OWL Crime - mit Podcast

Für ein paar Mark: Ehepaare in Bad Oeynhausen und Hannover getötet

In dem Fall kann die Mordkommission über Wochen keinen Tatverdächtigen finden. Das hat einen einfachen Grund und wird erst nach einer DNA-Probe klar.

In diesem Haus in Bad Oeyenhausen geschah der Doppelmord. | © Jobst Lüdeking

12.09.2024 | 12.09.2024, 13:36

Bad Oeynhausen. Eine Haltestelle in Bad Oeynhausen nahe dem Klinikum. Am Nachmittag des 8. November 2001 sieht eine Frau, die dort auf den Bus wartet, wie ein Mann an der Tür eines nahen Einfamilienhauses klingelt. Der Unbekannte ist schlank und etwa 35 Jahre alt, so schätzt sie. Sein Gesicht ist oval bis schmal, sein Haar dunkelblond und nach oben ausgedünnt.

Der harmlos erscheinende Mann mit der dunklen Jacke wird kurz darauf die 88-jährige Bewohnerin des Hauses töten und ihren 92-jährigen Ehemann so schwer verletzen, dass auch er 31 Tage nach dem Überfall stirbt.

In der aktuellen Folge von „OstwestFälle“, dem True-Crime-Podcast der „Neuen Westfälischen“, geht es um Mord aus Habgier. Als Opfer wählte der Täter ältere Paare, die sich nicht wehren konnten. Über diese Taten spricht Bettina Kirchner mit Jobst Lüdeking, Redakteur bei der Neuen Westfälischen.

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Mord aus Habgier – der Fall im Überblick

  • Am 8. November 2001 tötet Helmut B. eine 88-jährige Frau in Bad Oeynhausen und verletzt ihren Ehemann schwer.
  • Nach dem Mord entwendet Helmut B. einen 1.000-Mark-Schein von seinen Opfern.
  • Später wird bekannt, dass er zwei weitere Morde begangen hat. Von diesen Opfern erbeutete er nur sechs Mark. Als Grund gibt er später an, dass ihm die Bank keinen Kredit gewähren wollte.
  • Trotz gesicherter DNA- und Fingerabdrücke und öffentlicher Fahndung kann der Täter zunächst nicht identifiziert werden, da er bereits wegen der anderen Morde in Untersuchungshaft sitzt.
  • Helmut B. wird wegen des ersten Doppelmordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Für die Morde in Bad Oeynhausen erhält er in einem zweiten Verfahren noch einmal lebenslänglich. Er verstirbt während der Haftzeit.

Opfer liegt im künstlichen Koma

Der Täter Helmut B. (Name geändert) will Geld erbeuten. Seinen Opfern stiehlt er einen 1.000-Mark-Schein. Später wird bekannt, dass er schon einmal aus Habgier zwei Menschen getötet hat. Sechs Mark, rund drei Euro, hat er bei diesen Opfern erbeutet. Und auch der Überfall auf eine Rentnerin in Hildesheim geht auf sein Konto. Der einzige Grund, weshalb er diese Frau nicht tötet, so sagt er später aus: Sie ist eine Bekannte seiner Mutter.

Während Helmut B. sein 88-jähriges Bad Oeynhauser Opfer ermordet, kann sich der schwerstverletzte Ehemann, nachdem der Killer weg ist, nach draußen schleppen. Er wird ins Krankenhaus gebracht. Fast zeitgleich wird eine Mordkommission gebildet. 20 Beamte sind dabei. Die Ermittler sichern Spuren, darunter welche am Klingelknopf des Hauses. Sie rekonstruieren die Tat, befragen Nachbarn, bitten auch öffentlich um Zeugenhinweise.

Fingerabdrücke und DNA-Spuren liefern zunächst keinen Verdächtigen

Fest steht kurz darauf: Die Geldkiste des Ehepaares ist weg und die Geldbörse des Opfers ist leer. Schmuck hingegen fehlt nicht, berichtet Ralf Östermann, der Leiter der Mordkommission. Auch die Scheckkarte und andere wertvolle Beutestücke, hat der Täter nicht mitgenommen. Mit den Angaben der Zeugin von der Bushaltestelle und des Opfers erstellen die Ermittler zunächst ein Phantombild des Täters.

Die Spezialisten haben Fingerabdrücke und DNA gesichert, doch bis dato gibt es keine Hinweise, keine Beobachtungen, geschweige denn einen Namen oder andere verwertbare Daten. Möglicherweise handelt es sich um einen reisenden Verbrecher, so eine Hypothese der Mordkommission.

