Umweltminister Krischer: „Egge ist eines Nationalparks würdig“

Herr Minister, Regionen können sich seit drei Monaten für einen zweiten Nationalpark in NRW bewerben. Jetzt ist Halbzeit. Rennt man Ihnen die Türen ein? OLIVER KRISCHER: Es gibt Diskussionen am Niederrhein am Reichswald; am Rothaarkamm in Siegen-Wittgenstein; im Arnsberger Wald und in Köln. Ebenso in der Eifel, wo sogar über einen zweiten Nationalpark nachgedacht wird. Wird es denn einen zweiten Nationalpark geben? Oder haben Sie inzwischen Zweifel? Wir haben das im Koalitionsvertrag vereinbart. Ich wüsste nicht, warum das nicht klappen sollte. Uns war vorher klar, dass das Projekt in den Regionen vielfältige und nicht einfache Diskussionen entfachen würde. Aber ich bin optimistisch, dass das am Ende auch gelingen wird. Und OWL hat mit der Egge die besten Karten? Die Egge ist von ihrer Natur her Nationalpark-würdig. Das steht außer Zweifel. Die Chancen sind sicherlich gut. Aber es gibt von uns überhaupt keine Festlegung. Wir werden keiner Region einen Nationalpark überstülpen. In OWL gibt es seit Monaten intensive Diskussionen. Der Kreistag Höxter hat gegen das Projekt gestimmt. Dort und im Kreis Paderborn laufen aber inzwischen Bürgerbegehren. Das könnte am Ende dazu führen, dass ein Nationalpark Egge dennoch kommt. Spricht man dadurch den Kreistagsvertretern ihre Legitimation ab und greift man so die Demokratie an? Nein, überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil. Der Kreistag ist das gewählte Gremium und hat eine Entscheidung getroffen. Die erkenne ich an. Genauso legitim ist es, wenn nun Bürger ein Bürgerbegehren durchführen und so Einfluss nehmen wollen. Das ist gelebte Demokratie. Das zeichnet uns aus. Was ist, wenn auch der Kreistag Paderborn gegen das Projekt votiert – dort aber ein Bürgerentscheid für einen Nationalpark ausfällt? Ich denke, wenn im Rahmen einer demokratischen Wahl eine Entscheidung für einen Nationalpark fällt, dann wird da am Ende niemand dran vorbeigucken können. Eine Bürgerentscheidung ersetzt in diesem Fall dann einen Kreistagsbeschluss. In einer NRW-weiten Umfrage sprach sich eine Mehrheit für einen Nationalpark Egge aus. Spielt das für Sie eine Rolle? Bei Umfragen bin ich immer ein bisschen zurückhaltend, weil man damit auch Politik betreiben kann. Deshalb sind sie für mich in diesem Fall auch nicht so entscheidend. Es ist offensichtlich, dass es in OWL nicht die eine Meinung zum Thema Nationalpark gibt. Das war in der Eifel genauso, bevor dort vor 20 Jahren der erste Nationalpark in NRW gegründet wurde. Letztlich muss die Region die Entscheidung treffen; das können wir als Landesregierung nicht gegen den Willen eines Kreises von oben durchsetzen. Was passiert, wenn zum Beispiel die Bürger in Höxter für einen Nationalpark stimmen und die in Paderborn dagegen? Die Kreise sollen sich mit einem konkreten Gebietszustand bewerben. Wir geben als Land ja bewusst keine Gebietskulisse mit klaren Grenzen eines potenziellen Nationalparks vor. Wenn also zum Beispiel in OWL ein Kreis dagegen votiert, heißt das nicht automatisch, dass das Projekt beendet ist, sondern dass sich möglicherweise einfach die Gebietskulisse ändert. Wie hoch sind die Kosten für eine Kommune? Auch da empfehle ich einen Blick in die Eifel: Dort gibt es im Prinzip überhaupt keine Kosten für die umliegenden Kommunen. Der Nationalpark wird vom Land finanziert, das wäre bei einem zweiten genauso. Auf Kommunen kommen erstmal überhaupt keine Kosten zu. Im Gegenteil: Die Wertschöpfung nimmt erheblich zu. Halten Sie am Zeitplan fest? Das ist zunächst mal unser Ziel. Wir haben jetzt Halbzeit, der Startschuss liegt drei Monate zurück. Wenn es aber am Ende eine positive Diskussion in einer Region gibt, dann wird die nicht an Tagen scheitern. Wenn das Verfahren also nicht bis zum 31. März 2024 beendet sein sollte, würde das nicht zwingend das Aus bedeuten. Aber wir wollen auch keine unendlich lange Diskussion. CDU-Abgeordnete aus OWL, mit denen Sie in Düsseldorf koalieren, positionieren sich öffentlich gegen einen Nationalpark Egge. Wie finden Sie das? Wenn wir in allen Fragen die gleiche Meinung hätten, würde aus uns eine Partei. Es ist für mich völlig in Ordnung, wenn sich Kollegen artikulieren, die vor Ort Verantwortung tragen. Das gehört zu einem professionellen Verhalten dazu. Mir ist nur wichtig, dass es am Ende fair zugeht und dass es in einer Region zu einer klaren Entscheidung kommt. Reicht der Naturschutz in der Egge nicht heute schon aus? Deutschland muss noch eine Menge mehr Schutzgebiete ausweisen. Wir haben in unserem Land ein Artensterben. Ein Nationalpark als höchste Schutzkategorie ist eine Antwort darauf. Und er bietet auch die Möglichkeit für Bildung und Tourismus in einer Region. Das begeistert mich. Ich glaube, da hat die Egge durchaus Entwicklungspotenzial. Kritiker sagen: Die Egge muss so bleiben, damit die Menschen weiter das Holz und die Wanderwege nutzen können. Was antworten Sie? In der Eifel gab es anfangs ähnliche Diskussionen. Dort wurde ein neues Wanderwege-Konzept erstellt – mit besserer Beschilderung. Das hat dazu geführt, dass es dort neue und viel bessere und schönere Wege gibt. Ein Nationalpark bietet also die Chance, ein Naturgebiet für Menschen überhaupt erst erlebbar zu machen. Dass auch mal ein Weg stillgelegt wird, gehört dazu. Beim Holz ist es so, dass natürlich Prozessschutz stattfinden soll, damit die Natur sich selber entwickelt. Aber wir werden auch in einem Nationalpark in dessen Entwicklungsphase für eine lange Zeit eine Holzentnahme behalten, wo Holz also weiter geerntet werden kann. In der Eifel ist das auch nach 20 Jahren an einigen Stellen noch möglich.

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