Handy-Frust an OWL-Schulen: Warum sich Schulleiter ein rigoroses Verbot wünschen

Bielefeld/Löhne. Caro Brauneis, Leiterin des Bielefelder Waldhof-Gymnasiums, hat genug. Genug von heimlichen Blicken aufs Handy-Display während des Unterrichts. Genug von zockenden Sechstklässlern, die so die gesamte Pause verbringen, ohne sich einmal gegenseitig anzugucken. Und genug von lauten Signaltönen in den Schulstunden, weil doch jemand wieder vergessen hat, leise zu stellen oder abzuschalten. Deshalb wünscht sie sich ein Handyverbot. Auch andere Schulen in OWL beschäftigt das Thema stark. Dabei haben viele längst klare Vorgaben für die Nutzung der Geräte. Am häufigsten gibt es die Regelung, dass Schüler-Handys während des Unterrichts stummgeschaltet in den Schultaschen liegen müssen und nicht herausgeholt werden dürfen. Schulleiterin Brauneis macht aber immer wieder die Erfahrung: Das reicht nicht. &bdquo;Die Schülerinnen und Schüler gucken natürlich trotzdem heimlich drauf. Oder sind abwesend, weil das Handy vibriert hat und sie sich fragen, wer geschrieben hat. Und in den Pausen ist der erste Griff der zum Smartphone, um zu gucken, was man verpasst hat.“ Seit Jahren beobachtet Brauneis, wie sich der übermäßige Medienkonsum von Schülern auf ihre Kompetenzen auswirkt. &bdquo;Zum Beispiel hinsichtlich Konzentrationsfähigkeit, Sozialverhalten und fehlendem Sprachgefühl sehen auch meine Kollegen eine stetige Verschlechterung.“ Hardcore-Pornos an Schule in Herford Auch Andreas Schleef, Leiter der Goethe-Realschule in Löhne, kennt die Problematik. &bdquo;Hinzu kamen Vorfälle wie der, dass ein Schüler ein Enthauptungs-Video herumzeigte. An einer anderen Schule, wo ich tätig war, wurden während des Unterrichts Hardcore-Pornos rumgeschickt.“ Deshalb hat Schleef per Schulkonferenz-Beschluss genau das Handy-Verbot eingeführt, das auch Schulleiterin Brauneis in Bielefeld vorschwebt: Bei Betreten des Schulgeländes müssen alle die Geräte bis zum Verlassen ausschalten. Beim Verstoß gegen die Regel werden die Handys konfisziert. &bdquo;Das kommt aber selten vor.“ Positiv verändert hat sich in Schleefs Augen seither vor allem das Bild auf dem Schulhof in den Pausen. &bdquo;Es findet wieder viel mehr Interaktion im echten Leben statt. Das sagt vor allem unsere Schulsozialarbeiterin, die den Vergleich mit einer anderen Schule hat, an der sie tätig ist.“ Martina Reiske, Leiterin der Sudbrackschule in Bielefeld, gefällt die Idee. Ihre Schilderungen zeigen, dass der Handy-Frust bei Weitem kein Problem der weiterführenden Schulen ist. &bdquo;An unserer Grundschule haben 60 bis 70 Prozent der Drittklässler ein Handy. Und bei den noch Kleineren haben wir häufig das Problem, dass Eltern während des Unterrichts über die Smartwatch anrufen, um zu hören, ob das Kind gut angekommen ist. Es ist unsäglich.“ Schulleiter aus Bad Salzuflen bezweifelt Wirksamkeit Das, was sich etliche der befragten Schulleiter in OWL wünschen, ein offiziell vom Land NRW ausgesprochenes Handy-Verbot in Schule, gibt es in NRW nicht - und auch in kaum einem anderen Bundesland. Nur Bayern schreibt ein im Schulgesetz verankertes Handyverbot vor. Auf eine entsprechende Anfrage teilt das Schulministerium NRW mit: &bdquo;Die Schulordnung kann die Nutzung von Handys auf dem Schulgelände einschränken, wenn gleichzeitig sichergestellt wird, dass Schülerinnen und Schüler im Falle eines berechtigten Interesses das Handy verwenden können.