Meinung

CDU zwischen Verantwortung und Populismus

Friedrich Merz treibt die Ampel vor sich her und prägt die Debatten. Und dennoch fragt man sich aktuell, worum es dem CDU-Chef genau geht, meint unser Autor.

CDU-Chef Friedrich Merz bestimmt aktuell die Debattenlage im Land. | © Michael Kappeler

Ingo Kalischek
06.09.2024 | 06.09.2024, 06:22

Die CDU ist nach den Wahlen in Thüringen und Sachsen die einzige Kraft, die dort für politische Stabilität sorgen – und eine Regierung mit der in Teilen rechtsradikalen AfD verhindern kann. Die Ampel-Parteien können das nicht – noch nicht einmal zusammen. Insofern ist eine CDU-Schelte falsch und nicht zielführend.

Und dennoch fragt man sich dieser Tage, worum es CDU-Chef Friedrich Merz genau geht. Um praktikable Lösungen für die Probleme im Land? Um einen Stimmenfang vor den Wahlen in Brandenburg? Um markige Symbolpolitik nach Solingen? Oder um weitere Missstimmung in der taumelnden Ampel? Aufgefallen ist Merz jedenfalls in wenigen Tagen gleich mit zwei Forderungen, hinter die man zumindest ein dickes Fragezeichen setzen muss.

Kurz nach dem Attentat von Solingen forderte er öffentlichkeitswirksam, generell keine Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan mehr aufzunehmen. Dann ruderte er zurück und sprach von einem „faktischen“ Aufnahmestopp. Da war sein populistischer Vorstoß längst in der Welt. Jetzt, kurz nach den viel beachteten Wahlen im Osten, holt Merz wieder aus und fordert die sofortige Zurückweisung von Menschen an der deutschen Grenze, die über sichere Drittstaaten angereist sind und kein Visum besitzen. Erneut zweifeln Experten an der Rechtmäßigkeit. Der Vorschlag sei weder praktisch noch rechtlich umsetzbar, so der Tenor.

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Merz muss Fragen beantworten, auf die es eigentlich keine Antworten gibt

Ausgerechnet der erfahrene CDU-Politiker Elmar Brok, der fast 40 Jahre lang im EU-Parlament saß, ermahnt seine CDU jetzt aus einem weiteren Grund: Ein Vorpreschen Deutschlands – würde es den CDU-Vorschlag umsetzen – dürfe keinesfalls dazu führen, dass so die Nachbarländer allein belastet würden, warnt Brok – und zeigt sich besorgt, dass der europäische Binnenmarkt und die gesamte EU gefährdet werden könnte.

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Zwar gelingt es Merz aktuell, die Ampel vor sich herzutreiben. Es kann aber sein, dass er mit dem jüngsten Vorschlag Erwartungen weckt, die gar nicht zu halten sind. Zugleich muss er früher oder später selber Fragen beantworten, die eigentlich niemandem zu erklären sind: Warum hat die CDU einen Unvereinbarkeitsbeschluss gegen die Linke gefasst, der damals vor allem Personen um Sahra Wagenknecht galt, nun also in Teilen überholt ist, aber dennoch weiter gelten soll? Und der wahrscheinlich eine stabile Mehrheitsregierung verhindert.

Warum verhandelt seine CDU jetzt ausgerechnet mit dieser Politikerin und ihrem neuen BSW in zwei Ländern – obwohl die CDU das BSW auf Bundesebene in Teilen sogar mit der AfD gleichsetzt? Und warum bleibt die Linke um einen gemäßigten und geschätzten Politiker wie Bodo Ramelow außen vor?

An dieser Stelle ist der sonst so laute Merz bislang ziemlich leise.

Hintergrund: Darum geht es in der Debatte um Zurückweisungen an Grenzen