Bielefelder Gymnasiasten singen rassistisches Lied in KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen

Bielefeld. Wie diese Redaktion jetzt erfuhr, reiste der neunte Jahrgang des Helmholtz-Gymnasiums im Sommer vergangenen Jahres zur Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Bergen-Belsen in die Lüneburger Heide. Dort kam es zu einem bestürzenden Störfall: Einzelne Schüler sangen die umgedichtete Version des 90-Jahre-Hits &bdquo;L’amour toujours“ von Gigi d’Agostino, die nach dem Vorfall auf Sylt als neue Nazi-Hymne gilt. Der Text unter anderem: &bdquo;Deutschland den Deutschen, Ausländer raus.“ Schulleiter Joachim Held reagierte sofort. Auf Anfrage bestätigte der Schulleiter den Vorfall, der ihm von den begleitenden Lehrkräften und Mitarbeitern der Gedenkstätte gemeldet worden war. Demzufolge hatte eine Handvoll Schüler aus zwei Parallelklassen die Parolen auf dem zentralen Platz der Gedenkstätte angestimmt. Die Lehrkräfte waren in diesem Moment an einer Ticketkasse beschäftigt. Das Aufsichtspersonal der Gedenkstätte griff ein und maßregelte die Schüler. Zurück in Bielefeld ordnete Schulleiter Joachim Held innerschulische Disziplinierungsmaßnahmen an und brachte den Vorfall zur Anzeige. &bdquo;Ich unterstelle hier keine ernsthaft rechtsextremistischen Gesinnungen“, sagt Held. &bdquo;Das war für diese Schüler eine Provokation, ein dummer Spaß. Und hier muss Schule klare Kante zeigen und klarmachen: so nicht.“ Lesen Sie auch: Rassistische Gesänge auf Sylt: Die Normalität des Bösen Der Schulleiter ist umso fassungsloser über das Geschehen, als dass die Parolen nicht vor Beginn der Führung gesungen wurden, sondern zu einem Zeitpunkt, als die Schüler bereits Einblick in die Gedenkstätte erhalten hatten. &bdquo;So ein Ort, der macht doch was mit einem. Wer davon nicht berührt ist, sondern stattdessen provoziert und so ein Lied anstimmt, der muss sofort gezeigt bekommen, dass hier die Grenzen weit überschritten sind.“ Kein Einzelfall in KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen Auch eine Sprecherin der Gedenkstätte bestätigt auf Anfrage den Vorfall. Im Gespräch mit ihr wird aber auch klar: Ein absoluter Ausreißer war das Verhalten der Gruppe nicht. &bdquo;So etwas kommt hier immer wieder vor, gerade bei Schulklassen kommt es häufiger zu Reaktionen, die die Guides sehr herausfordern.“ Lesen Sie auch: Besuch in Auschwitz: Wie Schüler das ehemalige Vernichtungslager erleben Immer intensiver würde sich das Personal deshalb darauf vorbereiten, wie in so einer Situation zu reagieren sei. &bdquo;Das war vor ein paar Jahren noch anders.“ Dennoch gibt auch die Sprecherin zu bedenken: &bdquo;Man muss in solchen Situationen klar unterscheiden: Habe ich hier einen Jugendlichen vor mir, der zum Beispiel durch Kleidung oder andere äußere Merkmale schon als gesichert rechtsextrem einzuschätzen ist – oder einen Jugendlichen, der sich einen dummen Spaß erlaubt, vielleicht sogar überfordert ist mit dem Erlebten und Gesehenen hier.“ Im Extremfall werden Schüler ausgeschlossen Immer wieder gebe es Situationen, in denen die Guides klare Grenzen zögen und im Extremfall einzelne Schüler auch aus der Führungsgruppe ausschlössen. &bdquo;Meist informieren uns Lehrkräfte schon im Vorfeld über bestimmte Kandidaten.“ Grundsätzlich gelte in Bergen-Belsen aber das Credo, möglichst lange zu versuchen, Menschen die Chance zu geben, sich eine andere Meinung zu bilden. In den Augen von Brigitte Mundt, Bielefelder Regionalkoordinatorin der Initiative &bdquo;Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“, zeigt der Vorfall den Einfluss, den der hohe Medienkonsum bei Jugendlichen habe. &bdquo;Die sehen so viel und konsumieren das völlig unreflektiert.“ Seit Oktober 2023 verbreiten sich Videos und Memes mit der Kombination des mit rechten Parolen umgedichteten 90er-Jahre-Hits im Netz. Besondere Aufmerksamkeit erhielt im vergangenen Jahr das Video von einer Pfingst-Party im Sylter Luxusort Kampen, auf der die Feiernden ebenfalls &bdquo;Deutschland den Deutschen“ skandierten. Im Mai vergangenen Jahres hatten Schüler eines Luxus-Internats im Kreis Rendsburg-Eckernförde auf einer Party ebenfalls die rassistischen Parolen mitgesungen. Dort ermittelte umgehend der Staatsschutz. Gegenwind aus der Elternschaft für hartes Durchgreifen Regionalkoordinatorin Mundt begrüßt das Vorgehen von Schulleiter Joachim Held. &bdquo;Es ist gut, dass Schule in diesen Fällen ganz klar zeigt: Wir nehmen das sehr ernst und wir tolerieren das nicht. Das darf man so nicht stehen lassen.“ Schulleiter Joachim Held steht zu seinem strikten Durchgreifen – auch, wenn er dafür Gegenwind aus der Elternschaft bekommen hat. &bdquo;Wir sind offizielle ,Schule ohne Rassismus’. Und so verhalten wir uns auch.“

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