Aus für Kernkraft und Kohle: Drei Energieformen sollen NRW-Netz sichern

Düsseldorf. In 2022 machte Kohle rund 30 Prozent und Kernkraft 6 Prozent der deutschen Stromversorgung aus. Letztere fällt seit diesem Samstag weg. Und in sieben Jahren will zumindest NRW auch aus der Kohleverstromung aussteigen. Und dann? Eine Antwort ist klar: Das Land will vor allem Wind- und Sonnenenergie massiv ausbauen. Oberste Priorität der Politik ist es, die Leistung der Windkraft von aktuell rund sechs Gigawatt mindestens auf zwölf Gigawatt zu verdoppeln. Die Leistung durch Photovoltaik soll sogar auf bis zu 24 Gigawatt verdreifacht werden. Das Problem: Beide Energieformen stehen im Gegensatz zu Kohle und Kernkraft nicht konstant zur Verfügung. Wo kommt also der Strom her, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint? In NRW gibt es drei schlummernde Energiequellen, die bislang eine sehr kleine Rolle spielen: Wasserkraft, Biomasse und Geothermie. Doch die neue Landesregierung von CDU und Grünen misst allen drei Formen großes Potenzial bei. Was heißt das konkret? Wasserkraft Strom aus Wasserkraft wird kontinuierlich bereitgestellt und gilt damit als grundlastfähig. In NRW erzeugen rund 450 Wasserkraftanlagen 660 Gigawattstunden Strom, was rechnerisch den Jahresbedarf von mehr als 200.000 Haushalten deckt. Mit einer installierten Leistung von rund 230 Megawatt liegt das Land bundesweit auf Platz 4. Knapp die Hälfte der gesamten Leistung ist an 38 Talsperren installiert, die für die Stromerzeugung aus Wasserkraft genutzt werden. Insgesamt gibt es aber 81 Talsperren – hier sehen Experten noch viel Potenzial. In OWL stehen 113 Wasserkraftanlagen; der Kreis Höxter liegt sogar mit 44 Anlagen landesweit auf Platz 2. Der Ausbau der Wasserkraft verläuft aber stockend. 2022 kamen in NRW nur drei neue Anlagen dazu, moniert der Landesverband Erneuerbarer Energien (LEE). Das größte Potenzial sieht der LEE darin, Anlagen zu modernisieren, zum Beispiel durch den Austausch von Getriebe oder Generatoren. So könnten Stromerträge um bis zu 25 Prozent erhöht werden. Das Land will das wirtschaftliche Potenzial jetzt neu bewerten, teilt das NRW-Wirtschaftsministerium auf Anfrage mit. Biomasse In NRW gibt es rund 1.400 Anlagen, die Biogas aus Mist, Mais, Gülle und anderen Pflanzen erzeugen. Ihr Anteil an der Stromversorgung ist mit 15 Prozent (1,1 Gigawatt) zwar deutlich höher, doch auch ihr Zubau fiel mit acht Anlagen in 2021 in NRW eher gering aus. Dabei eignet sich Biogas laut Ministerium ebenfalls bestens, um Leistungsschwankungen im Netz ausgleichen, also, wenn punktuell wenig Energie durch Wind- und Sonnenkraft ankommt. Biogas hat zudem den Vorteil, dass es speicherbar ist und damit flexibel zur Netzstabilität beitragen kann, so das NRW-Ministerium. Der LEE glaubt, dass die Erzeugung deutlich erhöht werden könnte, wenn flächendeckend Bioabfälle mit Braunen Tonnen eingesammelt und energetisch genutzt würden. Auch CDU und Grüne in NRW fordern einen Ausbau. Der Bund prüft tatsächlich aktuell, ob biogene Abfallstoffe genutzt werden können. Geothermie Bei Geothermie, also Erdwärme, wird Tiefenwasser durch eine Förderbohrung an die Oberfläche gepumpt. Bei tiefen Bohrungen gibt das heiße Wasser seine Energie über Wärmetauscher an ein Wärmenetz ab und wird anschließend wieder in die Tiefe geleitet. Das Land bezeichnet diese Form als unerschöpflich und grundlastfähig. Sie sei für die künftige Wärmeversorgung von zentraler Bedeutung, da sie oberflächennah für Gebäude und Quartiere genutzt werden kann – und in tieferen Gesteinsschichten auch für ganze Wärmenetze geeignet ist. Doch das Land steht erst am Anfang und ermittelt derzeit potenzielle Gebiete. Ein neues Portal gibt Auskunft darüber, wo Erdwärme in NRW verbreitet ist – regional sogar bis in eine Tiefe von mehr als 5.000 Metern. Erste Messungen sehen zum Beispiel Potenzial im Ruhrgebiet und Rheinland. Politische Reaktionen Die Fraktionen im Landtag sehen in den drei Energieformen Potenzial. Das müsse jetzt genauso wie Solar- und Windkraft vollständig ausgeschöpft werden, fordert FDP-Politiker Dietmar Brockes. Sowohl ein besser ausgebautes Stromnetz als auch vielfältige Speichermöglichkeiten seien dringende Voraussetzung, um Dunkelflauten zu überbrücken und die Stromversorgung abzusichern. "Da brauchen wir mehr Tempo. Ein smartes und flexibles Energiesystem ist bisher die Vision, aber lange noch nicht Wirklichkeit. Solange das Energiesystem der Zukunft noch in der Entwicklungsphase ist, sollten wir die letzten Kernkraftwerke noch nicht zurückbauen, sondern in Bereitschaft halten", sagt der FDP-Politiker. In einer weiteren Krisenlage könnte Deutschland diese gesicherte klimafreundliche Leistung erneut brauchen. Fazit Die drei Energieformen können Kohle und Kernkraft nicht eins zu eins ersetzen, aber sie stellen eine Ergänzung zur Wind- und Sonnenkraft da, vor allem weil sie grundlastfähig und verlässlich verfügbar sind. NRW macht sich auf den Weg und will die Potenziale neu prüfen, steht damit aber am Anfang – und ist auch auf weitere Schritte des Bundes angewiesen.

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