
Düsseldorf. „Die spinnen doch“, dachte Parfümeur Uwe Manasse, als er erstmals von der Idee hörte, einen „Duft der Demokratie“ zu entwickeln. Mit dieser Idee war Uwe Pöhls, Politikwissenschaftler aus Düsseldorf, vor einigen Monaten auf ihn zugekommen. Doch schnell ließ sich Manasse überzeugen – und machte sich an die Arbeit. Das Ergebnis ist ein Duft für Mann und Frau, der anregen soll, über Demokratie zu sprechen. Kann das funktionieren?
„Es kann sein, dass uns die Idee um die Ohren fliegen wird“, räumt Pöhls ein und lächelt. Doch das Risiko wollen er und sein insgesamt vierköpfiges Team eingehen. Natürlich sei die Aktion skurril und schräg; doch um einen Witz handle es sich nicht. Im Gegenteil: „Wir machen uns ernsthaft Sorgen um den Zustand der Demokratie. Wir wollen mit dieser Aktion klar Position beziehen“, erklärt Pöhls.
Der Politik- und Sozialwissenschaftler sowie Mitgründer einer Medienagentur beobachtet mit Sorgen den Aufstieg rechtsextremistischer Kräfte im Land. „Wir wollen auf unkonventionelle Art deutlich machen, dass wir unsere Demokratie verteidigen müssen.“
Anlass ist der 75. Geburtstag des Grundgesetzes
Pöhls ist Herausgeber vom „Blog der Republik“, der Themen aus Gesellschaft und Politik beleuchtet. In zehn Jahren seien beim Blog rund 91.000 Kommentare eingegangen. „Davon konnten wir nur 1.000 veröffentlichen. Der Rest waren meist üble Beschimpfungen“, sagt er. Dort, wo Toleranz und Vielfalt verloren gingen, werde das Fundament unseres Gemeinwesens zerstört. „Schon jetzt breiten sich mit dem Erstarken des Rechtsextremismus die verschiedensten Arten von Diskriminierung ungehindert aus“, glaubt Pöhls. „Wir haben den 75. Geburtstag unseres Grundgesetzes am 23. Mai zum Anlass genommen, um ein Parfüm zu kreieren, das den Duft der Demokratie und die mit ihr verbundenen Werte einfängt und widerspiegelt.“
Gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Dominik Marcol, seiner Tochter Katharina Pöhls, einer Psychologin mit dem Schwerpunkt auf Wirtschaftspsychologie und Marketing, und der angehenden Parfümeurin Maryam Zadeh hat er die Idee für eine „Duftmauer der Demokratie“ entwickelt. In den vergangenen Monaten hat das Team verschiedene Duftproben erarbeitet. „Wir sind keine Experten; aber wir denken, dass der Duft vielen Menschen gefallen könnte“, sagt Marcol. Zusammen setzt sich der Duft unter anderem aus den Bestandteilen Lindenblüten, Birkenlaub, Papier, Nelken, Weiße Rose, Olivenzweig und Tannenwald. Jede der Duftnoten wurde in Hinblick auf ihre Verbindung zu zentralen demokratischen Werten ausgewählt. So stehen die Lindenblüten zum Beispiel für Fortschritt und Gerechtigkeit; und Nelken für Vielfalt und Toleranz.
„Der Duft der Demokratie ist ausgewogen und bodenständig, nicht minimalistisch oder elitär“, sagt Pöhls. Es handelt sich um ein Unisex-Parfüm, das also von Frauen und Männern benutzt werden kann. Der Duft solle anregen, sich darüber Gedanken zu machen, was wir persönlich der Demokratie verdanken, was sie ausmacht und wie wir auch im Alltag die zugrunde liegenden Werte aktiv vertreten und umsetzen können, sagt Marcol.
Der Wunsch des Teams ist es, dass sich der Benutzer mit jedem Sprühstoß des Dufts daran erinnert, dass Demokratien in der Mehrheit sind - und dass ein aktiver Einsatz für die Demokratie benötigt wird. Gleichwohl glauben Pöhls und sein Team auch, dass die Demokratie in ihrem aktuellen Zustand ihre Bestform noch nicht erreicht hat - und ihre Kapazitäten noch nicht ausgeschöpft sind.