NRW ändert Beamten-Besoldung – Kritiker sprechen von „Systembruch“

Düsseldorf. Beamtinnen und Beamte in NRW müssen sich auf Veränderungen bei ihrer Besoldung einstellen. Die schwarz-grüne Landesregierung will die Berechnungsgrundlage ändern – und künftig ein Partnereinkommen mit einberechnen. Somit dürfte den betroffenen Beamten unterm Strich Geld verloren gehen. Die Kritik an den Plänen ist laut, doch die Gesetzesänderung wird sehr wahrscheinlich bereits am Mittwoch im Landtag beschlossen. Bislang hält bei der Besoldung der Beamten die Alleinverdiener-Familie als Bezugsgröße her. Das heißt: Der Beamte oder die Beamtin muss vom Staat so alimentiert werden, dass er oder sie die Familie ernähren kann. Die Richtgröße besagt konkret: Das Nettogehalt muss um mindestens 15 Prozent über dem der Grundsicherung liegen. Da die Höhe der Grundsicherung variiert und zum Beispiel die Bürgergeldbezüge zuletzt erhöht wurden, müssen auch die einzelnen Besoldungsstufen der Beamten immer wieder überprüft und angepasst werden. Genau an dieser Stelle bahnt sich nun eine Veränderung an. Künftig wird diesem Nettogehalt des einzelnen Beamten ein fiktives Partnereinkommen hinzugerechnet – es fällt also auf dem Papier unterm Strich höher aus. Dahinter liegt die Begründung, dass heutzutage in der Regel beide Partner erwerbstätig sind, um die Familie zu ernähren. Diese neue Berechnung wird dazu führen, dass der Gesetzgeber schneller den gebotenen Mindestabstand (15 Prozent) zur Grundsicherung einhält, ohne dafür aber die Besoldung tatsächlich erhöhen zu müssen. Das Land spart also Geld – Experten sprechen von Millionenbeträgen. Betroffen sein dürften vor allem die unteren Besoldungsgruppen wie A5, A6 und A7. Deutscher Beamtenbund spricht von Systembruch Diese Gesetzesreform ist aus mehreren Gründen umstritten. Der Deutsche Beamtenbund (DBB) in NRW spricht von einer &bdquo;Mogelpackung“ und warnt vor einem &bdquo;Systembruch“. Das Land nehme diesen bedeutenden Schritt quasi beiläufig im Zuge der Übertragung des Tarifergebnisses im Öffentlichen Dienst vor. DBB-Landeschef Roland Staude wirft dem Land vor, das &bdquo;Abstandsgebot“ unter dem Deckmantel einer &bdquo;Modernisierung“ aushebeln zu wollen. Von einem &bdquo;Rechentrick“ spricht auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). Experten befürchten, dass die Reform viel Aufwand für Betroffene bedeuten wird. Man mute Menschen, die am Rande der Grundsicherung stünden, zu, dass sie &bdquo;mehr oder weniger jeden Monat aufs Neue überprüfen“ müssten, ob sie antragsberechtigt seien, kritisiert die Deutsche Steuergewerkschaft. Der Grund: Das Land plant, die erforderliche Besoldungshöhe &bdquo;im Einzelfall“ zu gewähren, falls ein Partnereinkommen nicht oder nur in geringem Umfang vorhanden sein sollte. Der DGB glaubt aber nicht, dass der einzelne Beamte künftig wissen wird, ob seine Besoldung korrekt ist. &bdquo;Wenn [...] selbst die Landesregierung und das Ministerium der Finanzen das noch nicht bewerten kann, wie soll das dann ein Beamter können?“, fragt Patrick Schlüter (DGB). Lesen Sie auch: Neues Gesetz in Planung: NRW will Karriere-Anreize für Beamte schaffen Scharfe Kritik kommt auch vom Richterbund in NRW. &bdquo;Hauptzweck“ dieser Regelung sei es, Geld zu sparen, wirft der Vorsitzende Gerd Hamme der Landesregierung vor. Er sei sich sicher, dass es auch verfassungsrechtlich zu einer Überprüfung kommen werde, so Hamme. &bdquo;Hier findet ein Stück weit eine Teilprivatisierung der staatlichen Alimentationspflicht statt.“ Hamme glaubt, dass Eheleute durch die Reform &bdquo;gezielt“ benachteiligt werden könnten. &bdquo;Die Grenze, die man hier festgelegt hat, erscheint mir im Übrigen willkürlich zu sein.