So sorglos geht NRW mit Sprachtests für Kinder um

Düsseldorf. Die in Nordrhein-Westfalen obligatorische Durchführung des Kindersprachtests "Delfin 4" hat in den Pandemiejahren gelitten – wie schwer, wissen allerdings nicht einmal die zuständigen Ministerien. In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage des SPD-Abgeordneten Dennis Maelzer werden Angaben gemacht, die kaum richtig sein können – und das sind sie auch nicht, wie eine Abfrage dieser Redaktion in Kreisverwaltungen ergeben hat. Das nordrhein-westfälische Ministerium für Kinder und Familie hatte für den Kreis Paderborn nur neun durchgeführte Delfin-4-Tests im Jahr 2021 ausgewiesen. Dabei sollen es nach Angaben des Kreises 86 gewesen sein. Im Kreis Lippe waren es laut Pressestelle im gleichen Zeitraum nicht wie vom Land angegeben fünf, sondern 348 Sprachprüfungen. Im Kreis Minden-Lübbecke soll es dem Ministerium zufolge gar null durchgeführte Tests gegeben haben, tatsächlich waren es nach lokaler Auskunft 279. Delfin 4 steht für "Diagnostik, Elternarbeit, Förderung der Sprachkompetenz in Nordrhein-Westfalen bei 4-Jährigen". Durch die sogenannte Sprachstandsfeststellung wird überprüft, ob die Sprachentwicklung eines Kindes altersgemäß ist. Sie erfolgt zwei Jahre vor der Einschulung. Von 2007 bis 2014 wurden Vierjährige generell getestet; seit 2015 werden ausschließlich die Kinder geprüft, die nicht in eine Kindertageseinrichtung gehen. Aus Sicht der SPD "tappt das Land völlig im Dunkeln" Die Delfin-4-Zahlen werden vom Schulamt an die jeweiligen Bezirksregierungen gemeldet. Im Kreis Minden-Lübbecke vermutet man jetzt einen "zeitlichen Versatz der Meldungen". Doch auch wenn das Ministerium in seiner Antwort auf die Kleine Anfrage des SPD-Politikers Maelzer erklärt, dass die Daten "aufgrund der Rahmenbedingungen der Pandemie nicht voll valide" seien, fallen die Unterschiede ziemlich groß aus. "Da bleibt einem schon die Spucke weg", sagt Maelzer. "Bei der Sprachstandsfeststellung tappt das Land völlig im Dunkeln." Unterm Strich hat das Ministerium in den Coronajahren 2020 und 2021 einen landesweiten Rückgang von 10.324 auf 5.172 Kindersprachtests ausgewiesen. In jener Zeit habe Delfin 4 "aufgrund der Pandemie nicht uneingeschränkt wie üblich durchgeführt" werden können. Kann man angesichts der nun naheliegenden Vermutung, dass wohl auch die Zahlen für viele andere Städte und Kreise nicht richtig sind, von einer Halbierung der Sprachtests in Nordrhein-Westfalen ausgehen? Obwohl das Haus der Ministerin für Kinder und Familie, Josefine Paul (Grüne), auf die Kleine Anfrage geantwortet hat, ist für Pressenachfragen das CDU-geführte Schulministerium zuständig. Die CDU selbst hatte eine Deutschpflicht für Grundschulkinder angemahnt Aus diesem heißt es, dass es bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage "zu Übertragungsfehlern gekommen" sei, so dass "einigen Schulamtsbezirken nicht die korrekten Zahlen zugeordnet wurden". Dieser Fehler werde nun "schnellstmöglich korrigiert". Es ist gerade drei Jahre her, dass der heutige CDU-Vize Carsten Linnemann aus Paderborn in markigen Worten eine Deutschpflicht für Grundschulkinder angemahnt hatte. Eingeschult werden solle nur, wer die Sprache ausreichend beherrscht, sagte er. Der damalige CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak, inzwischen Generalsekretär der Landes-CDU, sprang ihm bei und forderte Sprachuntersuchungen vor der ersten Klasse. Der SPD-Landtagsabgeordnete Maelzer spricht angesichts der Verwirrung innerhalb der schwarz-grünen NRW-Landesregierung von einem "Kommunikationschaos". Dies sei ärgerlich, weil Abgeordnete auf valide Zahlen angewiesen seien. Die Auskünfte der Ministerien wirkten auf ihn "wenig professionell und lassen das Vertrauen in die Informationspolitik der Landesregierung kontinuierlich sinken – zumal das nicht zum ersten Mal in dieser Legislaturperiode passiert ist".

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