“ Auch die Wegnahme der Geräte sei als erzieherische Einwirkung ausdrücklich zulässig, wobei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten sei. Dass es bei dieser Form der Sanktionierung im echten Leben zu Problemen kommen kann, zeigt das Beispiel der Gesamtschule Aspe in Bad Salzuflen. Hier ließ eine Lehrerin im Unterricht versehentlich das Tablet eines Schülers fallen. &bdquo;Die Kosten wurden vom Land zwar erstattet“, sagt Schulleiter Oliver Dudek. &bdquo;Aber das war ein langwieriger Prozess - und anschließend kam die Anweisung, Schülergeräte künftig nicht mehr in die Hand zu nehmen.“ Ohnehin hält Dudek ein Handyverbot für fragwürdig. &bdquo;Zum einen wickeln wir einen Gutteil der schulischen Organisation über die Geräte ab, informieren Schüler zum Beispiel auf diese Weise über Unterrichtsausfall.“ Zum anderen ließen sich Smartphones für Internetrecherchen häufig gewinnbringend im Unterricht einsetzen. Beim Verband lehrer.nrw hält man ebenfalls nichts von einem generellen Handyverbot. &bdquo;Das ist in unseren Augen nicht zielführend“, so die stellvertretende Vorsitzende Sarah Wanders. Dennoch weiß man auch hier: &bdquo;Sinn und Unsinn der Handynutzung in der Schule ist ein Dauerbrenner-Thema – und vielerorts ein echtes Ärgernis. Handys haben insbesondere im Klassenraum nichts zu suchen. Dass Schülerinnen und Schüler im Unterricht ihre Social Media Accounts pflegen oder gar Foto- und Videoaufnahmen vom Unterrichtsgeschehen machen und womöglich online stellen, ist ein absolutes No-Go.“ Generelles Handyverbot stößt auf Ablehnung Auch bei der EU-Initiative klicksafe stößt die Idee eines generellen Handyverbots eher auf Ablehnung. &bdquo;Kinder und Jugendliche wachsen in dieser digitalen Welt auf und das einzige, was sie vor ihren Risiken schützt, ist die Vermittlung von Medienkompetenz“, sagt Referentin Lisa Buschmann. &bdquo;Das muss überall passieren, im Elternhaus und in der Schule. Wenn Kinder und Jugendliche damit allein gelassen werden oder ausschließlich Verbote erfahren, kann es nur schiefgehen.“ Ein Beispiel, wie gut Schule zur Vermittlung von Medienkompetenz beitragen kann, hat Buschmann auch: &bdquo;Wir wissen von Schulen, wo Schüler über mehrere Jahre einen Handyführerschein machen. Wenn sie den haben, dürfen sie ihr Handy in der Schule nutzen. Das funktioniert dort gut.“ Gleichzeitig sehen auch Buschmann und ihre Kollegen große Probleme.&bdquo;Wir bekommen häufig mit, dass soziale Medien, exzessive Mediennutzung und die Verbreitung ungeeigneter Inhalte sowohl Eltern als auch Schulen vor große Herausforderungen stellt, die von beiden Seiten nur schwer zu bewältigen sind.“ Bielefelder Kinderarzt warnt vor psychischen Erkrankungen Der Bielefelder Kinderarzt Uwe Büsching hat deshalb im vergangenen Jahr mit Kollegen eine Leitlinie entwickelt, um Eltern eine Entscheidungsgrundlage zum Umgang mit digitalen Bildschirmmedien zu geben. &bdquo;Wir sehen weltweit einen Zusammenhang zwischen Social Media und immer mehr psychischen Erkrankungen bei Jugendlichen. Wir sehen weit verbreitet das FOMO-Syndrom, die Angst, etwas zu verpassen, wenn man nicht ständig am Bildschirm hängt. Und der erste Schritt zur Prävention kann nur sehr bewusste Führung und Begleitung von Minderjährigen in Sachen Bildschirmzeiten sein.“ Auch die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin Haike Schauf plädiert für klare Regeln - weiß aber auch, dass die in vielen Familien viel zu kurz kommen. &bdquo;Viele Eltern scheuen ihre Verantwortung für klare Entscheidungen und die damit verbundenen Konsequenzen. Sie überlassen ihren Kindern die Entscheidung - und überfordern sie damit. In meiner Praxis formulieren alle Kinder und Jugendliche den Wunsch nach klarer Ansage und damit Orientierung aus der Erwachsenenwelt.“

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