Klinikgipfel: In OWL ist keine Einigung für die Reform in Sicht

Bielefeld. Krankenhäuser stehen wirtschaftlich stark unter Druck. Um das zu ändern, plant NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) seit 2019 die nach seiner Aussage größte Klinikreform in NRW. Dafür hat er alle Akteure an einen Tisch geholt, die sich regional möglichst selbst darauf einigen sollen, welche Kliniken künftig noch welche Leistungen anbieten werden. Doch bereits in der ersten Phase der Reform, den Verhandlungen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen, stockt es. Nach Angaben von sechs Krankenhausträgern in OWL gibt es keinen Konsens. Am 17. Mai werden Kliniken und Kassen ihre Verhandlungsergebnisse an die Bezirksregierungen übermitteln. &bdquo;Die einvernehmlichen Ergebnisse werden geprüft und die strittigen Verfahren geschichtet“, heißt es aus dem NRW-Gesundheitsministerium. Auf dieser Grundlage werde das Land dann bis Ende 2024 entscheiden, welches Krankenhaus künftig noch welche Leistungen anbieten darf. Doch zu einer Einigung ist es in der Region nach Angaben des Klinikums Bielefeld, des Klinikums Lippe, des evangelischen Klinikums Bethel (EvKB), der katholischen Hospitalvereinigung Ostwestfalen (KHO), der Mühlenkreiskliniken (MKK) und der katholischen Hospitalvereinigung Weser-Egge (KHWE) nicht gekommen. &bdquo;Es gibt so gut wie keinen Konsens. Kein Geschäftsführer ist dazu bereit, Leistungen abzugeben“, sagt Johannes Hütte, Geschäftsführer des Klinikums Lippe. &bdquo;Ein inhaltlicher Diskurs über einzelne Leistungen hat nicht stattgefunden. Jede Klinik hat die Leistungen beantragt, die es anbietet und in Zukunft vielleicht anbieten möchte“, sagt Christian Jostes, Geschäftsführer der KHWE. Die Krankenkassen bewerten die Verhandlungen anders. &bdquo;Es gab an vielen Stellen Einigungen“, sagt Thomas Fritz, Bereichsleiter Krankenhaus bei der AOK Nordwest. &bdquo;Natürlich gibt es auch Dissens. Doch in den meisten Fällen müssen Kliniken nicht befürchten, dass ihre Fallzahlen zurückgehen. Es geht meist nur um eine Umverteilung. So verzichtet eine Klinik beispielsweise auf kardiologische Leistungen, baut aber in der Orthopädie aus.“ Doch unabhängig davon, ob es regional Einigungen gibt, wird das Gesundheitsministerium 2024 entschieden. Die Krankenhausträger in OWL halten das jedoch für einen Irrweg. Unsicherheit durch zwei Klinikreformen Um den wirtschaftlichen Druck auf Kliniken abzuschwächen, das Personal zu entlasten und die Patientenversorgung zu verbessern, entwickelt nicht nur NRW-Gesundheitsminister Laumann eine Reform, sondern auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Die Minister planen allerdings nicht gemeinsam, sondern parallel. Das sorgt für Verunsicherung. &bdquo;Die Klinikreform auf Bundesebene ist für uns nicht zu bewerten, weil noch zu viel Unklarheit herrscht. Insbesondere die künftige Finanzierung der Krankenhäuser gleicht einer Blackbox“, kritisiert Michael Ackermann, Geschäftsführer des Klinikums Bielefeld. &bdquo;Zudem weist die Klinikreform in NRW deutliche Unterschiede zur Variante aus Berlin auf.“ Gemeinsam haben beide Reformen nach Angaben Ackermanns jedoch, dass sie aus einer Verlierer-Perspektive heraus gestartet werden. &bdquo;Über allem steht die Frage, welche Krankenhäuser welche Leistungen abgeben müssen. Das ist kein guter Start für einen konstruktiven Austausch, der die Zukunft der Krankenhäuser sichern soll.“ Treiber der Reformen sind nach Angaben der Klinikträger zum einen der wirtschaftliche Druck und zum anderen der demografische Wandel. &bdquo;Die Zahl der Patienten steigt, während die Zahl der Beschäftigten sinkt. Mit den Reformen will die Politik nun dafür sorgen, dass die Zahl der Kliniken zurückgeht, damit für die übrig gebliebenen Krankenhäuser ausreichend Personal zur Verfügung steht. Doch das wird so nicht funktionieren“, warnt Hütte. &bdquo;Nicht alle Mitarbeiter werden weitere Anfahrten in Kauf nehmen“, ergänzt Olaf Bornemeier, Vorstandsvorsitzender der MKK. Kritik üben die Klinikträger auch an den Plänen von Lauterbach, das Finanzierungssystem über Fallpauschalen abzuschaffen, um die Ökonomie in der Kliniklandschaft zu überwinden. &bdquo;Ein Ende der Ökonomie in Kliniken wird es nicht geben. Wer das behauptet, ist unseriös, denn wir brauchen mehr Ökonomie, damit die Ressourcen auch in Zukunft noch für alle reichen“, sagt Georg Rüter, Geschäftsführer der KHO. &bdquo;Der Bund sollte stattdessen Fehlkonstruktionen wie das Pflegepersonalstärkungsgesetz streichen, denn es führt zu steigenden Kosten, setzt Fehlanreize und verschärft den Personalmangel.