Berlin (dpa/AFP). Polizei und Staatsschutz ermitteln nach einem Sicherheitsvorfall am Wasserwerk der Luftwaffenkaserne Köln-Wahn wegen des Verdachts auf eine gegen die Bundeswehr gerichtete Sabotageaktion. Bislang gebe es noch keinen neuen Stand in dem Komplex, sagte eine Sprecherin auf Anfrage. „Die Ermittlungen laufen natürlich weiter.“
Bei dem Vorfall seien „abnorme Wasserwerte“ und dann ein Loch im Zaun festgestellt worden, sagte ein Sprecher der Bundeswehr in Köln vor der Kaserne. Das Militärgelände wurde daraufhin für Stunden abgeriegelt. Polizeibehörden, Militärpolizei („Feldjäger“) und der Militärische Abschirmdienst (MAD) waren vor Ort. Berichte, wonach es in den Reihen der Soldaten auch Krankheitsfälle gab, bestätigte die Bundeswehr nach Prüfung nicht.
Vorsorglich wurde daher die Wasseraufbereitungsanlage der Kaserne deaktiviert und Proben entnommen. Die Schnelltests bestätigten von der Norm abweichende Werte im Wasser, ohne jedoch Rückschlüsse auf Qualität und Quantität der Verunreinigungen zuzulassen.
Abschließende Befunde zum Trinkwasser liegen vor
Mittlerweile liegen die abschließenden Ergebnisse der vorgeschriebenen Überprüfungen vor. Es konnten keinerlei Überschreitungen von Grenzwerten der deutschen Trinkwasserverordnung festgestellt werden. Das Wasser kann wieder genutzt werden. Auf die zivile Wasserversorgung hatten die Vorkommnisse keinen Einfluss.
Die Kaserne durfte über Stunden nicht betreten oder verlassen werden, wurde dann aber wieder geöffnet. In Köln-Wahn sind mehrere Dienststellen untergebracht. Auch die Flugbereitschaft der Bundeswehr – zuständig für Reisen von Bundespräsident und Kanzler, von Kabinettsmitgliedern und hohen Regierungsbeamten – hat dort ihren Sitz.
Ermittelt wurde zunächst wegen Hausfriedensbruch gegen Unbekannt, wie die Polizei am Mittwoch mitgeteilt hatte. Aber auch der Staatsschutz sei eingeschaltet. Bei der Kölner Staatsanwaltschaft verwies man am Donnerstag ebenfalls auf die noch laufenden Ermittlungen. „Hier wurde noch kein Verfahren eingeleitet“, erklärte ein Sprecher der Behörde.
Experten warnen vor Aktionen gegen Militär und Infrastruktur
Seit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine wird die Sicherheitslage in Europa insgesamt neu bewertet. Sicherheitsexperten haben wiederholt gewarnt, dass auch militärische Infrastruktur Ziel von Ausspähungen oder Sabotageversuchen sein könne.
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Die Bundeswehr sprach von einem „Vorfall“, auf den der Betriebsdienst durch abnorme Wasserwerte aufmerksam geworden sei. Dann sei das Loch in dem zum Wasserwerk der Kaserne führenden Zaun entdeckt worden. Untersuchungen der veränderten Wasserwerte liefen, können nach Angaben von Experten aber noch einige Zeit in Anspruch nehmen.
Verdacht auf Sabotage in Kaserne besteht
Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte in Berlin, dass die Kaserne für Untersuchungen gesperrt worden sei, „weil es Verdacht auf einen Eindringversuch oder ein vollzogenes, illegales Eindringen gibt“. Er sagte: „Auch der Verdacht von Sabotage besteht.“ Oberstleutnant Ulrich Fonrobert, der für die Bundeswehr in Nordrhein-Westfalen sprach, sagte: „In der gestrigen Nacht hat es einen Vorfall in der Kaserne hinter uns gegeben. Dieser Vorfall hat dafür gesorgt, dass die Kaserne seitdem geschlossen worden ist.“ Die Bundeswehr nehme diesen Vorfall sehr ernst.
In der insgesamt angespannten Lage wurden auch am Rande des Nato-Flugplatzes Geilenkirchen – von dort starten und landen Aufklärungsflüge – verdächtige Beobachtungen gemacht. Berichten über eine Abriegelung des Militärflugplatzes wurde widersprochen. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen wurde aber zwischenzeitlich ein Mensch im Umfeld des Flughafens für Befragungen in Gewahrsam genommen. DerVerdacht erhärte sich demnach aber nicht. Eine Sicherheitsbehörde ordnete jedoch an, auch dort das Trinkwasser zu untersuchen. Es wurden aber keine Auffälligkeiten festgestellt.
Sicherheitspolitiker warnt vor hybrider Kriegführung Russlands
Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages, Konstantin von Notz (Grüne), warnte angesichts des sich Sabotage-Verdachts am Bundeswehr-Fliegerhorst Köln-Wahn vor hybrider Kriegführung Russlands. „Sollten sich die Verdachtsmomente bestätigen, zeigen sich erneut die realen Gefahren des hybriden Krieges, den Putins Russland gegen die westlichen Demokratien führt, für unsere Gesellschaft“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
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„Es gibt fast täglich Cyberangriffe, breiteste Desinformationskampagnen, die antidemokratische Parteien und Personen in Deutschland, Europa und den USA fördern und unsere Gesellschaft spalten sollen, aber es gibt eben auch Spionage und Sabotage“, warnte er. Von Notz forderte: „Die Ermittlung am Bundeswehr-Fliegerhorst in Köln-Wahn müssen entschlossen vorangebracht werden. Der Schutz der Soldatinnen und Soldaten auf und in den Liegenschaften der Bundeswehr ist essenzielle Grundlage für die wichtigen Aufgaben unserer Armee zum Schutz unseres Landes und seiner Menschen.“
Auch der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marcus Faber (FDP), hat den Verdacht auf Russland gelenkt. „Aufgrund der zeitlichen Nähe der Vorfälle in den beiden Kasernen kann man vermuten, dass ein feindlicher Akteur hier bei uns seine Sabotage-Fähigkeiten demonstrieren will“, sagte Faber am Mittwoch der „Bild“. „Der Akteur, der gerade das größte Interesse daran hat, ist Putin“, fügte er mit Blick auf den russischen Präsidenten hinzu. Ob dieser Verdacht sich bestätige, „müssen aber die weiteren Ermittlungen ergeben“, sagte der Verteidigungsexperte weiter.
Pistorius ruft zu erhöhter Aufmerksamkeit auf
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat nach den Sabotage-Verdachtsfällen zu erhöhter Aufmerksamkeit aufgerufen. „Wir haben an beiden Orten schnell reagiert, Zugänge gesperrt, Kontrollen verschärft, Ermittlungsbehörden eingeschaltet und Laboruntersuchungen veranlasst. Die Vorfälle zeigen, dass wir weiterhin wachsam bleiben müssen“, sagte Pistorius dem Magazin, „Spiegel“ laut Vorabmeldung vom Mittwochabend.
„Selbstverständlich überprüfen wir auch nach diesen Vorfällen unsere Absicherungspläne und passen diese bei Bedarf an“, fuhr Pistorius fort. „Dies ist bereits in Auftrag gegeben.“ Derzeit gebe es keine konkreten Hinweise auf einen Zusammenhang der beiden Vorfälle in Köln-Wahn und Geilenkirchen. „Jetzt gilt es, weitere Untersuchungsergebnisse abzuwarten und besonnen zu handeln. Dabei vertrauen wir auf die bewährte Zusammenarbeit mit den zuständigen Ermittlungsbehörden“, sagte der SPD-Politiker.