kulturellen Volksbegriff der Partei als verfassungsfeindlich eingestuft. An anderen Stellen ließen die Richter jedoch erkennen, dass die Belege vielleicht für eine Hochstufung noch nicht ausreichen könnten. Es wird daher entscheidend darauf ankommen, ob das OVG dem neuen Gutachten genügend Nachweise für die Bewertung als „gesichert extremistisch“ entnehmen kann.