Fahndung im Fernsehen bei „Aktenzeichen XY“ und „Brisant“

Die Ermittler entscheiden sich deshalb, die Öffentlichkeitsfahndung zu intensivieren. Vier Wochen nach der Tat berichten „Aktenzeichen XY“ und das Boulevardmagazin „Brisant“ über die Fahndung nach dem Raubmörder und zeigen das Phantombild. Doch weiterhin gibt es keinen Treffer. Es kann ihn auch nicht geben, denn der Mann, den die Mordkommission sucht, ist de facto aus der Öffentlichkeit verschwunden.

Er sitzt gerade in Untersuchungshaft – in Niedersachsen. In Hannover sind ihm die Ermittler einer weiteren niedersächsischen Mordkommission auf die Spur gekommen. Dort hat er ebenfalls ein Ehepaar umgebracht. Der gehörlose 47-Jährige hat seine ersten Opfer in einem Verein in Hannover kennengelernt und für das Ehepaar auch Arbeiten verrichtet. Um an das Geld seiner Bekannten zu kommen, bringt er sie im September 2001 um. Weil es sich um ein schweres Verbrechen handelt, wird von dem 47-Jährigen eine Speichelprobe genommen.

Was B. über die erste Tat aussagt

„Die Bank wollte mir keinen Kredit geben“, berichtet B. Monate später im Prozess vor dem Landgericht Hannover über die ersten beiden Morde. Da sei er auf die Idee gekommen, sich von seinen 73- und 86-jährigen gehörlosen Bekannten 1.000 Mark zu leihen.

Noch bei der Polizei hat er erzählt, dass er plante, seine Opfer zu töten, wenn sie ihm kein Geld geben – und das wollten sie nicht. Als er in puncto Geld aber nicht locker lässt, verpasst ihm die Frau eine Ohrfeige. „Ich rege mich schnell auf, ich habe Zucker“, rechtfertigt sich B. im Prozess. Er schlägt auf sein Opfer ein, legt ihr seine mitgebrachten Handschellen an, knebelt und erdrosselt die 73-Jährige. Danach tötet er ihren Ehemann (86). „Er hätte mich verraten“, so B.

Zwei Monate nach der ersten Tat ist B. noch auf freiem Fuß und will sich am 7. November über eine Kur in Bad Oeynhausen informieren. Auf dem Rückweg zum Bahnhof trifft er auf das Ehepaar, seine späteren Opfer, die überaus freundlich zu ihm sind. Zunächst fährt B. nach Hannover zurück, reist am nächsten Tag aber wieder nach Bad Oeynhausen. Er hat Handschellen, Klebeband, ein Messer und eine Gaspistole, die er bei einem früheren Einbruch erbeutet hat, dabei. Mit einem angeblichen Geschenk verschafft B. sich Zutritt zur Wohnung der Opfer.

Ermittler vergleichen ähnliche Fälle

Landeskriminalamt und Staatsanwaltschaft Hannover halten es damals nicht für ausgeschlossen, dass der Täter für weitere Verbrechen in Frage kommt. Deshalb werden Spuren noch ungeklärter Fälle mit seinem DNA-Muster verglichen – allerdings ohne weitere Treffer.

Zunächst ist geplant, beide Doppelmord in einem einzigen Prozess in Hannover zu verhandeln. Dazu kommt es nicht. Doch schon für die Tat in Hannover wird Helmut B. wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt, außerdem stellt das Gericht die besondere Schwere der Schuld fest. Eine Haftentlassung nach 15 Jahren ist damit unmöglich.

Sogar der Verteidiger fordert eine lebenslange Haftstrafe – er finde keine entlastenden Momente, bilanziert er. „Der Angeklagte hat sich gezielt alte Leute ausgesucht, die nahezu wehrlos sind“, stellt der Richter fest.

Was aus Helmut B. geworden ist

Im Frühjahr 2002 startet der zweite Mordprozess. Diesmal geht es um die Tat in Bad Oeynhausen. Fast scheint es so, als ob der inzwischen 48-Jährige seine Opfer verhöhnen und die Prozessbeteiligten für dumm verkaufen will. Denn über die Tat in OWL berichtet er: „Dann habe ich ein Messer geholt, um das Klebeband abzuschneiden.“ Mit dem Messer in der Hand sei er gestolpert und gefallen. Er habe dann die am Boden liegende Frau getroffen.

Danach sei er ins Schlafzimmer gegangen und dort erneut über einen Teppich gestürzt. Die Messerspitze habe zufällig den Ehemann getroffen. Das Gericht glaubt ihm kein Wort. Das Urteil: Lebenslange Haft wegen zweifachen Mordes und die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Helmut B. ist inzwischen in der Haft verstorben.