“ Auskömmliche Finanzierung der Investitionskosten Für die geplante finanzielle Entlastung der Kliniken sind die Reformen nach aktuellem Stand ungeeignet, sagen die Klinikträger in OWL. &bdquo;Stärkung und Absicherung sind bislang nicht in Sicht, da es lediglich um eine Umverteilung der Mittel geht“, kritisiert Ackermann. Dabei gehe die Schere zwischen Kosten und Erlösen bei den Krankenhäusern immer weiter auf, sagt Mathias Kreft, Vorsitzender Geschäftsführer des EvKB. &bdquo;Wir haben extreme Kostensteigerungen durch die Inflation, können die Mehrkosten aber im Gegensatz zu anderen Branchen nicht durch höhere Preise abfedern, weil sie staatlich festgelegt sind.“ Nach Angaben von Jostes fehlen allein der KHWE durch Kostensteigerungen jedes Jahr Millionen. &bdquo;Das Geld muss irgendwie erwirtschaftet werden. Möglich ist das jedoch nur durch Einsparungen oder die Erhöhung der Fallzahlen. Mehr Stellschrauben haben Kliniken nicht.“ Dieses Problem wirkt sich nach Angaben von Matthias Ernst, Geschäftsführer des EvKB, bereits auf die Patientenversorgung aus. &bdquo;Betten und OP-Säle können nicht mehr voll ausgelastet betrieben werden und das führt zu längeren Wartezeiten für Patienten. Da braut sich gerade der perfekte Sturm zusammen.“ Eine Umverteilung der Mittel reiche deshalb nicht aus, warnt Ernst. &bdquo;Das Ding fährt gerade mit Vollgas an die Wand und ich habe manchmal den Eindruck, dass das politisch gewollt ist“, moniert Jostes. Lesen Sie auch den Kommentar: Krankenhausreform in OWL: Auf das Land wartet viel Arbeit An erster Stelle der Forderungen steht in OWL eine auskömmliche Finanzierung der Investitionskosten. &bdquo;Der Investitionsstau ist so hoch wie nie, weil das Land seiner Pflicht zur auskömmlichen Finanzierung seit Jahrzehnten nicht nachkommt“, erklärt Rüter. &bdquo;Das ist auch der Grund dafür, warum die Energiekrise viele Krankenhäuser so hart trifft. Die CO2-Bilanz der Kliniken in NRW ist schlechter als die der Stahlindustrie.“ Flächendeckende Grundversorgung in OWL sicher Ziel der Klinikreformen ist nach Angaben von NRW-Gesundheitsminister Laumann die Stärkung einer flächendeckenden Grundversorgung, sodass 90 Prozent der Bevölkerung in 20 Autominuten ein Krankenhaus erreichen können. Spezialisierungen sollen in wenigen großen Kliniken gebündelt werden, um eine Überversorgung abzubauen. Diese Ziele sind nach Angaben der Klinikträger in OWL bereits zu großen Teilen durch Veränderungen in der Kliniklandschaft erreicht worden. &bdquo;Es gibt bereits eine ordentliche und flächendeckende Grundversorgung“, sagt Rüter (KHO). Das gelte auch für ländliche Teile wie den Kreis Höxter, ergänzt Jostes (KHWE). Im Kreis Minden-Lübbecke herrscht angesichts eines hohen zweistelligen Millionen-Defizits der Mühlenkreiskliniken aktuell Sorge um den Fortbestand der fünf Standorte. &bdquo;Die Grundversorgung wäre aber auch dann gesichert, wenn wir die Zahl der Standorte von fünf auf drei reduzieren würden“, erklärt MKK-Geschäftsführer Bornemeier. Überkapazitäten sehen die Klinikträger in OWL nicht als Problem. &bdquo;Das ist an Rhein und Ruhr anders, dort sind Klinken in Rollatoren-Entfernung erreichbar“, sagt Jostes. &bdquo;Die Versorgung in OWL ist hingegen bedarfsorientiert“, erklärt Ernst (EvKB) . &bdquo;Die Bündelung von Spezialisierungen und Kooperationen finden zum Wohle der Patienten längst statt.“ Ambulante und stationäre Versorgung verzahnen Zur Verbesserung der Patientenversorgung fordern die Klinikträger in OWL eine Verzahnung der ambulanten und stationären Versorgung. &bdquo;Seit Jahrzehnten kündigt die Politik eine Aufweichung der Sektorengrenzen an, doch sie sind noch immer betoniert“, kritisiert Ernst (EvKB). &bdquo;Kein anderes Land gönnt sich so eine strikte Trennung zwischen den Versorgungsbereichen, obwohl es auch in Deutschland einen Trend zur Ambulantisierung gibt“, sagt Rüter (KHO). &bdquo;Trotzdem dürfen Kliniken ambulanten Patienten auch dann keine MRT- oder CT-Untersuchungen anbieten, wenn die Geräte in den Kliniken nicht genutzt werden oder Patienten keine kurzfristigen Termine in einer Praxis erhalten.“ Rüter sieht im Bereich der niedergelassenen Ärzte Kartellstrukturen, die über die kassenärztlichen Vereinigungen organisiert werden. &bdquo;Selbst kleine Öffnungen der Krankenhäuser für die ambulante Versorgung sind nur nach schweren juristischen Auseinandersetzungen möglich.“ Ernst fordert deshalb, dass die Politik klare Versorgungsaufträge an Kliniken und Praxen verteilt. &bdquo;Im Fokus muss der Patient stehen, weshalb die geplanten Reformen nicht nur die Kliniken, sondern die gesamte Gesundheitsversorgung umfassen müssen“, ergänzt Bornemeier (MKK). &bdquo;Probleme bestehen auch im niedergelassenen Bereich, doch der Sektor wird, wie schon bei vergangenen Reformen, komplett ausgeklammert.“

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