Anlieger sollen länger für Straßenneubau zahlen – Gesetz auf der Zielgeraden

Düsseldorf. Die Kosten für den Bau neuer Straßen, die auf Anlieger umgelegt werden, erhitzen aktuell die Gemüter in NRW. Wie viel politischen Sprengstoff die sogenannten Erschließungsbeiträge bergen, zeigte sich auch am Freitag im Landtag. Mehrere Anlieger verfolgten live die Sitzung des Kommunalausschusses und konnten ihren Ärger nur schwer zurückhalten. Für einige geht es um Tausende Euro. Am Ende überwog die Enttäuschung. Anlass ist eine Gesetzesänderung, die der Landtag am Mittwoch mit hoher Wahrscheinlichkeit beschließen wird. Sie sieht im Kern vor, dass Anlieger weiterhin in großem Umfang an den Neubaukosten von Straßen finanziell beteiligt werden dürfen. Seit einem Jahr gilt in NRW die Regel, dass die Kommunen nach dem Baubeginn einer Straße – die Rede ist vom Spatenstich – 25 Jahre Zeit haben, um den Bau abzuschließen und bis zu 90 Prozent der Kosten auf die Anlieger umzulegen. Diese Regel soll aber wegfallen. "Damit können die Erschließungsbeiträge wieder bis in alle Ewigkeit abgerechnet werden", kritisierte Justus Moor (SPD) jetzt im Ausschuss. Somit kann es sein, dass Anlieger nach vielen Jahren und sogar nach noch Jahrzehnten eine Rechnung in Höhe von Tausenden oder Zehntausenden Euro erhalten. Die Landesregierung springe damit Zehntausenden Anliegern "mit Karacho" in den Rücken, sagte Moor. Dirk Wedel (FDP) sprach von einer "völlig unkalkulierbaren Frage" für Anlieger, wann die Beiträge eintrudeln. Der Kern des Problems Kern des Problems ist, dass Straßen für die Bürgerinnen und Bürger oft als fertig und erschlossen wirken, sie es aber nach Auffassung der Kommunen noch gar nicht sind. Zum Beispiel, wenn noch einzelne Straßenlaternen gebaut werden müssen. Doch erst, wenn eine Straße vollständig erschlossen ist, gilt die sogenannte Vorteilslage, die wiederum eine Abrechnung und finanzielle Umlage auf die Anlage zur Folge hat. Dies kann in einigen Fällen erst Jahrzehnte nach dem Neubau der Straße der Fall sein. NRW wollte diesen Missstand beheben, indem es vor einem Jahr die Regel einführte, dass der Vorgang 25 Jahre nach Baubeginn abgeschlossen sein muss. Dass die Regierung dies aber nun schon wieder zurücknimmt, sorgt für Frust. "Sie haben sich von den kommunalen Spitzenverbänden vor den Karren spannen lassen", kritisierte FDP-Mann Wedel. Grund sei, dass die 25-Jahres-Regel die Kommunen Hunderte Millionen Euro kosten würde. Die Opposition glaubt, dass die Regierung dem Druck der Kommunen nachgegeben hat. Robin Korte (Grüne) entgegnete, dass es "ungerecht" sei, die Allgemeinheit für den Straßenbau zahlen zu lassen – in Form von Steuererhöhungen oder Leistungskürzungen. Dies würde aber beim Beibehalten der 25-Jahres-Regel nötig werden, da die Kommunen die Kosten allein nicht stemmen könnten. Zugleich betonten die Regierungsfraktionen von CDU und Grünen, dass die 25-Jahres-Regel verfassungswidrig sei und sie deshalb zurückgenommen werden müsse. So, wie die Regel vor einem Jahr durch den Landtag gegangen sei, "war sie nicht zulässig", räumte auch NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) ein. Es brauche jetzt Rechtssicherheit, sagte Heinrich Frieling (CDU) – und erntete von den anwesenden Anliegern höhnisches Gelächter. Zuschauer verlassen kopfschüttelnd die Sitzung Scharrenbach wies auch den Vorwurf der unendlichen Abrechnungsmöglichkeit für Kommunen überraschend zurück. Nach 30 Jahren sei keine Abrechnung mehr möglich, unabhängig vom Eintritt der Vorteilslage, sagte die Ministerin mit Verweis auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts. Auch Korte sagte: "Die alten Fälle sind schon jetzt nicht mehr abrechenbar." Das würde bedeuten, dass Anlieger, deren Straßenneubau mehr als 30 Jahre zurückliegt, doch nicht finanziell beteiligt werden könnten. In den Reihen der Opposition führten diese Aussagen zu Verwunderung. FDP-Politiker Webel äußerte große Zweifel, dass die von Scharrenbach angesprochene 30-Jahres-Regel auch auf den neuen Gesetzesentwurf übertragen werde. FDP und SPD fordern deshalb weiterhin eine "sofortige Kurskorrektur" der Gesetzespläne. Letztlich wurde der Entwurf aber mit der Mehrheit von CDU und Grünen durchgewunken und soll am Mittwoch vom Landtag beschlossen werden. Die Anlieger verließen die Ausschusssitzung kopfschüttelnd mit einem ironischen Abschiedsgruß: "Vielen Dank auch."

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