Elternküche in Bethel hilft Krebspatienten: "Ich habe geweint vor Glück"

Bielefeld. Der Duft der Weihnachtsplätzchen erfüllt die Küche im Kinderzentrum des Evangelischen Krankenhauses in Bethel (EVKB). Es ist Zeit für die Elternküche – und Leni nascht. Selbstverständlich? Nein, das ist es nicht. Die Zehnjährige ist an Krebs erkrankt, ihr Mund ganz wund. &bdquo;Krebs verändert oft das Geschmacksempfinden. Appetitlosigkeit ist die Folge. Das gemeinsame Schnippeln und Kochen in der Elternküche unterstützt die Therapie. Die Kinder kommen aus der Ohnmacht ins Handeln. Und essen in der Gemeinschaft ist einfach schön“, erklärt Dr. Norbert Jorch, Leiter der Kinderonkologie im EVKB. Sein Haus gehört zu den größten zehn Kinderonkologien in Deutschland und setzte schon sehr früh darauf, Ergotherapeuten einzubinden. Diese Form der Elternküche in einem Krankenhaus ist einzigartig, ihre positive Wirkung unbestritten. Zum einen können Eltern ihren Kindern selbst etwas zubereiten, zum anderen kochen und essen betroffene Patienten gemeinsam. &bdquo;Leni mochte wochenlang nichts essen. Nur in der Elternküche beim Freitagskochen hat sie mitgeschnippelt und sich ganz automatisch was in den Mund gesteckt. Ich habe geweint vor Glück“, sagt Silke Pfeufer. &bdquo;Mein Kind hat sich immer Tik-Tok-Videos übers Kochen und Essen angeschaut, so als wollte sie etwas abrufen, was sie vergessen hat.“ Initiative hat zwei wichtige Ziele erreicht Initiator der Elternküche ist der Verein &bdquo;HandanHand – Elterninitiative krebskranker Kinder“ aus Bad Salzuflen. Seit 26 Jahren betreuen Ehrenamtliche, die alle selbst betroffen sind oder waren, Familien, deren Kinder auf der Onkologie im Kinderkrankenhaus Bethel behandelt werden müssen. &bdquo;Als mein 2007 verstorbener Sohn an Krebs erkrankte, habe ich festgestellt, wie gut es tut, sich am Krankenbett mit anderen Erwachsenen auszutauschen“, erzählt Tilly. Den 57-jährigen Glasermeister ließ diese Erfahrung nicht mehr los, er engagiert sich seit 2000 als Vorstandsvorsitzender. Mit dabei sind auch Christina Tilly (Bad Salzuflen), Dietlef Wiedey (Bielefeld), Monika Cziomer (Rietberg) sowie Vincenza Polloschek (Bielefeld) und Cornelia Reicherseder (Enger). &bdquo;Die medizinische Versorgung war und ist vielfach hervorragend. Aber es gibt Defizite beim Drumherum“, erklärt Tilly. Zwei ganz wichtige Ziele hat &bdquo;HandanHand“ in Zusammenarbeit mit der Onkologie verwirklicht: Die Einrichtung der Elternküche mit angeschlossenem Elterncafé und Ergotherapeuten, für die inzwischen feste Stellen eingerichtet wurden. Anfangs war die Skepsis groß Fantasievoll und kreativ setzt sich &bdquo;HandanHand“ für mehr Natürlichkeit im Kinderkrankenhaus Bethel ein. Ein typisches Beispiel ist die Aktion &bdquo;Kroki“. Um den krebskranken Kindern die Angst vor den unangenehmen Untersuchungen zu nehmen, sollten sie am Pappmasche-Krokodil &bdquo;Kroki“ üben. Das wurde nicht einfach repariert, sondern reanimiert, per Hubschrauber und Rettungswagen abtransportiert und genau untersucht – einschließlich Röntgen. Das alles wurde fotografiert, ausgestellt und als Buch gebunden. &bdquo;Krebstherapie ist ein Auf und Ab. Dieses einzuordnen und von einem selbst Betroffenen zu hören, dass es gar nichts Gravierendes bedeuten muss, ist unbezahlbar“, sagt Tilly. Es braucht Unterstützung in vielfacher Hinsicht, damit Familien die Zeit überstehen. Ein Baustein sind Elternküche und Elterncafé. &bdquo;Anfangs war die Skepsis gegen die Elternküche enorm. Als aber gesehen wurde, welche positiven Effekte das gemeinsame Kochen hat, wurde die Nutzung ausgeweitet auf Kinder mit Diabetes und mit psychosomatischen Erkrankungen“, erzählt Tilly. Jetzt ist eine Küche auch fest in die Planung im neuen Gebäudekomplex integriert. 60.000 Euro hat der Verein für den Neubau gespendet. Patient stellt Kochbuch zusammen Krankenhausträger haben für vieles kein Geld. &bdquo;Manchmal ist es aber wichtig, frei entscheiden zu können, ob ein Kind mit Spiel und Spaß seine Motorik trainiert oder heute nur eine Massage verträgt“, sagt Tilly. Er ist überzeugt, dass die Pionierarbeit bewirkt hat, dass stärker auf die Bedürfnisse der Kinder eingegangen werden konnte. Killian aus Lage beispielsweise schwärmt noch heute von der Mehlschlacht. Vom gemeinsamen Kochen war der Junge sogar so angetan, dass er für die anderen Kinder ein Kochbuch mit seinen Lieblingsrezepten zusammengestellt hat. Auch er liebte das Backen zur Weihnachtszeit. Und wenn der Duft der Plätzchen die Küche erfüllt, dann kann eben kaum jemand widerstehen zu naschen.

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