Frühchen-Versorgung: "Drei statt sechs Kliniken reichen für OWL und Lippstadt aus"

Bielefeld/Düsseldorf. Die Versorgung extremer Frühchen wird sich auch in NRW ab 2024 auf weniger Kliniken konzentrieren. Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht von unter 1.250 Gramm dürfen dann nur noch dort versorgt werden, wo mindestens 25 solcher Kinder pro Jahr behandelt werden. Diese Vorgabe erfüllen in NRW derzeit 29 der 41 Level-1-Perinatalzentren. Nach Einschätzung von Experten reichen für OWL sowie Lippstadt drei der insgesamt sechs Zentren aus. Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) als höchstes Gremium der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen verschärft mit der Hochsetzung der Mindestmenge auf 25 Kinder die Vorgaben für Kliniken, um das Sterberisiko extremer Frühchen um fünf Prozent zu verringern. Ein Prozent aller Geburten sei von der Mindestmenge betroffen. NRW rechnet nach Angaben des Gesundheitsministeriums 2024 mit 1.600 Fällen, davon etwa 180 in OWL und Lippstadt. Wo diese Patienten künftig versorgt werden, ist jedoch noch nicht klar. Das Gesundheitsministerium erklärt zwar, dass sich die Klinikplanung an den GBA-Vorgaben orientiert, jedoch zunächst das Prognoseverfahren der Krankenkassen abgewartet werden muss. Nach Angaben eines Sprechers befürwortet jedoch auch NRW eine Zentralisierung. Diese Kliniken erfüllen die neue Vorgabe Die Mindestmengen-Transparenzliste der AOK zeigt für den Zeitraum Juli 2021 bis Juli 2022, dass 29 der 41 Level-1-Perinatalzentren in NRW die neue Mindestmenge von 25 Frühchen erfüllen. In der Region erreichen das evangelische Klinikum Bethel mit 49 Fällen, die Frauen- und Kinderklinik St. Louise in Paderborn mit 32, das Johannes-Wesling-Klinikum Minden mit 30 und das evangelische Krankenhaus Lippstadt mit 27 Fällen die neue Vorgabe. Das Klinikum Lippe (23) und das Klinikum Herford (15) hingegen nicht. In Herford und Detmold gehen die Kliniken jedoch mit Verweis auf höhere Zahlen in der Vergangenheit davon aus, dass sie die Vorgaben ab 2024 wieder erfüllen werden. Spätestens am 7. Oktober erwarten die Krankenhäuser dazu die Rückmeldung der Krankenkassen. Kinderzentrum Bethel hat Kapazitäten für mehr Frühchen Die Kliniken in Herford und Detmold sowie andere Zentren, die die neue Vorgabe nicht oder nur knapp erfüllen, erklären, dass die flächendeckende Versorgung in Gefahr ist, wenn sie künftig keine extremen Frühchen mehr versorgen dürfen. Der Grund: Die übrig gebliebenen Kliniken hätten keine Kapazitäten für mehr Patienten. Das stimmt für OWL jedoch nur bedingt, wie der ärztliche Direktor des Kinderzentrums Bethel, Eckard Hamelmann, erklärt: &bdquo;Wir haben im neuen Kinderzentrum in Bielefeld Kapazitäten für zusätzliche Patienten geschaffen.“ In der Frauen- und Kinderklinik St. Louise in Paderborn ist das nach Angaben des Chefarztes der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Friedrich Ebinger, aktuell nicht der Fall. &bdquo;Wir haben aber Pläne für eine Erweiterung der Infrastruktur eingereicht, um unsere Kapazitäten der Entwicklung anzupassen. Für die Umsetzung ist jedoch eine Förderung durch das Land NRW erforderlich.“ Seit zwei Jahren suche die Klinik immer wieder das Gespräch mit der Landesregierung, auch mit Blick auf mögliche zusätzliche Patienten in Folge der neuen GBA-Vorgabe. &bdquo;Wir bleiben dran.“ Entscheidung zwischen Minden, Lippstadt, Detmold oder Herford Nach Einschätzung Hamelmanns sollten für eine flächendeckende und gute Versorgung in OWL und Lippstadt drei anstatt der bisherigen sechs Kliniken ausreichen – "wenn man die entsprechenden Studien zugrunde legt, die für eine optimale Versorgung circa 60 sehr kleine Frühgeborene jährlich pro Klinik vorrechnen“. Dies könnten die beiden größten Standorte Bielefeld und Paderborn sowie ein dritter Standort leisten, also entweder Minden, Lippstadt, Detmold oder Herford. &bdquo;Die Zentralisierung ist wichtig, um mehr Leben zu retten“, erklärt Hamelmann. &bdquo;Dabei geht es nur um die Versorgung der wenigen extremen Frühchen in spezialisierten Kliniken und nur um die erste kritische Phase. Danach erfolgt, sobald dies möglich ist, die Verlegung in die Klinik, die näher am Wohnort liegt.“ Größere Frühgeborene und normale Neugeborene sollen laut Hamelmann auch weiterhin in den bestehenden Zentren mit angeschlossener Kinderklinik versorgt werden. Drei Kliniken hält auch Ebinger bei angepasster Infrastruktur in Paderborn für ausreichend für die Region. &bdquo;Debatte wird auf dem Rücken der schwächsten Patienten ausgetragen“ Das Konzept der Erstversorgung in spezialisierten Zentren und der frühen Verlegung wird laut Ebinger bereits teilweise gelebt. Doch zu einer übergreifenden Kooperation aller betroffenen Klinikträger in der Region ist es laut Hamelmann bislang nicht gekommen. &bdquo;Ich habe vorsichtig bei einigen Kliniken angefragt, doch aktuell überwiegt die Angst vor anstehenden Veränderungen.“ Hamelmann rechnet deshalb damit, dass die meisten Klinikträger juristisch alles dafür tun werden, um weiterhin extreme Frühchen versorgen zu können. &bdquo;Es ist schade, dass Kooperationen in der derzeit angespannten wirtschaftlichen Lage vieler Häuser so schwer möglich sind.“ Offenbar brauche es eine Entscheidung vonseiten der Politik, weil eine Absprache zwischen den Kliniken nicht zu erreichen sei, moniert Hamelmann. &bdquo;Ich bedaure, dass diese Debatte auf dem Rücken der schwächsten Patienten ausgetragen wird.“

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