So erleben Frauen Gewalt in der gynäkologischen Versorgung

Bielefeld. Gewalt gegen Frauen kann sich auf alle Lebensbereiche erstrecken, auch in der gynäkologischen Versorgung. Geforscht wird jedoch vor allem zu Gewalt in der Geburtshilfe, obwohl Frauen lebenslang gynäkologisch versorgt werden. Die Gesundheitswissenschaftlerin Céline Miani von der Universität Bielefeld will das ändern und eröffnet ein neues Forschungsgebiet, um herauszufinden, wie es dazu kommt. Dafür wird sie vom Europäischen Forschungsrat für fünf Jahre mit einem 1,39 Millionen Euro dotierten Starting Grant gefördert. Was bedeutet Gewalt in der gynäkologischen Versorgung? Bei Gewalt in der Geburtshilfe und in der gynäkologischen Versorgung handelt es sich nach Angaben Mianis um eine systematische und geschlechtsspezifische Form von Gewalt gegen Frauen. &bdquo;Sie bezieht sich jedoch nicht nur auf körperliche Übergriffe, sondern auch auf Erfahrungen, die als missbräuchlich oder entmenschlichend empfunden werden.“ Dazu zählen medizinische Handlungen ohne vorherige Einwilligung, die Nichtbehandlung von Schmerzen wie bei der Einlage einer Spirale sowie Diskriminierung aufgrund persönlicher Merkmale oder sexueller oder reproduktiver Entscheidungen. &bdquo;Der Begriff Gewalt mag in diesem Kontext extrem erscheinen, doch er wird bereits seit Jahrzehnten in der Forschung und in einigen Teilen der Welt auch in der Politik verwendet“, erklärt Miani. Andere Begriffe wie Missbrauch oder Misshandlung eignen sich nach Angaben der Gesundheitswissenschaftlerin nicht so gut, weil sie sich vor allem auf zwischenmenschliche Gewalt beziehen. &bdquo;Der Begriff Gewalt kann hingegen auch auf strukturelle Probleme hinweisen.“ Miani sieht Gewalt in der Geburtshilfe und in der gynäkologischen Versorgung deshalb nicht unbedingt als Folge böswilliger Absichten einzelner Ärzte, Pfleger oder Hebammen, sondern auch als Ergebnis von Versorgungssystemen. &bdquo;Auch die Belastungen des Personals können eine Rolle spielen, wenn zum Beispiel Druck auf Frauen während der Geburt ausgeübt wird, um Eingriffe zur Beschleunigung durchzuführen, weil Personal fehlt.“ Miani vermutet, dass auch die Ausbildung medizinischer Fachkräfte zum Problem beiträgt, weil die Erfahrungen von Patientinnen nach wie vor nur eine untergeordnete Rolle spielen. &bdquo;Geschlechtsnormen und die gängigen Erwartungen an Frauen in Bezug auf Reproduktion und Sexualität prägen auch heute noch.“ Warum wurde Gewalt in der gynäkologischen Versorgung bislang kaum erforscht? Miani erklärt die Lücke mit einer Voreingenommenheit im Bereich der Forschung zu Frauengesundheit, die sich vor allem auf Fruchtbarkeit, Schwangerschaft und Geburt konzentriert. &bdquo;Die Bedeutung von Schwangerschaft und Geburt für die Gesundheit von Frauen kann nicht geleugnet werden, doch Versorgung darf sich nicht nur auf das reproduktive System konzentrieren.“ Die Gynäkologie begleite Frauen von der Pubertät bis zum Lebensende und habe deshalb einen viel breiteren Anwendungsbereich als die Geburtshilfe. Aufgrund der Vielzahl an Kontakten zu Gynäkologen im Leben einer Frau, geht Miani davon aus, dass die meisten Patientinnen mindestens einmal im Leben Gewalt erlebt haben. &bdquo;Es gibt viele Berichte von Betroffenen, die auf eine hohe Prävalenz von Gewalt hindeuten.“ Welches Ziel verfolgt die neue Forschung? Miani möchte herausfinden, wie sich diese Form der Gewalt manifestiert, wie viele Frauen betroffen sind, welche Bevölkerungsgruppen besonders häufig Gewalt erleben und welche gesundheitlichen Folgen damit verbunden sind. &bdquo;Dabei geht es nicht um Schuldzuweisungen gegen Einzelne, sondern darum herauszufinden, wie es zu dieser Form der Gewalt kommt“, erklärt die gebürtige Französin. &bdquo;Wir hoffen, dass wir mit Patientinnen, aber auch mit medizinischen Fachkräften und Gesundheitsorganisationen zusammenarbeiten können, um die gynäkologische Versorgung für alle zu verbessern.“ Denn Gewalt in der gynäkologischen Versorgung kann laut Miani schwere gesundheitliche Auswirkungen haben. &bdquo;Diese Form der Gewalt kann der physischen Gesundheit schaden, durch Eingriffe oder mangelnde Versorgung.“ Die Gewalt könne aber auch Auswirkungen auf das Privatleben und intime Beziehungen haben sowie zu psychischen Belastungen und Erkrankungen führen, wie posttraumatische Belastungsstörungen, Depressionen oder Ängste. &bdquo;In der Folge können diese Probleme dazu führen, dass die zukünftige Inanspruchnahme von Gesundheitsversorgung behindert wird, weil Betroffene das Gesundheitssystem meiden.“ Forschung zu Gewalt in der Geburtshilfe hat nach Angaben Mianis bereits gezeigt, dass sie Auswirkungen auf die Gesundheit der Frauen sowie die Bindung zwischen Mutter und Kind und das Stillen hat.

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