Lindner will Fracking ermöglichen - Vorstoß jetzt auch in OWL

Düsseldorf. Der Fahrplan für die Energieversorgung in NRW stand schon fest: Bis es genug Energie aus Wind und Sonne gewinnen könne, wollte das Land auf Gas setzen – und bis zu 12 zusätzliche Gaskraftwerke bauen. Das kündigte der damalige Landeswirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) zu Jahresbeginn gegenüber dieser Zeitung an. Seit dem Ukraine-Krieg hat sich die Situation entscheidend verändert. Gas wird knapp und dürfte als Übergangstechnologie ausscheiden. Was sind die Alternativen? Bundesfinanzminister dringt jetzt auf einen schnellen Einstieg in die Förderung von heimischem Schiefergas mittels Fracking. Auch Bayerns CSU-Regierungschef Markus Söder brachte das Fracking kürzlich ins Spiel, also die Gasgewinnung im eigenen Land. Ein Ansatz, um die Energieversorgung zu sichern? "Wir haben in Deutschland erhebliche Gasvorkommen, die gewonnen werden können, ohne das Trinkwasser zu gefährden", sagte Lindner vor wenigen Tagen den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Es sei nicht verantwortbar, aus ideologischen Festlegungen auf Fracking zu verzichten; eine Förderung sei auch "unter ökologischen Voraussetzungen verantwortbar", so Lindner. Umweltverträgliches Fracking sei an mehreren Standorten in Deutschland "möglich". Man müsse "rasch an die Förderung herangehen", sagte Lindner und zeigt sich "zuversichtlich", in wenigen Jahren einen "relativ großen Bedarf" aus heimischen Gasquellen zu decken. Es sei "ratsam, das zu tun". Was ist Fracking? Diskussionen um Fracking sind nicht neu. Dabei handelt es sich um einen Vorgang, bei dem ein Gemisch aus Sand, Wasser und chemischen Zusätzen in den Untergrund gepresst wird. Durch den hohen Druck wird das Gestein aufgesprengt. So ist der Zugang zu den Rohstoffen möglich. Das Gas kann dann nach oben an die Erdoberfläche befördert werden. Anschließend wird Sand in die Tiefe gepumpt, um die Gesteinsrisse zu stabilisieren. Wer ist für Fracking? Andreas Pinkwart, der von 2017 bis zum Mai diesen Jahres das Wirtschafts- und Energieministerium in NRW führte, brachte noch im April Fracking ins Gespräch. Alle Regeln, die dem Fracking gegenüberstünden, gehörten &bdquo;auf den Prüfstand“, wenn man eine Energieunabhängigkeit erreichen wolle, sagte Pinkwart. Auch Michael Hüther, Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft, befürwortet eine Prüfung, um schnell aus russischem Gas aussteigen zu können. Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) in NRW ist der Meinung, dass Fracking "jetzt auf die politische Agenda" gesetzt werden muss. NRW solle dazu sein politisches Gewicht in Berlin in die Waagschale werfen. Auch die FDP in OWL bringt das Thema Fracking neu ins Spiel und stellt dafür jetzt eine Anfrage im Regionalrat der Bezirksregierung Detmold. Rein technisch könnte eine Förderung von Schiefergas durch Fracking schon in sechs Monaten aufgenommen werden, sagt der Fraktionsvorsitzende der FDP im Regionalrat, Jan Maik Schlifter, dieser Zeitung. Nach Auffassung von Schlifter wäre die Aufnahme heimischer Gasförderung auch in OWL ein &bdquo;wichtiger Beitrag zur Energiesicherheit“ und auch ökologisch "vertretbar". Wie sind die Voraussetzungen in NRW? Die größten Gas-Vorkommen soll es in Niedersachsen geben, auf das kürzlich auch Markus Söder verwies. Auch auf Rügen und in Baden-Württemberg soll es Gasvorkommen geben, ebenso in OWL. Das gesamte Gebiet in der Region war in der Vergangenheit bereits von Energiekonzernen und deren Aufsichtsfeldern belegt, um Fracking zu prüfen, wie Natur- und Umweltschützer Fritz Buhr aus Paderborn berichtet. Die Rechte seien in der Vergangenheit ausgelaufen, da keine Anträge auf Verlängerung gestellt worden seien, so Buhr gegenüber dieser Zeitung. Der Umweltschützer hat sich seit Jahren intensiv mit dem Thema beschäftigt. Wie ist die Lage in OWL? Ebenso wie Buhr ist auch Karsten Otte von der Bezirkskonferenz Naturschutz OWL ein entschiedener Fracking-Gegner. &bdquo;Dringender Appell an die Landes- und Bundesregierung: Lasst die Finger davon!