Rietberger Raubmord: Wieso die Täter für 700 Euro Bargeld töteten

Rietberg. Es ist ein Verbrechen, dessen Brutalität für Entsetzen sorgt: Am Abend des 3. Novembers im Jahr 2015 erreichen zwei Männer das einsam gelegene Anwesen von Heinz und Werner S. in Rietberg-Westerwiehe (Kreis Gütersloh), ein dritter Täter wartet im Auto. Sie wollen das große Geld. Mit brachialer Gewalt wollen sie aus dem Brüderpaar herauspressen, wo diese eine größere Summe Bargeld versteckt haben. Bis zu einer Million Euro vermuten die Männer im Haus. Schließlich stirbt Heinz S. unter den Foltern seiner Peiniger. Die Brüder sind zum Tatzeitpunkt 63 und 64 Jahre alt, beide sind Junggesellen. Seit dem Tod der Eltern leben sie allein auf dem Hof in der ostwestfälischen Kleinstadt und betreiben eine Autowerkstatt, die einen guten Ruf genießt. In Westerwiehe gilt das Brüderpaar als fleißig und bescheiden. Die Bareinnahmen ihrer Arbeit verwalten sie auch in bar. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Artur T., einer der Täter, davon wusste und mehrere hunderttausend Euro in einem Versteck des Gebäudes vermutete. Der Fall ist nun Thema in einer neuen Episode von "OstwestFälle - dem True-Crime-Podcast der Neuen Westfälischen Tage vorher haben die Täter ihr Ziel bereits ausgekundschaftet, bevor sie am 3. November im wahrsten Sinne des Wortes zuschlagen. In der Tatnacht werden die beiden Brüder von den Tätern in Westerwiehe körperlich misshandelt und gefesselt. Die Männer verletzen Werner S. schwer. Immer wieder prügeln sie mit verschiedenen Gegenständen auf ihn ein, bis er das Bewusstsein verliert. Den herzkranken Heinz S. überschütten sie mit Spiritus. Sie drohen ihm, ihn anzuzünden, schlagen ihn und erwürgen ihn mit bloßen Händen. Trotz dieser Foltermethoden verraten die Brüder den Männern nicht, wo sie das Geld versteckt haben. Als die Täter trotz Drohungen nichts herausfinden, flüchten sie vom Tatort. Die Beute: 700 Euro und eine Armbanduhr. Als der 64-jährige Heinz S. stirbt, ist sein Körper übersät mit Hämatomen, Narben, Kratzern und Blut. Er liegt auf dem Boden, ist an Händen und Füßen gefesselt. Die Obduktion des Mordopfers ergibt später, dass Heinz S. durch Erwürgen zu Tode kam. &bdquo;Eindeutig sind zwei Hände benutzt worden", berichtet die Rechtsmedizinerin vor Gericht. "Der Vorgang hat minutenlang gedauert." Die Fakten zu den Rietberger Raubmorden: - Die Brüder Heinz S. Und Werner S. haben eine Summe von insgesamt 390.000 Euro auf ihrem Anwesen in Ostwestfalen versteckt. - Werner S. gelingt es zwei Stunden nach dem Raubüberfall, sich zu befreien und die Polizei zu alarmieren. Sein schwer misshandelter Bruder stirbt. - Zwei der Täter werden Ende Januar verhaftet. Der Dritte setzt sich in sein Heimatland Polen ab und wird dort im September 2017 verhaftet. - Die beiden mutmaßlichen Täter und auch der später in Polen festgenommene Piotr L. machten in den Prozessen entweder keine Aussagen oder präsentierten unterschiedliche Versionen des Tathergangs, inklusive weiterer Mittäter. - Nach langwierigen Prozessen wird Robert D. schließlich wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, Artur T., wegen schweren Raubes zu sechs Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. - Der Prozess gegen den dritten Täter Piotr L. beginnt erst im November 2021. Er wird wegen schweren Raubes und Körperverletzung zu zehn Jahren Haft verurteilt. 2016 stürmen SEK-Beamte der Polizei zwei Wohnungen in Gütersloh Die Ermittlungen der Polizei in Westerwiehe beginnen unmittelbar nach der Tat. Zunächst sammeln und sichern die Ermittler die auf dem weitläufigen Anwesen zahlreiche Spuren. Eine Woche nach der Tat veröffentlicht die Polizei Phantombilder der beiden mutmaßlichen Täter. Es dauert einige Tage, bis sich die Staatsanwaltschaft konkret zum Fall äußert, aus ermittlungstaktischen Gründen, wie es heißt. Es folgen mehrere SEK-Einsätze in Ostwestfalen, während der die Polizei die falschen Wohnungen ins Visier nehmen. Ende Januar 2016 stürmen Eliteeinheiten der Polizei dann zwei weitere Wohnungen in Gütersloh und nehmen schließlich