Frauen übernehmen kriminelle Verantwortung - und sind weniger im Behörden-Fokus

Bielefeld. Frauen spielen in Strukturen der Organisierten Kriminalität teilweise eine enorm wichtige Rolle, dazu gehören beispielsweise Gruppen aus dem Clan-Milieu oder der Mafia. Zu diesem Ergebnis kommt eine noch nicht veröffentlichte Studie der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die Mara Seisselberg jetzt bei einem internationalen Kongress zur Bekämpfung der Clankriminalität vorgestellt hat. Organisierte Kriminalität werde vor allem als Männerphänomen gesehen, viele sähen Frauen eher als Opfer der kriminellen Strukturen. "Unsere Studie zeigt aber auch, dass Frauen wichtige und zentrale Rollen in der Organisierten Kriminalität einnehmen", sagt die Expertin. Frauen würden tendenziell als nicht gewalttätig und den Entscheidungen von Männern unterlegen wahrgenommen. "Dadurch können sie aber von den Behörden eher unentdeckt agieren", warnt Seisselberg. Frauen agierten zwar generell eher im Hintergrund. Das mache sie aber nicht weniger bedeutend oder gefährlich. Frauen leiten immer wieder Mafia-Clans Die Studie zeige auf, dass Frauen in fast allen Märkten und auf fast allen Hierarchieebenen der Organisierten Kriminalität vertreten seien. Mal sei es die Leitung, mal gehe es um Geldwäsche. "Frauen können auch gewaltsam sein oder diese zumindest in Auftrag geben", sagt Seisselberg. Manchmal sei die Rolle der Frau aber auch beratend oder beeinflussend für den Partner oder andere Familienmitglieder, die Teil der kriminellen Strukturen sind. Seisselberg berichtet von einer Frau, die in den frühen 2000er Jahren einen 'Ndrangheta-Clan maßgeblich angeführt haben soll. In Ermittlungsakten sei sie jahrelang als die wahre Chefin der Organisation geführt worden. Bei der 'Ndrangheta handelt es sich um die italienische Mafia aus dem südlichen Kalabrien. Die Frau habe über Strategien und Aktivitäten entschieden, zudem habe sie Bürger eingeschüchtert und gewaltvolle Erpressungen in Auftrag gegeben. Die Führungsrolle habe sie von ihrem Bruder übernommen, während dieser auf der Flucht war. Oft durch Partner oder Familie in Strukturen gerutscht "Die 'Ndrangheta gilt bei vielen als patriarchalisch, doch es zeigt sich, dass Frauen eine wichtige Rolle spielen können", sagt Seisselberg. Weitere Beispiele habe es in der Vergangenheit auch bei anderen Mafia-Gruppen wie der Cosa Nostra gegeben. Jüngsten Medienberichten zufolge stünden sogar immer mehr Frauen an der Spitze von mafiösen Strukturen. Seisselberg nennt ein weiteres Beispiel: 2019 sei eine niederländisch-marokkanische Frau verschwunden, die unter anderem große Drogenimporte organisiert haben soll. Es sei nicht unwahrscheinlich, dass sie wegen ihrer bedeutenden Rolle und aufgrund von Konflikten im internationalen Drogenhandel getötet worden sei. Häufig gelangten Frauen durch ihre Partner oder ihre Familien in die Strukturen der Organisierten Kriminalität. "Armut ist zudem ein Risiko, wie bei Männern auch", sagt Seisselberg. In niedrigeren Hierarchien gehe die Rekrutierung von Frauen allerdings oft mit emotionaler oder sexueller Gewalt einher. "Während Männer häufig ihren Nutzen für die Strukturen beispielsweise durch Gewalt bis hin zu Mord unter Beweis stellen müssen, ist das bei Frauen nicht so", sagt die Expertin. Frauen mit wichtiger Rolle in Clan-Strukturen Eine wichtige Rolle können Frauen auch in Clan-Strukturen spielen. "Hier geht es beispielsweise um die Weitergabe von Clan-Kultur, der Ideologie oder dem Schweige- und Ehrenkodex", sagt Seisselberg. Die Sozialisierung spiele in diesem Milieu oft eine zentrale Rolle bei der Entwicklung krimineller Karrieren und sichere die kulturelle Kontinuität des Clans. Laut Seisselberg fehle es den Ermittlungsbehörden an grundlegenden Daten. So sammeln die Sicherheitsbehörden nicht immer Informationen zu den Partnerinnen oder Müttern von männlichen Mitgliedern der Organisierten Kriminalität. "Der Zusammenhang zwischen Partnerschaft oder Familie mit dem kriminellen Geschäftsfeld wird oft übersehen", sagt sie. "Frauen bleiben dadurch unbemerkt – und straffrei."

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