“, so Otte. Er sieht in dem Verfahren eine &bdquo;unverantwortbare Gefährdung“ der stark strapazierten Grundwasser-Ressourcen. Auch Buhr fordert, dass die Gesundheits- und Touristik Region Ostwestfalen mit ihren reichen Trink- und Mineralwasser-Ressourcen und ihren vielen Kurorten von Fracking &bdquo;verschont“ bleiben müsse. Eine erneute Beantragung würde allen Bemühungen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen &bdquo;Hohn sprechen“, da Fracking noch immer unvermeidbar mit beträchtlichen Leckagen von Methan verbunden sei, das in den ersten 20 Jahren die über hundertfache Klimaschädlichkeit von CO2 besitze, so Buhr. Wer ist gegen Fracking? Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) bezeichnet Fracking als &bdquo;schlechte Idee“. Es sei &bdquo;aus guten Gründen“ in Deutschland größtenteils verboten. &bdquo;Es ist mit besonders hohen Treibhausgasemissionen verbunden, kann Erdbeben verursachen und das Grundwasser verseuchen“, so die DUH auf Anfrage. Zudem fielen Unmengen an Lagerstättenwasser an, das teils giftige und radioaktive Bestandteile enthalte. Eine Bohrung verbrauche mehrere Millionen Liter Wasser. Das sei in den aktuellen Zeiten &bdquo;absurd“. Was sagt die Landespolitik? NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hat dem Thema vor wenigen Wochen eine Absage erteilt. Fracking sei in einer Region, in der "wir viel von unserem Trinkwasser aus oberflächennahen Wasserschichten holen, die beim Fracking durchstoßen werden müssten, nicht verantwortbar". Der neue NRW-Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) hält Fracking auch deshalb nicht für zukunftsfähig, da es erst in Jahren Gas produzieren könne. &bdquo;Die Diskussion sollten wir uns nicht antun“, sagte Krischer kürzlich. Die Debatte sei bereits in der Vergangenheit &bdquo;vor die Wand gefahren“ worden. Die neue Klima-Energie- und Wirtschaftsministerin in NRW, Mona Neubaur (Grüne), sagt auf Anfrage, dass Fracking bei der Bewältigung der aktuellen Krise kurzfristig &bdquo;gar keinen Beitrag leisten“ könne, weshalb das Thema im Koalitionsvertrag des Landes auch nicht vorgesehen sei. Vielmehr sei das Land entschlossen, den Übergang hin zu einer klimaneutralen Produktionsweise auf Basis von erneuerbaren Energien und die Vorbereitungen für die Zufuhr von Wasserstoff gemeinsam zu stärken und auszubauen. In einem Interview mit dieser Zeitung kurz vor der Landtagswahl wurde Neubaur noch deutlicher, als sie Fracking als &bdquo;Hirngespinst“ bezeichnete. Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck lehnt Fracking ab. Was ist das Ergebnis? In NRW gibt es viele Fracking-Kritiker. Umweltschützer verweisen auf die Risiken für die Umwelt und den Verbrauch von sehr viel Wasser. Weiteres Argument gegen Fracking: Es würden mehrere Jahre vergehen, bis durch Fracking das erste Gas fließe, da es aufwendige Genehmigungsverfahren und Vorbereitungen erfordere. Die Deutsche Umwelthilfe sieht die Bundesregierung in der Pflicht, stattdessen massiv Energie einzusparen, beispielsweise indem sie ein allgemeines Tempolimit durchsetze und die Sanierung ineffizienter Gebäude beschleunige.

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