zwei 46 und 48 Jahre alte Männer fest, Artur T. und Robert D. Ein entscheidendes Puzzlestück bei der Suche nach den Männern sind dabei DNA-Spuren, die die Ermittler an Panzerklebeband und Kabelbindern sichern. Auf die Schliche von Artur T. kommen die Beamten auch durch eine Wanze an dessen Auto. Diese hatte die Polizei angebracht, weil sie vermutet hatte, dass Artur T. zu einer Autoschieber-Bande gehöre. Es stellt sich heraus, dass sich genau dieses Auto zur Tatzeit am Gehöft in Rietberg-Westerwiehe befindet. Den dritten Tatverdächtigen, Piotr L., identifizieren die Ermittler im April 2016, nachdem dieser sich in Polen abgesetzt hat. Der erste Prozess: Angeklagte wegen gemeinsamen Mordes verurteilt Insgesamt drei Prozesse zum Rietberger Raubmord durchlaufen die Angeklagten vor dem Bielefelder Landgericht, bis die endgültigen Haftstrafen verlesen werden. Der Prozess gegen Artur T. und Robert D. wird mehrfach verschoben, statt wie geplant im Juli 2016 beginnt der Prozess erst am 1. September 2016. Die Anklage vertritt Oberstaatsanwalt Christoph Mackel. Die beiden Angeklagten schweigen zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen. Das überlebende Opfer, Werner S., wirkt gefasst, auch als es um Detailfragen zum Tatabend geht. Nur Fotos vom Tatort kann er sich nicht ansehen. Einen Tag vor Heiligabend 2016 verurteilt das Gericht die beiden Angeklagten wegen gemeinschaftlichen Mordes und gemeinschaftlich versuchten Mordes zu lebenslangen Freiheitsstrafen. Das Gericht hält es für erwiesen, dass alle drei Tatbeteiligten den Überfall gemeinsam geplant und durchgeführt haben. Der zweite Prozess in Bielefeld: Robert D. macht ein Geständnis Im Dezember 2017, etwa ein Jahr nach Ende des ersten Prozesses gegen die Angeklagten Artur T. und Robert D., hebt der Bundesgerichtshof die beiden Urteile auf. Der zweite Prozess zum Rietberger Raubmord beginnt. Als Grund geben die Karlsruher Richter des Bundesgerichtshofs eine fehlerhafte Gesetzesanwendung und Beweisführung seitens des Bielefelder Landgerichts an. Erst fast zwei Jahre nach der Tat, im Dezember 2017, wird Piotr. L, Spitzname &bdquo;Der Terminator", in Polen verhaftet. Er erscheint vor Gericht, äußert sich aber vorerst nicht. Nach einigen Sitzungen, in denen sich Artur D. und Robert D. in verschiedenen Behauptungen verstricken, kündigt Artur T. ein Geständnis an. Der Angeklagte gibt zu, das Fluchtauto gefahren und in einem Baumarkt Kabelbinder, Klebeband und Verdünnung gekauft zu haben. Eine Tötungsabsicht bestreitet er jedoch. Das Gericht verurteilt ihn wegen schweren Raubes und gefährlicher Körperverletzung zu sechs Jahren und neun Monaten Haft. Am 28. Mai 2019 verurteilt das Gericht Robert D. wegen Mordes in Tateinheit mit schwerem Raub und gefährlicher Körperverletzung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Der dritte Prozess: Der dritte Täter sagt aus Nach monatelangen Verzögerungen wird Piotr L. im Oktober 2021 nach Deutschland ausgeliefert. In diesem Prozess stellt der wegen Mordes verurteilte Robert D. nun Artur T. als den Drahtzieher des Überfalls dar. Er habe alles geplant, für den Tod von Heinz S. sei Piotr L. verantwortlich gewesen. Piotr L lässt über seine Anwälte eine Erklärung verlesen. Demnach habe Artur T. die Idee zu dem Überfall gehabt und habe alles genau geplant, da er über alle nötigen Informationen verfügte. Den Mord an Heinz S. lastet er Robert D. an. Er selbst habe Angst bekommen und sei einfach geflüchtet. Piotr L entschuldigt sich für die Tat und wird vom Gericht wegen schweren Raubes und Körperverletzung zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt. Der überlebende Bruder wird die Todesangst, die er in dieser Nacht erlebte, vermutlich nie vergessen. Vor Gericht wirkte Werner S. zwar sehr gefasst, doch als es darum ging, am Richtertisch Fotos vom Tatort in Augenschein zu nehmen, schienen ihn die Geschehnisse jener Novembernacht im Jahr 2015 wieder einzuholen. Immer wieder musste S. zwischendurch zu seinem Stuhl zurückkehren und sich setzen.

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