“ Das Land will ein fiktives Partnereinkommen in Höhe von 538 Euro pro Monat ansetzen. Die Regel soll ab 2024 gelten. Die Grünen bezeichnen die Veränderungen als sachgerecht FDP-Finanzexperte Ralf Witzel wirft NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) einen Taschenspielertrick vor. &bdquo;Die geringere Besoldung eines Beamten, da seine Partnerin auch etwas verdient, ist verfassungsrechtlich problematisch.“ Eine angemessene Alimentation dürfe nicht von regelmäßiger Antragstellung abhängig sein, fordert Witzel. Minister Optendrenk schaffe ein &bdquo;riesiges Bürokratiemonster“. Auch die Gewerkschaft für Wissenschaft und Erziehung (GEW) bemängelt den Vorstoß. &bdquo;In unserer Zuständigkeit sind zwar zunächst nur wenige Berufsgruppen betroffen“, sagt der stellvertretende Landesvorsitzende Stephan Osterhage-Klingler aus OWL. &bdquo;Aber wir kritisieren scharf den damit verbundenen Paradigmenwechsel, dass Beamte mit einem Gehalt dann keine Familie mehr versorgen können.“ Lesen Sie auch: Beamte mit Kindern in NRW erhalten mitunter mehr Geld als Führungskräfte Die Grünen, die in NRW gemeinsam mit der CDU regieren, verteidigen die Gesetzesreform. Das Familienbild der &bdquo;Alleinverdiener-Ehe“ entspreche im 21. Jahrhundert vielfach nicht mehr der &bdquo;gelebten Realität“, meint Haushaltspolitiker Simon Rock. &bdquo;Das gilt für Beschäftigte in der freien Wirtschaft ebenso wie für Beamte. Deshalb ist die Unterstellung eines Partnereinkommens bei der Berechnung der Beamtenalimentation sachgerecht.“ NRW ginge dabei keinen Sonderweg, sondern folge der Mehrheit der Bundesländer, sagt der Grünen-Politiker. Auch die Bundesregierung unter Federführung von SPD-Bundesinnenministerin Nancy Faeser plane dies für die Bundesbeamten, so Rock. &bdquo;Und im Vergleich zu Bundesländern wie Bayern, die ein Partnereinkommen in Höhe von über 20.000 Euro pro Jahr unterstellen, ist das in NRW unterstellte Partnereinkommen in Höhe eines Minijobgehalts von weniger als 6.700 Euro pro Jahr [...] noch sehr moderat.“ .responsive23-ADLeYWUBTZb7co6T-bar-vertical-beschaeftigte-im-oeffentlichen { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-ADLeYWUBTZb7co6T-bar-vertical-beschaeftigte-im-oeffentlichen { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-ADLeYWUBTZb7co6T-bar-vertical-beschaeftigte-im-oeffentlichen { padding-top: 142.86%; } } Experte sieht keine grundlegenden Veränderungen im Familienleitbild Zustimmung signalisiert auch der renommierte Rechtswissenschaftler Peter Huber. Er sei sich &bdquo;nicht sicher“, ob der Gesetzentwurf wirklich einen Wechsel des Leitbildes und des Familienleitbildes darstelle, weil es für die vierköpfige Familie und jenseits der Besoldungsgruppe A5 vermutlich &bdquo;keine grundlegenden Änderungen“ geben werde. Lesen Sie auch: Privilegien für Beamte – ein Pro & Contra Die CDU-Fraktion verweist darauf, dass sich die Besoldung der Beamten am &bdquo;tatsächlichen Bedarf“ orientieren soll. &bdquo;Beamte, deren Partner gut verdienen, haben weniger finanziellen Bedarf, weshalb eine höhere staatliche Unterstützung nicht nötig ist.“ Die Maßnahme erfülle hier die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts, wonach die Beamtenbesoldung an die Sicherung des Existenzminimums geknüpft sein muss. &bdquo;Dies wird durch die Einbeziehung des Partnereinkommens besser gewährleistet“, meint die CDU. Anders betrachtet die SPD die Gesetzesreform. &bdquo;Einmal unabhängig davon, dass wir das inhaltlich für völlig falsch halten, erkennt auch jeder juristische Laie, dass das verfassungsrechtlich mindestens bedenklich ist“, sagt Fraktionsvize Christian Dahm aus Herford. Die schwarz-grüne Koalition bliebe bei ihrem Kurs der &bdquo;Ausbeutung“ des Öffentlichen Dienstes, um &bdquo;zulasten“ der Beamtinnen und Beamten zu sparen. &bdquo;Die 17.000 offenen Stellen beim Land werden mit Sicherheit nicht zeitnah besetzt, wenn beim Bewerbungsgespräch auf die Frage nach dem monatlichen Verdienst die Antwort kommt: ’Das hängt vom Einkommen Ihres Partners ab’“, sagt Dahm. &bdquo;Das ist doch absurd“.

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